Rüstungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel
Interview mit Otfried Nassauer
Iranischer Rundfunk: Die deutsch-israelische Rüstungszusammenarbeit
wurde über Jahrzehnte der Öffentlichkeit verborgen. In jüngster
Zeit aber wagen sich die Medien mehr oder weniger offen darüber zu
berichten, wobei weiterhin die Öffentlichkeit scheinbar nicht alles
wissen darf. Sie haben sich intensiv mit diesem Thema beschäftigt.
In einem Artikel bestätigen Sie meine Aussage. Ich zitiere: "Zwei
Merkmale prägen diese Kooperation: Weitgehende Geheimhaltung und
Nutzen auf Gegenseitigkeit." Bevor wir hierauf eingehen, möchte
Sie doch darum bitten, uns zunächst mal über die Geschichte
dieser Zusammenarbeit zu informieren.
Nassauer: Die Geschichte der deutsch-israelischen Rüstungszusammenarbeit
ist eine unglaublich komplizierte. Sie war ja für beide Seiten von
Anfang an mit Problemen behaftet. Israel konnte mit Deutschland gegenüber
der eigenen Öffentlichkeit kaum sichtbar kooperieren, weil die Deutschen
ja die Täter des Holocausts waren und sechs Millionen Juden auf dem
Gewissen hatten. Umgekehrt hatten die Deutschen natürlich genau aus
dem gleichen Grund Probleme in der eigenen Öffentlichkeit, offen
mit Israel und Rüstungskooperation in Verbindung gebracht zu werden.
Die gemeinsame Arbeit an Rüstungsprojekten begann trotzdem sehr früh,
weil einige Politiker, die an einer normalen Beziehung zwischen beiden
Staaten Interesse hatten, auch Rüstungslieferungen als Instrument
der Zusammenarbeit begriffen. Beide Staaten mussten damals quasi „Armeen
aus dem Nichts" aufbauen in den 50er Jahren und deswegen hatten sie
partiell überlappende und partiell gemeinsame Interessen.
Deswegen haben die deutschen Rüstungslieferungen nach Israel bereits
in Jahren begonnen, als Deutschland selber eigentlich noch gar keine Waffen
wieder herstellen durfte als Folgen der Tatsache, dass man den 2. Weltkrieg
verloren hatte. In den späteren Jahren wurde die deutsch-israelische
Zusammenarbeit von sich überlagernden Interessen geprägt. Israel,
eroberte zum Beispiel in den Nahostkriegen Waffen sowjetischer Bauart,
wo die Deutschen an den Auswerteergebnissen interessiert waren und umgekehrt,
die Deutschen bauten dann die technologischen Erkenntnisse zum Beispiel
in ihre gepanzerten Fahrzeugen ein. Und dieser Nutzen, der aus Israel
kam, wurde mit weiteren Lieferungen aus Deutschland "bezahlt".
Israelische Rüstungslieferungen nach Deutschland erfolgten, weil
Israel damit Valuta verdienen konnte, also konvertierbare Währung
bekommen konnte und diese Entwicklungen gehen bis in die heutigen Jahre
hinein. Es gibt bis heute eine relativ intensive Zusammenarbeit zwischen
Deutschland und Israel im Rüstungsbereich, mit der manche deutsche
Rüstungsfirmen aber auch nicht immer glücklich sind.
Iranischer Rundfunk: Reden wir, Herr Nassauer, nun etwas über
die beiden Merkmale der deutsch-israelischen Rüstungskooperation,
die Sie andeutungsweise erwähnt haben, ich meine damit Geheimhaltung
und Nutzen auf Gegenseitigkeit. Erläutern Sie bitte diese beiden
Merkmale und warum war diese Zusammenarbeit geheim gehalten wurde?
Nassauer: Die Geheimhaltung der deutsch-israelischen
Rüstungszusammenarbeit stand natürlich in einem engen Zusammenhang
damit, dass die jeweiligen Regierungen glaubten, der jeweiligen Bevölkerungen,
diese Informationen nicht zumuten zu können und deswegen darauf drängten,
dass diese Geheimhaltung besonders groß war. Das merkte man auch
daran, dass auf israelischer Seite wie auch auf deutscher Seite die Koordination
solcher Liferungen bei den Geheimdiensten lag. Zusätzlich mag hinzugekommen
sein, dass diese Abwicklungsform zu einer weiteren Form von Geheimhaltung
führte, nämlich zu einer Form von Geheimhaltung, dass man hinter
den Rüstungskooperationsprojekten auch andere Formen der Zusammenarbeit
und finanzielle Zahlungen verstecken konnte.
Zum gegenseitigen Nutzen war diese Zusammenarbeit, weil Israel auf diesem
Wege an relativ technisch modernes Gerät aus Deutschland kommen konnte,
zum Beispiel immer wieder an U-Boote, und auf der anderen Seite aber auch
Deutschland Wissen über sowjetisches Rüstungsmaterial aus den
arabischen Staaten bekam, das die Israelis erbeutet und ausgewertet hatten.
Also mit anderen Worten: Das war nie eine einseitige Angelegenheit, wo
nur eine der beiden Seiten profitiert hätte, sondern es gab unterschiedliche
Formen des gegenseitigen Profitierens, zu denen nicht zuletzt aus israelischer
Sicht sicher auch die Tatsache gehört hat, dass Israel durch seine
Zusammenarbeit mit Deutschland die Chance hatte, konvertierbare Währung
zu verdienen.
Iranischer Rundfunk: Welche Bereiche umfasst diese Zusammenarbeit?
Nassauer: Die Zusammenarbeit erfasst neben der Forschung
und Entwicklung im Großen und Ganzen fast alle Bereiche der Rüstungstechnologie.
Nicht so offensichtlich in dem Sinne, dass das "Made in Germany"
bei Israel auf der Waffenlieferung in der Regel außen darauf stand,
aber innen drin, in den Komponenten, steht es dann doch des Öfteren.
Also, zu den Dingen, die von Deutschland geliefert wurden, und nicht so
sichtbar sind, gehören Panzermotoren, Getriebe sowie die Technologie
für Kanonen für den Merkava-Panzer. Dazu gehören Schutztechnologien
für gepanzerte Fahrzeuge. Zu dem, was im Marinenbereich geliefert
wurde, gehören Schiffmotoren. Allerdings muss man da einschränkend
hinzufügen, da hatte Deutschland technisch weltweit fast ein Monopol
bei diesen langsam laufenden Schiffsdieseln und Israel war gezwungen,
sie in Deutschland zu kaufen. Aber im Schifffahrtsbereich kommen auch
ganze Schiffe hinzu. Im Luft- und Raumfahrtsbereich liefert Deutschland
relativ wenig. Das hat damit zu tun, dass Israel hier im Wesentlichen
in den USA einkauft und teilweise dann amerikanische Technologien auch
wieder benutzt, um zum Beispiel den Deutschen Angebote machen zu können.
Da ist zum Beispiel das lange geheim gehaltene Projekt eines elektronischen
Störgeräts für das Kampfflugzeug "Tornado" zu
nennen. Bei der Bundeswehr gehört das zum Beispiel zu den Lieferungen,
die Israel getätigt hat, ebenso wie die Lieferungen von Munition,
die Israel an Deutschland tätigte und ähnliches. Für die
Zukunft kommen andere Elemente der Zusammenarbeit hinzu. Deutschland ist
für Israel ein wichtiger Partner, um den Zugang zu den EU-Märkten
zu bekommen. Deutsche Firmen und israelische Firmen vermarkten innerhalb
der westlichen Industriestaaten israelische Rüstungsprojekte teilweise
gemeinsam und da gibt es inzwischen einige Joint Ventures dieser Art und
für Israel ist damit immer die Chance verbunden, Geld zu verdienen,
das es anderenfalls auf den Weltmärkten nicht so gut verdienen könnte.
Iranischer Rundfunk: Es gibt Meldungen, wonach Deutschland Israel
beim Bau von Atombomben in den 50er Jahren geholfen haben soll. So zum
Beispiel gibt es eine deutsche Journalistin namens "Gabi Weber",
wohnhaft in Argentinien, die anhand von Recherchen, dies behauptet. Was
ist Ihnen diesbezüglich bekannt?
Nassauer: Ich kenne die Dokumente, die Frau Weber vorliegen,
und halte es für durchaus wahrscheinlich, dass in den 60er Jahren
in der Tat Deutschland wissentlich oder unwissentlich - eher wissentlich
- Hilfestellung gegeben hat, damit Israel Uran aus Argentinien bekommen
konnte, das im israelischen Atomprogramm gelandet ist.
Iranischer Rundfunk: Herr Nassauer, lässt sich diese Rüstungskooperation
mit der deutschen Verfassung vereinbaren? Darf Deutschland Waffen in die
Krisenregionen, wozu auch wohl der Nahe Osten gehört, liefern?
Nassauer: Diese Regel, die Sie zitieren, steht weder
in der deutschen Verfassung noch in den deutschen Exportrichtlinien. Das
ist eine geglaubte Wahrheit, dass Deutschland eine solche Politik habe.
Es stimmt so nicht. Deutschland hat eine Politik, allerdings erst seit
einigen Jahren, die besagt, dass zu Empfängern, bei denen Rüstungslieferungen
zu einer Erhöhung des Gewaltniveaus führen könnte, keine
Rüstungslieferungen erfolgen sollten, das ist allerdings nicht rechtlich
bindend, sondern nur politisch verbindlich. Ähnlich ist es mit von
vielen Politikern getätigten falschen Aussagen, dass Deutschland
grundsätzlich nicht in die Krisengebiete liefert. Von der praktischen
Politik, auf der exekutiven Ebene, ist dieses Kriterium oft missachtet
und deswegen erfolgen Lieferungen in Krisenregionen. Das gilt nicht nur
für den Nahen Osten, sondern auch für die Länder wie Indien
und Pakistan.
Iranischer Rundfunk: Welche Auswirkungen wird die deutsch-israelische
Rüstungszusammenarbeit auf die Entwicklungen im Nahen Osten?
Nassauer: Die Bundesregierung liefert nicht nur an
Israel, sondern auch an arabische Länder. Ägypten ist derzeit
wieder einer der Empfänger, die von Deutschland durchaus einiges
bekommen. Der Iran gehörte auch früher zu den Ländern,
die von Deutschland im substantiellen Umfang Rüstungsgüter beziehungsweise
Technologie bekommen konnten und die deutsche Seite argumentiert häufiger
so: „Okay, wenn beide Seiten etwas bekommen, dann stabilisiert es vielleicht
die Lage auch etwas.“ Ich persönlich habe da an dieser Stelle großen
Zweifel und fordere seit vielen Jahren die Bundesregierung immer wieder
zu einer restriktiven Politik gegenüber beiden Seiten auf, also sowohl
gegenüber Israel als auch gegenüber der arabischen beziehungsweise
der islamischen Welt.
Iranischer Rundfunk: Wie sehen Sie die Perspektive dieser deutsch-israelischen
Rüstungskooperation?
Nassauer: Aus meiner Sicht bemüht sich Israel
für seine eigenen Rüstungsprodukte – Israel lebt relativ stark
vom Rüstungsexport in finanzieller Hinsicht – die Märkte der
Nato- und der EU-Staaten zunehmend zu erschließen und insbesondere
im Hochtechnologie- und Forschungsbereich etliche Kooperationen mit den
Ländern aus der Nato und aus der EU in Gang zu bringen. Da sind Israel
inzwischen einige Fortschritte gelungen. Es darf beispielsweise an Projekten
für Sicherheitsforschung der Europäischen Union teilnehmen und
da auch mitwirken und insofern wird hier der Versuch gemacht, Israel stärker
an die europäischen Nationen anzubinden. Israel hat dabei durchaus
substantielle Erfolge im Sinne seiner eigenen Interessen zu verzeichnen
und verdient natürlich an seinen Rüstungslieferungen in die
Europäische Union inzwischen auch erheblich an konvertierbarer Währung.
Für die künftige Entwicklung kann das zumindest unter den derzeitigen
politischen Vorzeichen nicht besonders stabilisierend wirken. Eine restriktive
Politik wäre wahrscheinlich hilfreich, allerdings eine restriktive
Politik, die dann umgekehrt auch zu einer ähnlichen restriktiven
Politik gegenüber den arabischen und islamischen Ländern im
Nahen und Mittleren Osten führen müsste.
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Das Interview führte Seyed Hedayatollah
Shahrokny |
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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