Nach der Kritik des amerikanischen Präsidenten Trump am
Atomvertrag mit dem Iran - hat das Abkommen noch eine Zukunft?
Interview mit Oliver Meier geführt von Joachim
Hagen
Hagen: Für den amerikanischen Präsidenten Donald
Trump ist der Iran ein Schurkenstaat. Der Staat sei der weltweit
größte Förderer des Terrorismus, so Trump.
Das von ihm schon oft kritisierte Atomabkommen mit dem Iran hat Trump
zwar nicht aufgekündigt, aber er forderte den Kongress auf,
Sanktionen zu verhängen und das Abkommen nach zu verhandeln.
Wenn das nicht gelinge, dann werde er das Abkommen kündigen.
Ist das realistisch - kann man das Atomabkommen
nachverhandeln?
Meier: Also erstmal muss man glaube ich sagen, dass es hier der
amerikanischen Regierung im Moment gar nicht darum geht, das wirklich
nach zuverhandeln. Im Sinne, dass hier ein neues Geben und Nehmen
tatsächlich ausgehandelt wird und auch dem Iran etwas
angeboten wird. Sondern es geht darum, zusätzliche Bedingungen
aufzuzwingen und einzuführen in dieses Abkommen, das ja schon
steht. Hier sollen neue „trigger“, wie es in den
USA heißt, eingeführt werden, bei denen das Abkommen
automatisch scheitern soll. Grundsätzlich wäre es
natürlich möglich, dieses Abkommen nach zu
verhandeln, aber eben nur, wenn tatsächlich alle Parteien auch
bereit wären das zu tun. Und diese Bereitschaft ist eben bei
keiner der Parteien zu erkennen, außer in den USA. Wenn man
das Paket aufschnürt, das eben sehr kompliziert ist und eben
in vielen Jahren zusammengeschnürt wurde von den
Verhandlungspartnern, dann muss man eben sehen, wie die neuen Teile,
die man da hinein tun will, passen. Auch da ist das bisher nicht zu
erkennen, wie es möglich wäre, ein neues Paket zu
schnüren. Eine andere Möglichkeit wäre es
– und das hat der französische Präsident
ins Spiel gebracht – ein Folgeabkommen auszuhandeln. Also mit
dem Iran darüber zu reden, was denn passiert, wenn dieses
jetzige Iran-Abkommen ausläuft. Auch daran sind die USA bisher
jedenfalls nicht interessiert.
Hagen: Was sind das für „trigger“, wie Sie
es genannt haben, was sind das für Bedingungen, die die
Amerikaner in dieses Abkommen hineinschreiben würden?
Meier: Also drei zusätzliche Dinge will man hier mindestens
berücksichtigt haben. Es heißt, dass der Kongress
ein neues Gesetz verabschieden soll, bzw. das vorhandene Gesetz so
ändern soll, dass, wenn der Iran eine Interkontinentalrakete
testet, dieses Abkommen sofort scheitern soll. Wenn der Iran neue
Kapazitäten zur Urananreicherung aufbaut, die das Land in die
Lage versetzen, innerhalb von weniger als einem Jahr eine Atomwaffe
herzustellen. Auch dann soll das Atomabkommen scheitern. Und
schließlich soll die Laufzeit des Abkommens
verändert werden, so dass eben hier dieses Abkommen dann nicht
nach 10 bis 25 Jahren, je nachdem, welche Bestimmungen man sich
anguckt, ausläuft. Es soll eben auf unbegrenzte Zeit laufen.
Und alles drei sind Kernpunkte der Verhandlungen gewesen, das sind also
keine Kleinigkeiten, die hier geändert werden sollen, sondern
essentielle Bestandteile dieses Abkommens.
Hagen: Kann denn Trump aus dem Iran-Abkommen ohne Zustimmung des
Kongresses überhaupt aussteigen? Denn davon hängt es
ja jetzt ab, ob der Kongress diese Sanktionen wieder einführt,
die damals ausgesetzt worden sind. Und kann Trump aus diesem Abkommen
aussteigen, ohne die Zustimmung des Kongresses?
Meier: Also das Abkommen selbst, die Vereinbarung, ist kein Vertrag.
Sondern man hat damals einen anderen Weg gewählt. Es ist eine
Vereinbarung, die damals geschlossen worden ist, die dann durch den
Sicherheitsrat indossiert worden ist, wie man sagt, in einer
Sicherheitsratsresolution 2231. Und die wurde kurz nach dem Erfolg der
Verhandlungen dann noch einmal verabschiedet. Dieses Abkommen, diese
Vereinbarung, enthält keine Ausstiegsklausel. Das muss man
auch klar sagen. Aber es gibt natürlich die
Möglichkeit, das Abkommen einfach scheitern zu lassen und auch
da gibt es zwei Wege, dieses Abkommen scheitern zu lassen. Die harte
Variante, die die USA im Moment nicht verfolgen wollen, ist, den
sogenannten Snap Back-Mechanismus zu aktivieren. Das heißt,
jede der Parteien kann der anderen eine Vertragsverletzung vorwerfen,
und die ständigen Sicherheitsratsmitglieder haben dann in
einem etwas komplizierten Verfahren die Möglichkeit
tatsächlich, das Verfahren so weiterzutreiben, dass am Ende
Sanktionen automatisch wieder verhängt werden müssen.
Das würde sicherlich zu großen Verwerfungen
führen, wenn die USA, obwohl der Iran das Abkommen
einhält, diese Variante verfolgen. Aber man kann
natürlich, und das ist die zweite Möglichkeit,
substantielle Elemente einfach nicht mehr umsetzen. Und dann eben auch
der anderen Seite auch den Anreiz nehmen, weiter daran mitzuwirken,
dass dieses Abkommen umgesetzt wird. Und das ist die Variante, die im
Moment die amerikanische Regierung verfolgt, indem sie hier eben
bestimmte Elemente ändern will und damit droht, Sanktionen
wieder zu verhängen, deren Aufhebung unter dem Abkommen
zwingend vorgeschrieben ist.
Hagen: Welche Folgen hätte das, wenn diese Sanktionen wieder
eingeführt werden? Würde das die Iraner dazu bringen,
sofort ihrerseits das Abkommen aufzuheben?
Meier: Das ist schwer abzuschätzen. Der Handel mit den USA ist
natürlich begrenzt. Von daher hätte die
Wiederverhängung der Sanktionen durch die USA erst einmal gar
nicht so große Auswirkungen auf den Handel des Iran. Das
Problem könnte eher sein, dass die USA in der Vergangenheit
sogenannte Sekundärsanktionen verhängt haben. D.h.,
sie haben auch versucht, europäische und auch andere
Unternehmen zu zwingen, sich an die amerikanischen
Sanktionsbestimmungen zu halten, indem sie damit drohen, dass solche
Unternehmen, beispielweise europäische Unternehmen, die weiter
mit dem Iran handeln, dann vom Geschäft in den USA
ausgeschlossen werden. Und diese extra-territorialen
Sekundärsanktionen sind das eigentliche Problem, das im
Hintergrund lauert, weil es das natürlich sehr teuer
für die Europäer machen würde, ihre
Handelsbeziehungen zum Iran aufrecht zu erhalten, wenn die USA ihre
Sanktionen hier wieder verhängen.
Hagen: Aber das ist ja
auch das, was die Europäer besonders kritisiert haben, dieser
Zusammenhang zwischen amerikanischen Sanktionen und Europa.
Würde das das eh schon angeknackste transatlantische
Verhältnis noch stärker bedrohen?
Meier: Also ich glaube, der Schaden ist zum Teil schon
jetzt angerichtet worden. Im Hintergrund wird eben deutlich, dass die
USA und auch die Europäer grundsätzlich
unterschiedliche Sichtweisen auf die Region, auf den Mittleren Osten
haben. Die Europäer sehen den Iran zumindest potentiell nach
wie vor als einen möglichen Partner bei der Bearbeitung der
vielfältigen Konflikte in der Region. Die USA haben eben mit
der Rede von Donald Trump noch einmal sehr deutlich gemacht, dass sie
den Iran als Wurzel fast allen Übels in der Region sehen und
von daher ist diese transatlantische Kluft ein Stück weit
schon da und zeigt sich eben hier in diesem Abkommen. Sollte es
tatsächlich dazu kommen, dass die USA dann auch Sanktionen
wieder verhängen, die auch europäische Unternehmen
betreffen, dann wäre der Schaden in der Tat sehr
groß und die Europäer wären in einer sehr
unangenehmen Situation, in der sie sich entscheiden müssten,
eben auch hohe finanzielle Kosten möglicherweise zu tragen, um
diese Sanktionen abzuwehren. Oder eben hier den USA an die Seite zu
springen und dieses Abkommen scheitern zu lassen.
Hagen: Kommen wir
doch einmal zu der Begründung, warum Trump das Abkommen
infrage stellt. Zum einen sagt er, dass der Iran der
größte Förderer des Terrorismus ist, zudem
habe er gegen den Geist des Abkommens verstoßen, u.a., weil
das Land Raketen getestet hat. Ist da nicht an diesen
Vorwürfen auch etwas dran?
Meier: In der Tat, der Iran hat Raketen getestet. Auch
sehr schnell, nachdem das Abkommen in Kraft getreten ist. Und das ist
ein Problem, weil die Sicherheitsratsresolution, die die
Atomvereinbarung beinhaltet, den Iran explizit dazu auffordert, solche
Tests zu unterlassen und ballistische Raketen nicht zu entwickeln, die
eben dann auch Atomsprengköpfe tragen könnten. Aber
es ist dem Iran auch in dieser Sicherheitsratsresolution nicht
verboten, Raketen zu entwickeln. Und das hat der Iran damals auch
explizit verhindert. Und es ist auch allen Beteiligten klar, dass ein
solches Verbot mit dem Iran nicht durchzusetzen war. Das Atomabkommen
selbst, die Vereinbarung, die zwischen den EU 3 plus 3 und dem Iran
hier vereinbart worden ist, enthält eben gar keine
Bestimmungen zu den Raketen. Sondern dieses Abkommen ist ganz eng
gefasst auf den Nuklearbereich und die Sanktionen, die hier damit
zusammenhängen. Und das war auch eine bewusste Entscheidung,
muss man sagen, die Reichweite dieses Abkommens zu begrenzen, um es
überhaupt möglich zu machen.
Hagen: Die
Bundesregierung befürchtet ja, dass bei einer
Kündigung des Iran-Abkommens auch andere internationale
Verträge geschwächt würden, weil die
Vereinigten Staaten ja nun gezeigt haben, dass sie sich nicht daran
gebunden fühlen. Ein Argument mehr wäre das zum
Beispiel für Nordkorea, einen Vertrag über den Abbau
seines Atomarsenals eben nicht zu schließen. Ist diese
Befürchtung der Bundesregierung jetzt berechtigt?
Meier: Ja, das ist tatsächlich ein Problem.
Dass ein Scheitern dieser Vereinbarung mit dem Iran Auswirkungen
hätte zunächst einmal auch auf den Nuklearen
Nichtverbreitungsvertrag insgesamt, der ja internationale Anstrengungen
zur Kontrolle von Atomwaffen und von Atomtechnologie insgesamt regelt.
Diese Vereinbarung mit dem Iran ist damals im Rahmen des
Nichtverbreitungsvertrages ausgehandelt worden und auch auf der
Grundlage von Bestimmungen. Die Internationale Atomenergieorganisation
ist eingebunden und hat dem Iran mehrfach bescheinigt, auch hier
tatsächlich das Abkommen zu befolgen. Wenn trotzdem diese
Vereinbarung scheitert, dann wirft das natürlich einen dunklen
Schatten über mögliche andere Versuche,
ähnliche Konflikte beizulegen. Und das erste Beispiel, das
deutlichste Beispiel ist natürlich Nordkorea. Und die
Glaubwürdigkeit der USA würde natürlich
einen schweren Schaden nehmen, wenn man hier dieses Abkommen, zu dem
sich die vorherige Administration sehr deutlich bekannt hat, jetzt,
wenige Monate, nachdem die neue Administration im Amt ist, scheitern
lässt. Das ist tatsächlich zu befürchten,
dass hier andere Bemühungen schweren Schaden nehmen.
Oliver Meier ist der
stellvertretende Forschungsgruppenleiter für
Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik
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