Rüstungsexporte – Geht ohne Korruption gar nichts?
von Otfried Nassauer
Rüstungsexporte und Korruption sind oft zwei Seiten
einer Medaille. Mehr noch: Sie sind es viel häufiger als man
denkt. Diese Erkenntnis ist Joe Roeber zu verdanken, einem verstorbenen
Experten von Transparency International, der diesen Zusammenhang vor
zehn Jahren erstmals statistisch unterlegte. Andrew Feinstein, ein
international anerkannter Experte für Korruption bei
Rüstungsgeschäften, erinnerte kürzlich an Roebers
Entdeckung:
O-Ton Feinstein (overvoice)
„Es gelang ihm Statistiken zu erarbeiten, die nie zuvor
öffentlich verfügbar waren. Auf der Basis dieser Statistiken
kalkulierte er [Roeber] – das gilt für Daten bis Ende 2003
– dass die Korruption bei Rüstungsexportgeschäften rund
40% der Korruption im gesamten Welthandel ausmachte.“
Feinstein beschrieb auch, warum vor allem europäische
Rüstungsfirmen zu diesem Sachverhalt entscheidend beitragen:
O-Ton Feinstein (overvoice)
„Weil die USA mehr als ein Drittel aller Waffenkäufe auf der
Welt tätigen, können deren Rüstungsfirmen unter
Bedingungen produzieren, die man als ‚economies of scale‘
bezeichnet. Sie produzieren mehr, also billiger. Um in dieser Situation
konkurrenzfähig zu bleiben, greifen die europäischen
Rüstungsfirmen oft zu massiver Bestechung.“
Weil die Europäer teurer produzieren. Die wehrtechnische
Industrie in Deutschland lebt überwiegend vom Export. Sie macht
ihr Geschäft also in einem äußerst
korruptionsanfälligen Umfeld. Früher war das für die
Industrie kein wirkliches Problem. Bis Ende 1999 war die Bestechung
ausländischer Entscheidungsträger in Deutschland nicht
strafbar. Mehr noch: Die Zahlungen konnten sogar als Betriebsausgaben
von der Steuer abgesetzt werden. Sie galten als „Nützliche
Aufwendungen“.
Jüngere Erkenntnisse zu den deutschen
Rüstungsexporten in das hochverschuldete Griechenland zeigen, dass
Bestechung bei solchen Geschäften auch dann noch eine zentrale
Rolle spielte, als sie längst strafbar geworden war.
Deutsche Rüstungsfirmen haben in den Jahren 2000 bis
2014 Vertragsabschlüsse mit Athen im Gesamtumfang von rund sechs
Milliarden Euro bekannt gegeben. Griechenland war für sie
über viele Jahre einer der wichtigsten Märkte. Verkauft
wurden in diesem Zeitraum unter anderem
- vier U-Boote des Typs 214 durch Ferrostaal und ThyssenKrupp Marine Systems
- „Pakete“ zur Modernisierung von drei älteren U-Booten der Klasse 209
- 170 Kampfpanzer des Typs Leopard 2A6 von Krauss Maffei Wegmann
- 24 moderne Panzerhaubitzen derselben Firma
- 54 mobile Flugabwehrsysteme vom Typ ASRAD von der Bremer Firma STN-Atlas, heute Rheinmetall Defence Electronics und
- 20 Hubschrauber des Typs NH90 von Eurocopter, heute Airbus
In den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung stand
Griechenland immer wieder auf den vorderen Plätzen. Das Risiko,
das dafür eingegangen wurde, war offenbar hoch. Jedes einzelne der
genannten Geschäfte steht heute unter Korruptionsverdacht.
Ein erster Hinweis ergibt sich schon aus der Statistik: Die
von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen für
Rüstungsgüter nach Griechenland addieren sich im Zeitraum von
2000 bis 2014 nur auf einen Exportwert von etwa 2,4 Milliarden Euro.
Das sind deutlich weniger als jene 6 Milliarden Euro, die die Industrie
verkündet hatte.
Ein Teil der Differenz lässt sich erklären. Nicht
alle Verträge wurden auch vollständig umgesetzt, andere sind
noch nicht ganz abgearbeitet. Steuern und Abgaben erhöhen den
Umsatz, stellen aber keinen exportierten Warenwert dar. Das ist
allerdings auch bei Provisionszahlungen an Vermittler oder bei
Bestechungsgeldern so, die im Ausland an Entscheidungsträger
weitergereicht werden. Solche Kosten treiben den Umsatz und den Preis
einer Waffe in die Höhe, nicht aber den materiellen Wert der Ware,
die exportiert wird. Diese Kostenfaktoren sind enorm gestiegen, seit
die Firmen nach dem Verbot sogenannter nützlicher Aufwendungen
diese verschleiern müssen. Eine große Diskrepanz zwischen
den Vertragswerten und genehmigten Exportwerten kann also auch ein
Indiz für Korruption sein. Ähnlich wie überhöhte
Preise.
Korruption war und ist in Griechenland weit verbreitet. Im Großen
wie im Kleinen. Neu ist, dass Bestechung seit dem Siemens-Skandal
professioneller verfolgt wird. Zwei neue Sonderstaatsanwaltschaften
gehen großen Fällen nach, darunter der Korruption bei
Rüstungsgeschäften. Sie kooperieren intensiv mit
Staatsanwaltschaften in Deutschland und in der Schweiz. Und sie haben
eine Reihe von Kronzeugen gewonnen, die sich ein milderes Urteil
erhoffen, wenn sie ihre Beteiligung an Bestechungsvorgängen im
Detail offenlegen. Das hat etliche zusätzliche Fälle ins
Rollen gebracht.
Erste Erfolge wurden in Griechenland und in Deutschland
sichtbar. Mit Akis Tsoschatzopoulos wurde ein ehemaliger griechischer
Verteidigungsminister zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er bei
diversen Rüstungskäufen insgesamt eine hohe zweistellige
Millionensumme kassierte. Die internationale Kooperation der
Ermittler machte es möglich, die Ferrostaal AG zu dem
Eingeständnis zu zwingen, dass der Konzern bei
U-Boot-Geschäften mit Griechenland und Portugal mindestens 55
Millionen Euro an Bestechungsgeldern zahlte. Ferrostaal willigte in
eine Strafzahlung von 149 Millionen Euro ein.
Auch Rheinmetall musste einräumen, dass die Bremer
Tochter RDE über einen geständigen griechischen Berater
Bestechungsgelder in Millionenhöhe gezahlt hatte. Der Konzern
akzeptierte eine Strafzahlung in Höhe von 37 Millionen Euro. Gegen
Krauss Maffei Wegmann wird weiter ermittelt, weil die Firma beim
Verkauf von Leopard-Panzern und Haubitzen bestochen haben soll. Ein
ehemaliger Manager soll im Oktober vor Gericht gestellt werden. Auch
ThyssenKrupp-Marine Systems kann sich keineswegs sicher sein, ob der
Firma nicht noch ein gefährliches Verfahren droht. Die Firma
könnte belangt werden, weil sie der Nachfolger von HDW ist und
zudem eine frühere Gemeinschaftsfirma von HDW und Ferrostaal
übernommen hat. Diese saß in London und hatte viele teure
ausländische Berater unter Vertrag genommen, mit deren Hilfe neue
U-Boot-Aufträge zum Beispiel in der Türkei und in
Südkorea eingeworben wurden. Der Name des Unternehmens lautet
Marine Force International - oder kurz: MFI. TKMS will nun eine
Untersuchung der Vorgänge einleiten.
An diesem letzten Beispiel zeigen sich zwei weitere Risiken
für die deutsche Industrie. Wer kommt für die noch nicht
erfüllten Zahlungsverpflichtungen aus alten Verträgen mit
Beratern auf, denen man überhöhte Provisionen zugesagt hat,
damit sie Bestechungsgelder weiterleiten? Übernahm MFI diese
Verpflichtungen von Ferrostaal und musste Thyssenkrupp Marine Systems
sie später von MFI übernehmen? Wie verhalten sich diese
Berater, wenn sie noch finanzielle Ansprüche haben? Fordern sie
Gelder von dem neuen Eigentümer ein? Drohen sie mit Zivilklagen?
Da die fünfjährige Verjährungsfrist für Korruption
erst beginnt, wenn der letzte Liefer- und der letzte Zahlungsanspruch
aus einem Geschäft abgegolten sind, kann ein solcher Streit die
Verjährung um viele Jahre hinauszögern. Für die Firmen
ist dies ein erheblicher Risikofaktor.
Schließlich stellt sich die Frage, ob die Rüstungsfirmen,
auch jene, die bereits einmal erwischt wurden, nur nach außen als
reuige Sünder bzw. als gesetzestreue Akteure inszenieren oder ob
sie ihre Praxis tatsächlich geändert haben. Da Bestechung in
vielen Ländern eine Voraussetzung dafür bleibt, um
Waffensysteme verkaufen zu können, kann auch die hohe
Abhängigkeit deutscher Rüstungsfirmen vom Export die
Versuchung vergrößern , erneut – wenn auch besser
versteckt – zu bestechen.
Was also tun gegen die offenbar allgegenwärtige
Korruption im Rüstungshandel? Ein Allheilmittel gibt es nicht.
Verschärfungen des Strafrechtes können auch kontraproduktiv
wirken. Ein Mafia-ähnliches „Gesetz des Schweigens“
kann entstehen. Freiwillige Verhaltenskodexe in der Industrie helfen
wenig, wenn die Verkäufer unter dem Druck stehen, um jeden Preis
neue Geschäfte abzuschließen und Wachstum zu generieren. Das
Fehlen gleicher Regeln auf internationaler Ebene begrenzt die
Wirksamkeit nationalstaatlicher Gesetzgebung. Peter Eigen, der
Gründer von Transparency International, plädiert deshalb
für einen integrierten Ansatz unterschiedlichster
Maßnahmen.
O-Ton Eigen
„Wir haben uns genau mit diesen Fragen sei 20 Jahren befasst und
dabei vor allem festgestellt, dass strafrechtliche Sanktionen eben nur
ein Pfeil im Köcher der Waffen gegen die Korruption sind. (...) Es
gibt viel viel bessere Sanktionen, zum Beispiel den Ausschluss von
Angeboten für Staatsaufträge (...) zum Beispiel
Schadensersatzklagen. Es gibt viele andere Elemente eines
Integritätssystems.“
Eigen dürfte recht haben. Es gilt, den Köcher mit möglichst vielen wirksamen Pfeilen zu füllen.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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