"Bundeswehr hält begrenzten weiteren Einsatz für machbar"
Interview mit Otfried Nassauer
Der Bundeswehrverband warnt vor einem Sudaneinsatz. Wie kommt es, dass er bei 7000
Soldaten im Auslandseinsatz bereits die Gefahr der Überforderung sieht, Herr Nassauer?
Ob der Bundeswehr die Überforderung droht, ist eine Frage des Blickwinkels. Sie hat knapp
260000 Soldaten. 7000 davon sind im Ausland. Es waren auch schon mal 10000. Auf den ersten
Blick scheint das wenig. Aber: Die meisten Auslandseinsätze dauern so lange, dass die
Truppen rotieren müssen, also mehrere Verbände durch die gleiche Aufgabe gebunden sind.
Dazu kommen Soldaten, die den Einsatz aus Deutschland unterstützen. Und Soldaten, die als
Verstärkungen bereitgehalten werden. Mit anderen Worten: Die Zahl der Soldaten in den
Einsatzländern sagt nur bedingt etwas darüber, wie viele Soldaten insgesamt damit
beschäftigt sind. Trotzdem meiner Einschätzung nach hält die Bundeswehr einen
begrenzten weiteren Einsatz für machbar. Der Bundeswehrverband dagegen muss ein Interesse
haben, die Belastungen für seine Mitglieder so niedrig zu halten wie möglich.
Erschwert die Reform der Bundeswehr die Lage zusätzlich?
Ja, die dringend notwendige Reform führt zwischenzeitlich zu Einschränkungen. Wer
Großinstitutionen umkrempelt, muss wissen, dass sie übergangsweise nicht voll
einsatzfähig sind und vermehrt Fehler produzieren. Die Agentur für Arbeit ist ein gutes
Beispiel, das uns täglich begegnet. Auch die Bundeswehr hat dieses Problem: Einheiten,
die umstrukturiert werden, können nicht in den Einsatz; Soldaten aus vielen Einheiten
müssen dafür zusammengezogen werden. Manche Spezialisten sind fast immer im Einsatz und
deshalb schon ganz schön genervt. Und der Aufbau spezieller Krisenreaktionsverbände in
der Nato und der Europäischen Union bindet etliche Einheiten, die gut für
Auslandseinsätze geeignet wären.
Warum tut sich die Politik mit einer Entscheidung in Sachen Darfur so schwer?
International, weil es keinen Konsens darüber gibt. National, weil die Entscheidung für
oder gegen einen Einsatz auch eine Aussage über deutsche Prioritäten ist. Ein Einsatz,
um das Morden in Darfur zu stoppen, ist eine Aussage zu Gunsten humanitärer
Interventionen, zu Gunsten der Stärkung der UN und zu Gunsten des deutschen Anspruchs auf
einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Was aber, wenn in den USA Herr Kerry Präsident
wird oder mehr Soldaten in Afghanistan nötig werden? Das ginge nur auf Kosten der
deutschen Beteiligung auf dem Balkan. Keine verlockende Perspektive angesichts der
Probleme, die dort 2005 kommen.
Das Gespräch führte Michael Schmidt.
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