Uneingeschränkte Solidarität?
50 Jahre
deutsch-israelische Beziehungen
von Otfried Nassauer
Die Rüstungsbeziehungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Israel begannen bereits in den
fünfziger Jahren. Sie gingen auf geheime Absprachen zwischen
dem früheren deutschen Atom- und Verteidigungsminister Franz
Josef Strauß und Schimon Peres, dem späteren
Präsidenten Israels, zurück. In Deutschland und in
Israel wurde die Rüstungskooperation über Jahrzehnte
von Regierungen aller Couleur gepflegt und unterstützt.
Gerhard Schröder, Kanzler einer rot-grünen Koalition,
sagte zum Beispiel 2002 vor dem Deutschen Bundestag:
O-Ton Schröder
„Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel
bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner
Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht
wird.“
Rechtzeitig zum 50. Geburtstag der diplomatischen Beziehungen beider
Staaten häufen sich die Meldungen über solche
Projekte erneut. Die Bundesregierung genehmigte kürzlich die
Ausfuhr eines fünften U-Bootes der Dolphin-Klasse nach Israel.
2018 oder 2019 wird ein sechstes Boot dieser Klasse folgen. Die
Bundeswehr liefert Israel in diesem Jahr weitere zentrale Komponenten
des Raketenabwehrsystems Patriot. Berlin beabsichtigt, das Leasing
israelischer Heron-Drohnen für den Einsatz in Afghanistan
fortzuführen und prüft, ob dafür auch
Drohnen genutzt werden können, die man bewaffnen kann.
Ende vergangenen Jahres bekam Israel zudem die Zusage, Deutschland
werde sich am Bau von vier Korvetten für die israelische
Marine bis 2019 mit 115 Millionen Euro beteiligen. In Kürze
soll der Vertrag mit dem Unternehmen ThyssenKrupp Marine Systems
unterzeichnet werden. Gebaut werden die Schiffe bei einem
Unterauftragnehmer, Abu Dhabi Mar in Kiel-Gaarden, einer
früheren TKMS-Werft, die pikanterweise seit einigen Jahren in
arabischem Eigentum ist. Diese wurde kürzlich in German Naval
Yards umbenannt.
Israel lässt die Korvetten in Deutschland bauen, da es selbst
über keine Werft verfügt, die solche Schiffe
herstellen könnte. Es werden die größten
Überwasserschiffe der israelischen Marine sein. Sie sollen in
Israel mit modernster Elektronik und leistungsfähigen
Waffensystemen ausgerüstet werden. Israel möchte die
Korvetten nutzen, um seine neuen Erdgasfelder im Mittelmeer gegen
mögliche Angriffe zu schützen. Die
Gasförderung wird derzeit ausgebaut, um die israelische
Energieversorgung von Importen unabhängiger zu machen und
zudem Erdgas devisenbringend zu exportieren. Für Israels
wirtschaftliche Zukunft ist dieses Vorhaben von
größter Bedeutung.
Die finanzielle Unterstützung Deutschlands für
Israels Streitkräfte ist kein Novum. Deutschland leistet nach
den USA seit Jahrzehnten die größte
Militärhilfe für Israel. Schon Anfang der 1960er
Jahre förderte Bonn den Kauf gebrauchter britischer U-Boote
durch Israel. In den 1970er Jahren wurden drei U-Boote der Gal-Klasse
nach deutschen Plänen mit deutschen Komponenten sowie
deutschem Geld in Großbritannien gebaut. Seit Ende des Kalten
Krieges erhält Jerusalem in Kiel gebaute Dolphin-U-Boote. Auf
drei dieselelektrisch angetriebe- 10 ne U-Boote in den neunziger Jahren
folgen derzeit drei U-Boote mit einem Brennstoffzellenantrieb. Aus
deutschen Steuergeldern werden die sechs U-Boote mit insgesamt mehr als
einer Milliarde Euro subventioniert. Zudem hat Deutschland der
Regierung in Jerusalem zugesagt, israelische
Rüstungsgüter und Dienstleistungen für die
Bundeswehr einzukaufen, um Israel die Devisenbeschaffung für
seine Rüstungskäufe zu erleichtern.
Rüstungsexporte für das israelische Heer werden
dagegen bereits seit langem erheblich vorsichtiger gehandhabt.
Lieferungen kompletter Waffensysteme sind die Ausnahme. Stattdessen
werden technisch hochwertige Komponenten geliefert. Israel bekam zwar
keine Kampfpanzer des Typs Leopard, aber auf verschlungenen Wegen
moderne Komponenten, um eigene Kampfpanzer vom Typ Merkava bauen zu
können. Motor, Getriebe und Glattrohrkanone des Merkava
stammen aus dem Leopard-2. Auch die Technologie zur Herstellung der
Stabilisierungsanlage, die dafür sorgt, dass die Kanone des
Panzers bei voller Fahrt durch das Gelände zielsicher trifft,
wurde in den 1980er Jahren konspirativ nach Israel geliefert, nachdem
alle Hinweise auf den Hersteller getilgt worden waren.
Als Begründung für die militärischen Hilfen
wird meist Deutschlands besondere Verantwortung für die
Sicherheit und die Existenz Israels angeführt. Kanzlerin
Angela Merkel ging bei ihrem Israel-Besuch 2008 sogar noch einen
Schritt weiter. Sie erklärte vor der Knesset:
O-Ton Merkel
„Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren
der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die
Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung
Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das
heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als
deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“
Die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson?
Bundespräsident Joachim Gauck sah sich 2012
bemüßigt, dem zu widersprechen. Hintergrund waren
damals Diskussionen über mögliche
Bundeswehreinsätze im Nahen Osten sowie ein eventueller
israelischer Angriff auf iranische Nuklearanlagen. Der 11
Bundespräsident deutete bei seinem Israel-Besuch
mögliche Grenzen der Solidarität an:
O-Ton Gauck
„...Ich will mir nicht jedes Szenario ausdenken, welches die
Bundeskanzlerin in enorme Schwierigkeiten bringt, ihren Satz, dass die
Sicherheit Israels deutsche Staatsräson ist, politisch
umzusetzen."
Gauck stellt damit indirekt die Frage, ob die Verpflichtung
Deutschlands zur Unterstützung Israels nicht auch Grenzen
haben sollte. Diese Frage ist so richtig wie berechtigt. Das gilt nicht
nur für den Fall eines völkerrechtswidrigen
Präventiv-Angriffs auf iranische Nuklearanlagen, sondern auch
im Hinblick auf die deutsch-israelische Rüstungskooperation.
Bedingungslose Solidarität kann es für niemanden
geben. Zwei sehr unterschiedliche Beispiele verdeutlichen das: Israels
oft sehr repressives Vorgehen in den besetzten Gebieten und sein
Verhalten in den Kriegen im Libanon oder im Gazastreifen standen
mehrfach in deutlichem Widerspruch zu den Normen des
Völkerrechts. Israel verstößt zudem immer
wieder gegen die Menschenrechte. Zu Rüstungslieferungen, die
Beihilfe zur Missachtung völkerrechtlicher Normen leisten,
kann niemand verpflichtet sein. Also kann es keine Verpflichtung geben,
beispielsweise den Export der Herstellungstechnologie für
leichte schultergestützte Waffen der Firma Dynamit Nobel nach
Israel zu genehmigen, die besonders dazu geeignet sind, Menschen hinter
schützenden Mauern zu bekämpfen. Trotzdem wurden
solche Genehmigungen erteilt.
Ähnliches gilt für die Lieferung deutscher U-Boote
der Dolphin- und der Dolphin-II-Klasse. Die meisten Experten gehen
mittlerweile davon aus, dass Israel diese U-Boote als
Abschussplattformen für atomare Marschflugkörper
einsetzen kann und sich zumindest die Möglichkeit offen
hält, Nuklearwaffen an Bord dieser Boote zu stationieren.
Israel ist dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten und gilt als
unerklärte Nuklearmacht. Deutschland ist nicht-nukleares
Mitglied dieses Vertrages und muss daran interessiert sein, sich
für nukleare Abrüstung und eine möglichst
effiziente Nichtverbreitungspolitik einzusetzen. Mit dieser Zielsetzung
ist es nicht vereinbar, Israel dabei zu unterstützen, sein
Atomwaffenpotential effizienter und langlebiger zu machen.
Beide Beispiele verdeutlichen: Die deutsche
Rüstungskooperation mit Israel trug und trägt
wiederholt dazu bei, Israel die Verletzung völkerrechtlicher
Normen zu erleichtern. Dazu kann es keine politische, moralische oder
ethische Verpflichtung geben. Auch nicht aus Gründen der
Staatsräson.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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