Wie gefährlich ist der Iran?
Interview mit Otfried Nassauer
Wie gefährlich ist der Iran? Wie sollte die UN vorgehen? Welche Interessen
verfolgen die USA/Israel/Europa?
NDR Info: Die Frist des Sicherheitsrates läuft ab: Heute soll der Iran die
Uran-Anreicherung einstellen - so fordert es das höchste UNO-Gremium. Doch kurz vor
Ablauf des Ultimatums hat der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad erneut deutlich
gemacht, sein Land werde das Atomprogramm niemals aufgeben. Und einen richtigen,
gemeinsamen Hebel, den Iran doch noch zum Einlenken zu bringen, hat der Sicherheitsrat
noch nicht gefunden. Otfried Nassauer ist Leiter des Berliner Informationszentrums für
Transatlantische Sicherheit und nun am Telefon. Sehen Sie irgendwelche Anzeichen, dass der
Iran doch noch einlenken könnte?
Nassauer: Ich denke nicht, dass der Iran einlenken wird, schlicht und
einfach deswegen nicht, weil er die Forschung an der Uran-Anreicherung, es wird ja nicht
im industriellen oder technischen Sinne angereichert, die Forschung an der
Urananreicherung weiterführen will, das für sein gutes Recht hält, was es juristisch
gesehen auch ist. Die Nukleartechnik ist eine moderne Technik, die der Iran beherrscht,
die er sich selber mit ausländischer Hilfe zugelegt hat, und die er auch durchführen
darf und durchführen wird.
NDR Info: Dabei geht es aber nur um die Urananreicherung zu zivilen
Zwecken, sprich, um damit Strom zu produzieren. Aber mit angereichertem Uran kann man auch
Bomben bauen und darum geht es auch in diesem Streit. Was könnte denn der Sicherheitsrat
unternehmen, wenn der Iran das Ultimatum nun tatenlos verstreichen lässt?
Nassauer: Der Iran kann bisher das Uran auf 3,5 Prozent anreichern.
Das ist eine Eigenangabe der Iraner, wo man gucken muss, ob die auch einhundertprozentig
stimmt. Für die militärische Nutzung wird man 90 Prozent brauchen, das ist noch einmal
ein ziemlicher Schritt weiter. Soweit sind die Iraner zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch
nicht. Wenn der Sicherheitsrat jetzt agieren soll, dann müsste er sich erst einmal einig
sein, und das ist er nicht. Es gibt auf der einen Seite die Amerikaner, die möglichst
scharfe und schnelle Maßnahmen gegen den Iran fordern, und es gibt auf der anderen Seite
die Russen und Chinesen, die sagen, Sanktionen oder irgendwelche weitergehenden Schritte
gegen den Iran, die sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht drin und beide Staaten würden
das Ende des Ultimatums verstreichen lassen, ohne dass es zu konkreten Maßnahmen gegen
den Iran kommt.
NDR Info: Das Problem ist, dass alle Mitglieder des Sicherheitsrates
eigene Interessen haben, was die Energiepolitik angeht, und da spielt der Iran eine
wichtige Rolle. Wie könnte man trotzdem eine Einigung finden?
Nassauer: In der Tat, alle haben, nicht nur was die Energiepolitik
betrifft, sondern auch was die Geopolitik betrifft, gegenüber dem Iran Eigeninteressen.
Für China ist der Iran mit Sicherheit einer der wichtigen Energielieferanten der Zukunft,
für Russland ist er wichtiger Technologieempfänger, beide haben Eigeninteressen. Das
gilt allerdings im Umkehrschluss auch für die Amerikaner, die den Regierungswechsel im
Iran, den sie mit Sicherheit letztlich anstreben, auch gerne nutzen möchten, um
verstärkten Zugriff auf die Regeln, nach denen iranisches Öl verkauft wird auf dem
Weltmarkt, zu bekommen. Da sehe ich, ehrlich gesagt, relativ geringe Chancen, auf dieser
Ebene zu einer Lösung zu kommen, wenn man ausschließlich diese Interessen gegeneinander
legt. Wo die Lösungsmöglichkeiten liegen könnten, das wäre der Fall, wenn man hingehen
würde und sagen würde, wir betrachtet das Ganze wieder rein von der sachlichen Ebene
her. Dann könnte man tatsächlich wieder zu der Schlussfolgerung kommen, dass ein
russisch-iranisches Kompromissangebot, das schon vor über einem Monat, das schon einmal
in der Diskussion war, gar nicht so dumm war. Da ging es darum, dass die Iraner akzeptiert
hätten, im industriellen Maßstab in Russland anreichern zu lassen, und selber nur in
ganz kleinem Umfang Anreicherungsforschung weiter zu betreiben.
NDR Info: Gibt es eine Macht, die das vielleicht als neutrale Instanz
vermitteln könnte?
Nassauer: Ich glaube nicht, dass es diese Macht in dieser Form gibt,
sondern dass dazu erst Vernunft in die Debatte zurückkehren müsste.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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