Iranischer Rundfunk (deutsches Programm) - Interview
21. September 2007


Zwischen Atomstreit und Vorwurf der Terrorunterstützung

Interview mit Otfried Nassauer

Iranischer Rundfunk: Am heutigen Freitag wollen die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschland über das weitere Vorgehen gegen den Iran beraten. Wenn man den jüngsten Bericht des Generaldirektors der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed ElBaradei, liest, dann dürfte es zu keinen weiteren Sanktionen gegen den Iran kommen. Aber es scheint, dass dieser Bericht bei den anstehenden Beratungen nicht relevant ist. Warum?

Nassauer: Man sollte diese Diskussion nach zwei Ebenen trennen: - Da ist auf der einen Seite der Bericht von ElBaradei, der die Diskussion zwischen der IAEA und dem Iran reflektiert und sagt: "Da haben wir Fortschritte gemacht, und wir haben einen Arbeitsplan vereinbart, mit dem man auch weitere Fragen klären kann, die noch offen sind." Und da hat sich das Klima zwischen der IAEA und dem Iran gegenüber der Vergangenheit ein Stück gebessert. Das ist die eine Ebene. Diese Ebene wird von westlicher Seite dahingehend kritisiert, dass der Bericht von Herrn ElBaradei zu positiv ausgefallen sei. Es gibt zwei Argumente, die dort eine Rolle spielen:

Das erste Argument ist die Tatsache, dass in diesem Bericht der IAEA steht, dass, wenn die noch offenen im Arbeitsplan erwähnten Fragen geregelt sind, damit die Akte des Irans abgearbeitet sein und geschlossen werden könne, und dass man zu einer endgültigen Beurteilung kommen könne. Das wird teilweise zu recht kritisiert, weil es durchaus sein kann, dass noch neue offene Fragen in diesem Prozess entstehen.

Das 2. Argument ist problematischer und hier dürfte auf die Gespräche der 6 [ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands] einen großen Einfluss haben. Durch die UNO-Resolution ist sozusagen eine zusätzliche neben den IAEA-Verpflichtungen des Irans entstandene Forderung an den Iran ergangen, nämlich die Forderung, seine Urananreicherungsaktivitäten komplett einzustellen und zwar bedingungslos. Diese Forderung hat der Iran bis heute nicht erfüllt, und deswegen können die 6 sagen, Okay, das bei der IAEA zu Regelnde ist das Eine, und parallel dazu bleibt die andere Frage, nämlich die Forderung des UNO-Sicherheitsrats nach Einstellung dieses Urananreicherungsprogramms. Und ich glaube, dass das 2. Argument das Hauptargument ist, warum bei den Gesprächen der 6 der positive Bericht von ElBaradei nicht den alleinigen Ausschlag geben wird.

Herr Nassauer, bislang hörte man schärfe Töne gegen den Iran nur, oder hauptsächlich aus Washington. Hinzugekommen ist neuerdings Paris. Wie lässt sich diese Kehrwende in der französischen Iran-Politik erklären?

Nassauer: Der neue französische Präsident, Herr Sarkozy, und sein Außenminister, Kouchner legen offensichtlich einen Schwerpunkt auf eine Verbesserung der französisch-amerikanischen Beziehungen und hoffen, dass das dazu führt, dass Frankreich auch in der Europäischen Union wieder ein großes Gewicht und mehr Handlungsfreiheit gewinnt. Das wird unter anderem daran deutlich, dass Kouchner und Sarkozy mit Blick auf den Iran deutlich schärfere Töne angeschlagen haben als die Vorgängerregierung es getan hat. Gleichzeitig darf man das, was die französische Regierung in den letzten Wochen gesagt hat, nicht als offene Kriegsdrohung interpretieren. Ich halte es für Argumente, mit denen Frankreich auf den Iran Druck machen will, der westlichen Position stärker nachzugeben und gleichzeitig in der Europäischen Union den Boden dafür zu bereiten, dass stärkere Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen den Iran möglicherweise diskutabel und beschlossen werden.

War die Äußerung von Kouchner damit eine überlegte?

Nassauer: Die Äußerung von Herrn Kouchner war ganz sicher keine Kriegsdrohung, sondern sie war eine relativ ungeschickte Formulierung, die in den Medien in einer bestimmten Richtung interpretiert worden ist und im Übrigens auch teilweise von der iranischen Politik. Ich denke, Herr Kouchner wollte im Kern sagen, dass wenn es zu einer militärischen Auseinadersetzung käme, wäre es das Schlimmste, was passieren könnte. Und wir müssen eine Lösung finden, die nicht auf einen Militäreinsatz hinausläuft. Er hat aber so formuliert, dass es indirekt auch als Drohung gelesen werden konnte und so ist es auch gelesen worden. Man sollte es, glaube ich, nicht überbewerten und auf der anderen Seite sich darauf konzentrieren, die sachlichen Probleme, die bestehen, konstruktiv zu lösen.

Der frühere iranische Atom-Unterhändler, Hassan Rohani, war zu Gesprächen in Deutschland. Er hatte dort Gespräche mit dem Außenminister, Steinmeier, und dem Außenberater der Bundeskanzlerin, gehabt. Weiß man über den Inhalt dieser Gespräche?

Nassauer: Über die Gespräche von Herrn Rohani hier in Deutschland wurde sehr, sehr wenig öffentlich gemacht, praktisch nichts. Ich vermute, dass die Wahl auf Rohani als Gesprächspartner gefallen ist, weil er für die deutsche Seite, auch für die EU-Seite, als vergleichsweise moderaterer Gesprächspartner gilt und deswegen kann er auch etwas ungeschminkter die iranischen Analysen wiedergeben. Wenn er hier ist, läuft er damit nicht die Gefahr, gleich falsch interpretiert zu werden. Es heißt, von iranischer Seite ist es sicherlich eine Entscheidung gewesen, einen Mann zu schicken, dem vermutlich zugehört wird, und auf der anderen Seite deutet es darauf hin, dass es einige Leute gibt, die der Auffassung sind, dass die Entwicklung um den bisherigen Streit auch einen neuen Verlauf kriegt.

Als letztes: Sagen Sie, was ist Ihre Prognose über diesen Streit?

Nassauer: Meine persönliche Meinung ist sehr eindeutig. Ich glaube, dass die Diskussion um das Nuklearprogramm des Irans tatsächlich auf eine sachliche Ebene zurückgekehrt ist zwischen der IAEA und dem Iran, und dass es tatsächlich die Möglichkeit gibt, die Akte vorläufig zu schließen, wenn man es denn will. Die Chance sollte man auf jeden Fall nutzen und auch von der iranischen Seite sollte die von der IAEA als offene bezeichnete Fragen offen beantwortet werden. Was auf jeden Fall meiner Einschätzung nach verhindert werden muss, ist, dass eine 2. Ebene der Diskussion hinzukommt. nämlich das offensichtlich doch stärker werdende Bemühen einiger westlicher Staaten, vor allem der USA, dem Iran die Unterstützung des Terrorismus in Form der Unterstützung von schiitischen Aufständischen im Irak vorzuwerfen, und der Versuch, daraus eine mögliche 2. Begründung für einen Militärschlag zu machen, dass diese Argumentation nicht mehrheitsfähig wird. Denn, in dem Moment, wo sie mehrheitsfähig würde, wird es neben dem Atomstreit noch einen 2. Punkt geben, einen militärischen Konflikt vom Zaun brechen.

Das Interview führte Seyed Hedayatollah Shahrokny


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS