WDR5, Morgenecho - Interview
26. Januar 2005


Noch mehr Kriege im Namen der Freiheit?

Interview mit Otfried Nassauer

 

WDR 5: Herr Nasssauer, denken Sie, dass der Kongress im Februar diesem Nachtragshaushalt – das ist immerhin einer mit zehn Nullen – zustimmen wird?

Nassauer: Mit hoher Wahrscheinlichkeit, weil die Republikaner in beiden Häusern die Mehrheit haben. Und ob es nun jeden Dollar gibt, den Herr Bush haben möchte, das werden wir sehen. Die Zahlen sind ja noch nicht endgültig auf dem Tisch.

 

WDR 5: Hat Bush Ihres Erachtens überhaupt noch ein Gegengewicht?

Nassauer: Herr Bush hat kein ernsthaftes Gegengewicht in den USA im Moment, weil die Demokraten doch heftig nach ihrer Linie suchen, nachdem sie diese Wahl verloren haben und Herr Bush selber hauptsächlich die innenpolitische Seite der Beurteilung seiner Politik beachtet. Die außenpolitische Seite, da hat er sich ja jetzt was ausgedacht. Er hat ja gesagt: Okay, der erste Deal, die erste große Aktivität meiner zweiten Amtszeit ist es, den Europäern den Gedanken des effizienten Multilateralismus, also der effizienten multinationalen Zusammenarbeit, streitig zu machen und zu zeigen, dass man das auch unter amerikanischer Führung organisieren kann. Und darauf wird er wohl - darauf zielt auch die Scham-Offensive von Frau Rice – im ersten Schritt das Hauptaugenmerk legen.

 

WDR 5: Wenn Sie sich die Bush-Regierungstruppe anschauen – also Bush, Cheney, Rumsfeld und auch, wie Sie gerade sagten, Rice -, sehen Sie da überhaupt irgendeinen Willen zu mehr Dialog und ben weniger Konfrontation? e

Nassauer: Nein, ich sehe zunächst mal was Anderes. Ich sehe zunächst mal, dass da ziemlich viel auf eine Linie gebracht wird. Die CIA und das Außenministerium werden sozusagen als Defence-Organisationen für die zweite Amtszeit ausgeschaltet. Und nachdem das passiert ist, wird man den Versuch machen, dasselbe auch Richtung UNO und Internationale Atomenergiebehörde zu organisieren, um damit einfach eine Struktur hinzukriegen, in der Herr Bush es schaffen kann, ohne dass es signifikanten offiziellen Widerstand gibt, die Politik zum Beispiel gegenüber dem Iran so gestaltet werden kann, wie er sich das vorstellt.

 

WDR 5: Gehört dazu auch, dass Donald Rumsfeld, der Verteidigungsminister, noch mehr Macht über den Geheimdienst bekommen wird?

Nassauer: Donald Rumsfeld bekommt nicht mehr Macht über den Geheimdienst. Er schafft sich praktisch eine Parallel- Organisation. Das heißt er kriegt insgesamt mehr Macht. Er hat mehr operative Macht, um seine Politik umzusetzen. Und er ist ja im Prinzip so etwas wie der "bad guy" in der amerikanischen Administration, der die Sachen umsetzt, die die Administration beschließt und die wirklich auch offiziellen politischen Widerspruch hervorrufen könnten im Ausland. Und da wird er sich in der Tat mit der zusätzlichen Macht, die er sich da organisiert und auch halt eben relativ gut finanziert bekommt, durchaus wieder etwas einfallen lassen können.

 

WDR 5: Vor dem Hintergrund vor dem, was Sie gerade beschrieben haben: Halten Sie da einen weiteren Krieg wegen dem Iran tatsächlich für möglich?

Nassauer: Also für möglich halte ich ihn auf jeden Fall. Das Problem ist: Wie lange ist es bis dahin? Herr Bush hat ja auch im Vorfeld des Irak-Krieges davon geredet, dass er sozusagen eine "last diplomatic mile", also eine letzte Meile der Diplomatie, gehen werde. Und die Frage ist: Wie lange dauert die jetzt in diesem Fall? Ist sein Ziel durch die Drohung, den Iran praktisch handlungsunwillig im Prinzip mit den Europäern zu machen? Oder ist sein Ziel, den Iranern die Peitsche zu zeigen, damit sie mit den Europäern konstruktiv verhandeln werden? Das weiß man nicht, was von den beiden die Hauptwirkungsrichtung sein soll.

 

WDR 5: Keine der beiden Wirkungsrichtungen wäre gut.

Nassauer: Keine der beiden wäre wirklich gut. Die Richtung, dass die Verhandlungen sozusagen mit der Peitsche unterstützt werden sollen, könnte noch mit einer gewissen Hoffnung auf ein konstruktives Ende verbunden sein. Aber die andere garantiert nicht.

 

WDR 5: Das heißt könnte man so weit gehen, das diplomatisch geschickte Vorgehen von Condoleezza Rice jetzt auch beim Fischer-Besuch und die Reise von Bush, die im Februar nach Europa ansteht, eher so zu deuten, dass es darum geht, die Europäer auf Linie zu bringen, auf amerikanische Linie`?

Nassauer: Genauso sehe ich das. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt. Ich denke, es wird in Mainz ähnlich wie bei dem Vater von Bush, der ja auch in Mainz mal eine Rede gehalten hat, scheinbar gutes Angebot zur Zusammenarbeit mit dem "alten Europa" – in Anführungsstrichen – von Herrn Rumsfeld geben, das aber gleichzeitig auch vergiftet sein könnte, weil es eben nur zu amerikanischen Bedingungen geht. Und wenn es um die amerikanischen Bedingungen geht, dann geht es eben auch darum, letztlich ein militärisches Vorgehen gegen den Iran bzw. das große Konzept der Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens in der etwas missionarischen Vorstellung von Herrn Bush zu unterstützen.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS. Das Interview führte Judith Schulte-Loh.