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Nach dem Willen der
Verteidigungsministerin soll die Bundeswehr bewaffnete Drohnen
erhalten, aber nur mit Zustimmung des Parlaments einsetzen
dürfen. Der Friedensforscher Otfried Nassauer vermutet
taktische Motive. Ein völkerrechtliches Verbot von
Kampfdrohnen sei noch möglich, sagte er im DLF.
Bettina Klein: Die
Ministerin hat sich lange zurückgehalten
mit Aussagen über ihre Ansichten und ihre Strategie beim Thema
Drohnen, unter Verweis auf eine öffentliche Debatte, die erst
noch geführt werden sollte. Heute druckte nun
zunächst die Süddeutsche Zeitung ein Interview mit
Ursula von der Leyen ab, kurz vor der Aktuellen Stunde im Deutschen
Bundestag zu diesem Thema. Mitgehört hat Otfried Nassauer,
Direktor des Berliner Informationszentrums für
Transatlantische Sicherheit, einer Forschungseinrichtung für
Friedens- und Sicherheitspolitik. Ich grüße Sie,
Herr Nassauer.
Otfried Nassauer: Ich grüße Sie, Frau Klein.
Klein: Beginnen
wir mal damit: Die Ministerin von der Leyen hat ja
lange gezögert, bis sie sich selbst
geäußert hat. War es denn richtig, wie Sie sagte,
dieser schwierigen Debatte in der Öffentlichkeit erst mal
breiten Raum zu geben?
Nassauer: Breiten Raum hat die Bundesregierung dieser Debatte nicht
gegeben. Mit einer Anhörung im Bundestag ist es ja in gewisser
Weise noch nicht getan. Eigentlich müsste man weiter
diskutieren. Aber sie hat auf jeden Fall eine taktische und eine
faktische Entscheidung getroffen. Die faktische Entscheidung besteht
darin, bewaffnete Drohnen in der Bundeswehr nicht
auszuschließen, und die taktische besteht darin, für
alle zukünftigen Bundeswehreinsätze, bei denen es
darum gehen könnte, dass Drohnen eingesetzt werden, dem
Bundestag die Entscheidung aufs Auge zu drücken, ob diese
Drohnen dann bewaffnet oder unbewaffnet zum Einsatz kommen sollen. Das
heißt, die Abgeordneten werden aller Wahrscheinlichkeit nach
bei jedem Einsatz, bei dem es darum geht, selber unter dem konkreten
Druck der Situation entscheiden müssen, ob diese Drohnen
bewaffnet werden sollen oder nicht.
Klein: Aber
immerhin: Das Parlament wird dann an der Stelle befragt.
Ist denn damit aus Ihrer Sicht der völkerrechtliche Rahmen
erst mal ausreichend abgesteckt?
Nassauer: Nein, der ist nicht ausreichend abgesteckt, weil es gibt aus
dieser Debatte natürlich eine Konsequenz. Wenn die
Abgeordneten diese Frage jedes Mal diskutieren müssen und
unter dem Eindruck der Nachrichtenlage des aktuellen Tages, dann
besteht natürlich auch die Gefahr, dass man jedes Mal, wenn
Soldaten am Boden eingesetzt werden, das Schutzargument bringt, und auf
der anderen Seite, wenn keine Soldaten am Boden eingesetzt werden, dass
man dann argumentiert, könnte nicht die Drohne die Alternative
sein zu den Soldaten am Boden, dass in beiden Fällen
über eine bewaffnete Drohne diskutiert wird. Das ist ein
taktischer Trick.
Klein: Aber wer,
Herr Nassauer, soll es dann besser entscheiden als das
Parlament?
Nassauer: Ich habe nicht gesagt, dass das Parlament der falsche Weg
ist. Ich halte das Parlamentsbeteiligungsgesetz für eine
ausgesprochen kluge und auch eine für die deutsche Situation
notwendige Beteiligung und damit auch für den richtigen Weg,
darüber zu entscheiden, ob man so etwas anschafft und ob man
so etwas einsetzt. Ich persönlich bin einer ganz anderen
Auffassung. Ich halte es für immer noch einen gangbaren Weg,
dass man die Zeit, bis es weltweit viele Mächte mit
bewaffneten Drohnen gibt – heute sind es nur zwei, drei -,
nutzt, um darüber zu diskutieren, ob
Rüstungskontrolle nicht der bessere Weg wäre, also
ein völkerrechtliches Verbot bewaffneter Drohnen. Das
würde ja Aufklärungsdrohnen nicht
ausschließen.
Rüstungsexport
"garantiert ein Motiv"
Klein: Das
Argument nicht nur von der Ministerin, sondern auch aus der
Bundeswehr bezieht sich aber auch beim Thema Drohnen auf den Faktor
Schutz für die eigenen Soldaten, der zu gewährleisten
ist in solchen möglichen Fällen, bei denen
militärisches Eingreifen Katastrophen verhindern kann.
Nassauer: Ja! Das Schutzargument ist in der Tat das plausibelste
Argument, das die Bundesregierung vorbringen kann, das Frau von der
Leyen auch vorbringt. Dieses Schutzargument – da muss man
fragen, gäbe es auch andere Wege, Schutz zu
gewährleisten. Die Kombination aus Aufklärungsdrohne
und bewaffnetem Flugzeug ist ja auch denkbar. Damit könnte man
auch Schutz am Boden gewährleisten. Die Frage, wenn man die
Fähigkeit erst einmal hat, wie man sie dann nutzt, die
verleitet dann aber möglicherweise dazu, den Einsatz
bewaffneter Drohnen zum Standard werden zu lassen.
Klein: Was ist
denn aus Ihrer Sicht das zentrale Argument, das eher
für ein bewaffnetes Flugzeug in solchen Situationen spricht,
denn für eine bewaffnete Drohne?
Nassauer: Es wäre das Argument, dass man erstens keine neue
Technologie, mit der es garantiert in den nächsten 20, 30
Jahren, wenn sie weltweit eingeführt wird, einen
Rüstungswettlauf gäbe, einführen
würde, und es wäre zum anderen die Tatsache, dass man
dann zwei verschiedene Beurteilungskriterien gleichzeitig
hätte, nämlich einmal das, was der Drohnen-Operateur
am Boden sieht und dem Piloten melden kann, und das andere, was der
Pilot selbst wahrnimmt. Das wäre genau das, was heute im
Prinzip schon möglich wäre.
Klein: Nun werden
Drohnen teilweise eingesetzt. Aus Sicht der
Militärs werden sie benötigt. Und wenn wir die
Realität anschauen: Sie sind im Augenblick da und ein weiteres
Argument lautet daher auch, wir benötigen solche Projekte, wie
von der Leyen das jetzt gerade angeregt hat, um nicht auf Dauer in
diesem Bereich von anderen Staaten abhängig zu sein. Ist es
vielleicht richtig, sich an der Stelle auch emanzipieren zu wollen?
Nassauer: Erstens ist das garantiert ein Motiv, nämlich eigene
Drohnen zu entwickeln, die man dann auch für den Export
anbieten kann und die europäische Rüstungsindustrie
in gewisser Weise zu befähigen. Zweitens ist es ein Argument
zu sagen, ich will nicht von anderen abhängig sein. Die beiden
Argumente stehen in einer gewissen Relation zueinander. Das eine kommt
meistens, wenn das andere Argument auch gemacht wird. Insofern: Das ist
verständlich, dass das vonseiten der Industrie so
befürwortet wird. Aber wie gesagt: Es gäbe
Alternativen, wenn die deutsche Politik weiterhin die
Rüstungskontrollpolitik als wesentliches Element ihrer
Sicherheitspolitik propagieren und auch praktizieren würde.
"Was kommt nach
Afghanistan?"
Klein: Herr
Nassauer, die Drohnen-Debatte in dieser Woche im Bundestag
passt ja auch in eine Zeit, in der teilweise sehr drastisch
über eine mögliche neue deutsche Außen- und
Sicherheitspolitik gestritten wird – Stichwort mehr
Verantwortung und im Zweifelsfalle am Ende auch mehr
militärische Verantwortung? Die Linkspartei hat heute schon
Widerstand gegen von der Leyens Pläne angekündigt.
Den Bundespräsidenten hat sie einen widerlichen Kriegstreiber
genannt. Nach Ihrem Eindruck, wie rational verläuft diese
Debatte in Deutschland?
Nassauer: Ein bisschen irrational, und zwar deswegen, weil diese
Argumentationen von Herrn Gauck, von Frau von der Leyen, von Herrn
Steinmeier in München ja im Wesentlichen darauf ausgerichtet
waren, die Frage zu beantworten, was kommt eigentlich für die
NATO und was kommt für die Europäische Union nach
Afghanistan. Da hat man gesagt, okay, wir werden
möglicherweise eine größere Verantwortung
auch bei Konflikten in Afrika übernehmen, wenn das zum
Beispiel unsere europäischen Partner wie Frankreich oder
Großbritannien wollen, ohne für die die
postkolonialen Kohlen aus dem Feuer zu holen. Das ist nicht so
weitgehend, wie das die Kritiker dieser Haltung meistens sagen. Auf der
anderen Seite ist es allerdings durchaus so: Wenn man das so
kombiniert, dass man sagt, okay, wir müssen auf der einen
Seite in der EU mit den europäischen Partnern in Afrika
aktiver werden, und auf der anderen Seite das Argument bekommt, wir
müssen transatlantische Solidarität zeigen und
überall da, wo die Amerikaner militärisch aktiv
werden, möglichst auch solidarisch mitmachen, dann ergibt sich
eine Addition, die durchaus dem "kritisierten Bild" entsprechen kann.
Klein: Otfried
Nassauer vom Berliner Informationszentrum für
Transatlantische Sicherheit heute Mittag hier im Deutschlandfunk. Ich
bedanke mich für das Gespräch, Herr Nassauer.
Nassauer: Auf Wiederhören nach Köln.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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