Im
Labyrinth der Verhandlungen
von Alexander Lurz
Anfang Oktober trafen in Genf Vertreter der sogenannten 5+1-Gruppe mit
Unter-händlern des Irans zusammen. Die 5+1-Gruppe setzt sich zusammen
aus den fünf Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrates und der Bundesrepublik.
Das Treffen selbst stellte einen ersten Erfolg für Präsident
Obama dar, der die amerikanische Iran-Politik nach seiner Amtsübernahme
neu ausgerichtet hatte.
Die Verhandlungen in Genf erzielten recht schnell erste Ergebnisse. Die
iranische Delegation unter Leitung des Sekretärs des Obersten Nationalen
Sicherheitsrates, Saeed Jalili, sagte zu, dass Inspektoren der Internationalen
Atomenergiebehörde IAEA eine Nuklearanlage in Fordo nahe Ghom kontrollieren
könnten. Der Bau dieser Anlage zur Urananreicherung war erst kurz
zuvor bekannt geworden und hatte erneut Befürchtungen genährt,
dass der Iran heimlich am Bau von Atombomben arbeite. Darüber hinaus
trafen sich Jalili und William Burns, der Leiter der amerikanischen Delegation,
zu einem Vier-Augen-Gespräch. Bei der Zusammenkunft sprachen die
beiden Unterhändler auch über Themen, die nichts mit dem Atomprogramm
zu tun hatten. Damit ging die US-Regierung ihrerseits auf iranische Forderungen
ein.
Präsident Obama bewertete den Verlauf der Genfer Gespräche
damals vorsichtig optimistisch:
O-Ton Obama (overvoice)
„Dies ist ein konstruktiver Start, aber harte Arbeit steht noch bevor.
Wir sind nun in einer Phase intensiver internationaler Verhandlungen.
Reden ersetzt das Handeln nicht. Kooperationsversprechen müssen erfüllt
werden.“
Obamas Drängen auf konkrete Umsetzung bezog sich auch direkt auf
die Schlüsselfrage der Verhandlungen: die Verschiffung eines Großteils
des im Iran bislang niedrig angereicherten Urans ins Ausland.
Die Islamische Republik benötigt auf 20 Prozent angereichertes Uran,
um in ihrem Forschungsreaktor in Teheran weiterhin radioaktive Isotope
zur medizinischen Verwendung herzustellen. Im Juni vergangenen Jahres
hatte sich der Iran an die IAEA mit der Bitte gewandt, einen Kauf des
Materials auf dem Weltmarkt zu vermitteln. In Washington beschloss man
daraufhin, die iranische Versorgungslücke als Druckmittel zu nutzen.
Anstatt Teheran den Kauf zu ermöglichen, wurde die Idee geboren,
niedrig angereichertes Uran aus iranischer Produktion zur weiteren Anreicherung
ins Ausland zu verschiffen und anschließend zurückzugeben.
Der Iran erklärte sich in Genf hierzu im Prinzip bereit: Die dort
beschlossene vorläufige Übereinkunft sah vor, dass der Iran
den größten Teil seines niedrig angereicherten Urans zur weiteren
Anreicherung nach Russland liefere. Im Anschluss daran sollte das Uran
in Frankreich in Brennstäbe umgewandelt und von dort zurück
in den Iran transportiert werden.
Die Obama-Administration und ihre Partner verfolgten mit diesem Plan
ein doppeltes Ziel: Zum einen sollte auf diesem Weg Vertrauen geschaffen
werden. Zum anderen – und das stand im Zentrum – sollte Iran eine Menge
angereichertes Uran entzogen werden, die theoretisch und nach weiteren
Schritten den Bau einer Atombombe ermöglichen könnte. Auf diesem
Weg sollte die Zeit für eine grundsätzliche Lösung des
Atomkonfliktes gewonnen werden, so die Überlegung in Washington.
Die vorläufige Zusage in Genf geriet im Iran jedoch unter scharfen
Beschuss. Parlamentspräsident Ali Laridjani, der bis 2007 die Nuklearverhandlungen
mit dem Westen geleitet hatte, wandte sich gegen die Übereinkunft.
Der Westen, so Laridjani, wolle auf diesem Weg das iranische Uran „stehlen“.
Eine Reihe konservativer Abgeordneter des iranischen Parlaments kritisierte
die Vereinbarung ebenfalls. Auch Mir Hussein Mussawi, einer der Führer
der Opposition, äußerte sich ablehnend. Ihm zufolge würde
die Übereinkunft die Arbeit und Leistungen Tausender iranischer Wissenschaftler
zerstören. Ebenso wenig fand die Genfer Übereinkunft die Zustimmung
des höchsten geistlichen Führers, Ayatollah Khamenei.
Die Kontroverse war nicht nur außenpolitischer Natur. Die innenpolitische
Lage im Iran hat sich seit der Präsidentenwahl im Juni, bei der es
offensichtlich zu Wahlfälschungen gekommen ist, nicht mehr beruhigt.
Tiefe Gräben haben sich nicht nur zwischen dem Regime und einem großen
Teil der Bevölkerung aufgetan, sondern ebenso innerhalb der herrschenden
Elite.
Vor diesem Hintergrund wird der Streit um das Atomprogramm auch maßgeblich
unter innenpolitischen Vorzeichen geführt. Für manchen Hardliner
des Regimes käme eine Verständigung mit den USA zur Unzeit.
Das Feindbild USA dient ihnen dazu, eigene Anhänger zu mobilisieren
und die Opposition der Kooperation mit dem Westen zu bezichtigen. Hintertrieben
wird eine Annäherung im Atomkonflikt jedoch auch von einer Vielzahl
von oppositionellen wie auch systemtreuen Akteuren, die einen außenpolitischen
Erfolg Ahmadinejads verhindern wollen, da ein solcher dessen Position
stärken würde.
Der inneriranische Streit um die Genfer Übereinkunft verdeutlicht
darüber hinaus eines: Das traditionelle System der Entscheidungsfindung
in Teheran ist empfindlich gestört – wenn nicht gar zerstört
– worden. Bis zum vergangenen Juni wurden außenpolitische Entscheidungen
nach Einbeziehung und Anhörung einer Vielzahl von Akteuren getroffen.
Die Risse innerhalb des Regimes verhindern dies nun.
Angesichts des innenpolitischen Widerstands rückte die Regierung
Ahmadinejad von ihrer prinzipiellen Zustimmung zum Genfer Atomdeal wieder
ab. Man lehnte nun die Verschiffung von Uran ab. Stattdessen machte die
iranische Regierung das Angebot, eigenes, niedrig angereichertes gegen
höher angereichertes Uran zu tauschen. Dies akzeptieren jedoch weder
die USA noch die Regierungen in Berlin, London und Paris. Damit haben
die westlichen Regierungen jedoch Wasser auf die Mühlen derjenigen
in Teheran geleitet, die in dem amerikanischen Plan ohnehin nur den Versuch
sehen, Iran um das angereicherte Uran zu bringen. Im Dezember ging Teheran
in die Offensive. Außenminister Mottaki setzte dem Westen eine Frist
bis Ende Januar, um auf das iranische Angebot einzugehen. Ansonsten werde
man das Uran selbst weiter auf 20 Prozent anreichern.
Auf Mottakis Aussage hin verschärfte wiederum US-Außenministerin
Clinton den Ton und erklärte am 4. Januar:
O-Ton Clinton (overvoice)
„Die Resultate unserer Anstrengungen, mit dem Iran in einen direkten Dialog
zu treten, sind nicht ermutigend. Wir sind enttäuscht über die
Antwort auf den Vorschlag zum Teheraner Reaktor. Die iranische Regierung
hat ein Ultimatum verkündet, eine Frist, bis zu der sie eine positive
Antwort auf ihr nicht akzeptables Gegenangebot erwartet... Also haben
wir bereits mit unseren Partnern mit der Diskussion über Druck und
Sanktionen begonnen. Ich kann zum Stand nur sagen, dass es unser Ziel
ist, Druck auf die iranische Regierung und insbesondere die Revolutionsgarden
auszuüben, ohne das die einfachen Iraner leiden, die Besseres verdienen
als sie gegenwärtig erfahren.“
Der Konflikt um das iranische Atomprogramm droht damit weiter zu eskalieren.
Die von Clinton in Aussicht gestellten Sanktionen gegen Schlüssel-Akteure
des Regimes folgen dabei einem doppelten Kalkül. Zum einen haben
begrenzte Sanktionen eher Aussicht, eine breite internationale Unterstützung
zu finden. Russland und vor allem China sprechen sich gegenwärtig
gegen weitere Strafmaßnahmen aus. Ihre Mitwirkung an einer neuen
UN-Sanktionsrunde gilt jedoch als zwingend notwendig, um die Entscheidungsprozesse
in Teheran wirksam zu beeinflussen. Darüber hinaus zielen Sanktionen
gegen die Revolutionsgarden und andere Stützen des Systems auf die
innenpolitische Lage im Iran ab. Im Gegensatz zu breit angelegten Sanktionen
wie einem Benzinembargo, das die iranische Bevölkerung treffen würde,
soll ein zielgerichtetes Vorgehen gegen einzelne Elemente des Regimes
verhindern, dass sich die Reihen im inneriranischen Machtkampf wieder
schließen.
Ob dieses Kalkül aufgeht, ist allerdings fraglich. Sicher scheint
aber: Eine neue Sanktionsrunde würde eine Annäherung, wie sie
in Genf bereits möglich erschien, erst einmal wieder in weite Ferne
rücken lassen.
ist Mitarbeiter des BITS.
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