Mehr als eine Notlösung?
Deutsche Marine will niederländisches
Unterstützungsschiff nutzen
Björn Müller
Die europäische Verteidigungslandschaft mit ihren zahlreichen
Militärkooperationen ist wieder um ein Projekt reicher. Die
Deutsche und die Niederländische Marine wollen künftig
gemeinsam das Unterstützungsschiff KAREL DOORMAN der
Niederländer nutzen. Bei der Unterzeichnung der
Absichtserklärung Anfang des Monats in Amsterdam zeigt sich
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sichtlich begeistert:
O-Ton von der Leyen
„Wir legen heute zugleich einen Grundstein für einen
Leuchtturm innerhalb der maritimen Kooperation. Wir werden dazu das
Seebataillon der Deutschen in die königlich niederländische
Marine integrieren. Beide zusammen werden das niederländische
Schiff gemeinsam nutzen. In meinen Augen ist das ein Musterbeispiel
für den Aufbau einer europäischen Verteidigungsunion, was wir
heute erleben.“
Starke Worte. Die CDU-Politikerin erweckt den Eindruck, hier
entsteht großes - quasi der Kern einer künftigen EU-Marine,
bei der schon mal die Marine-Infanterie der Bundeswehr in eine andere
Streitkraft überführt wird. Aber welche konkreten
Möglichkeiten ergeben sich aus der Militär-Kooperation der
beiden Nachbarländer in der Praxis?
Konkret geht es darum, dass die Bundeswehr mit diesem Projekt
endlich amphibische Fähigkeiten erlangen will. Amphibische
Fähigkeiten - damit ist die Möglichkeit gemeint, von Schiffen
auf hoher See Truppen und Material an Land zu verlegen und von dort
wieder aufnehmen zu können.
Seit die Bundeswehr 1994 Probleme hatte, ihre Verbände
nach Ende des Auslandseinsatzes in Somalia abzuziehen, gab es immer
wieder Versuche, für die deutschen Streitkräfte solche
Unterstützungsschiffe anzuschaffen. Doch sie scheiterten bisher
allesamt. Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann,
war einer der Befürworter dieses Projekts. Der frühere
Vier-Sterne-General zum militärstrategischen Wert amphibischer
Fähigkeiten:
O-Ton Naumann
„Wenn man sich die potenziellen Krisenherde dieser Welt angesehen
hat, dann kam man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass etwa 70 Prozent
und mehr in einer Entfernung von weniger als 200 Kilometern von einer
Küste entfernt sind. Das heißt, wenn man eine
verlegefähige Plattform hat, die über die hohe See schnell
Einsatzkräfte in das Krisengebiet bringen kann, dann schafft man
sich große strategische Flexibilität.“
Solche See/Land-Operationen, sind mit dem
niederländischen Unterstützungsschiff KAREL DOORMAN
möglich. Dieses Kriegsschiff ist ein Mix aus Tanker, Lazarett und
Transporter. Es hat Kommandoboote an Bord und ein Flugdeck für bis
zu sechs NH90-Hubschrauber. Fahrzeuge wie Panzer können über
eine Laderampe an der Küste angelandet werden. Das Schiff kann zu
seinen 130 Mann Besatzung immerhin noch rund 170 Soldaten mitsamt
Ausrüstung an Bord nehmen. Das erlaubt keine großen
amphibischen Operationen, aber begrenzte Militäraktionen
wären damit durchaus möglich.
Die Interessenlage bei der angestrebten Zusammenarbeit ist
unterschiedlich. Während die Deutschen mit der Kooperation vor
allem ihre militärische Handlungsfähigkeit verbessern wollen,
geht es den Niederländern erst einmal um eine Kostenreduzierung.
Die im vergangenen Jahr in Dienst gestellte KAREL DOORMAN ist das
modernste Schiff der niederländischen Flotte. Es kostete rund 400
Millionen Euro. Eigentlich wollten die Niederländer das Schiff
verkaufen. Der Betrieb erschien zwischenzeitlich als zu teuer. Das
Unterstützungsschiff wurde beschafft, weil es zwei ausgemusterte
Versorger ersetzt, die für den Betrieb der niederländischen
Flotte essenziell waren. Das aber ist der Schwachpunkt bei der
geplanten Nutzung der KAREL DOORMAN für gemeinsame Operationen.
Das Schiff ist in der niederländischen Marine für
Versorgungsaufgaben fest verplant. Es wird nicht für
Militär-Operationen in ständiger Bereitschaft gehalten.
Bei einer deutsch-niederländischen Operation mit der
KAREL DOORMAN müssten wohl deutsche Versorger freigestellt werden,
um die Flotte der Niederländer z.B. zu betanken. Angesichts der
zahlreichen Einsätze der Deutschen Marine ist jedoch fraglich, ob
das stets möglich wäre. Die Marine klagt bereits jetzt, dass
sie keine Schiffe mehr in Reserve hat und gegenwärtig bei den
NATO- und EU-Missionen improvisieren muss. Die Kooperation über
nur ein Schiff ist generell problematisch, findet Sebastian Bruns,
Experte für Marine-Strategie an der Universität Kiel:
O-Ton Bruns
„Bis zu einem gewissen Grad ist es natürlich schon
politische Augenwischerei. Es gibt ja den Reim der besagt: ‚Ein
Schiff ist kein Schiff‘ und dass man eigentlich für die
durchhaltefähige Einsatzpräsenz zwei oder drei dieser Sorte
brauchen würde. Denn die wenigsten Krisen kündigen sich so
an, dass man den Einsatzplan des Schiffes dann auch optimieren
kann.“
Liegt die KAREL DOORMAN etwa in der Werft hat sich die
amphibische Option schnell erledigt, wenn es beispielsweise darum geht,
deutsche und niederländische Staatsbürger aus einem
Krisengebiet zu evakuieren. Eine Herausforderung für die
Kooperation ist auch die jeweils andere politische Kultur im Umgang mit
Militär-Einsätzen, sagt der Kieler Marine-Experte Sebastian
Bruns:
O-Ton Bruns
„Nicht alle in den Niederlanden sind so ganz glücklich, dass
die Deutschen jetzt mit an Bord sind. Wir haben ja nicht unbedingt den
Ruf, dass wir ganz vorne mitmischen.“
Hinzu kommt: in Deutschland muss der Bundestag jedem
bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zustimmen. In den Niederlanden hat
das Parlament nur das Recht, über Einsätze von der Regierung
informiert zu werden. Somit sind Verzögerungen und
Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Partnern vorprogrammiert, wenn
gemeinsame Entscheidungen anstehen, ob und wie man eine Mission
durchführt.
Laut Absichtserklärung der beiden
Verteidigungsministerinnen soll die KAREL DOORMAN Anfang 2018 für
gemeinsame Operationen einsatzbereit sein. Hierfür gibt es bereits
einen Fahrplan. Vorgesehen sind vor allem Manöver, um die
Bundeswehr bis 2018 an niederländische Verfahren und Standards
anzupassen. In diesem Zusammenhang soll dann auch – wie es
offiziell heißt - die „Integration“ des rund 800
Soldaten starken Seebataillons der Bundeswehr in die
Niederländische Marine erfolgen. Mit dieser Wortwahl wird der
Eindruck erweckt, es würde ein gemeinsames Marine-Korps
aufgestellt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Seebataillon bleibt an
seinem Standort in Eckernförde und eigenständig.
Es geht also um Kooperation, nicht um Integration, zwischen
den beiden Seestreitkräften. Was der Partnerschaft zudem fehlt,
ist ein gemeinsames Einsatzkonzept. Die Bundeswehr hat für
amphibische Militäroperationen ein Konzept namens „Basis
See“. Darin kommt zum Ausdruck, dass die Deutsche Marine das
ganze Spektrum an Fähigkeiten beherrschen soll – von
humanitären Hilfseinsätzen bis zu Landungsoperationen, um
feindliche Streitkräfte zu bekämpfen. Bei der Kooperation mit
den Niederländern wird der Ball allerdings bewusst flachgehalten.
Ab 2018 seien maximal Evakuierungsmissionen realistisch, sagt das
Marinekommando in Rostock auf Nachfrage von NDR Info. Der
Marine-Experte Sebastian Bruns kritisiert diese Zurückhaltung und
erwartet Klartext von der Marineführung:
O-Ton Bruns
„Wenn man davor zurückscheut, die anderen maritimen
Einsatzszenarien zu benennen und auf diesem Weg die Politik und
Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, dann ist es
natürlich schwierig, Beschaffung auch herzuleiten und oder so eine
Integration auch zu erklären.“
Dabei gibt es bei der Deutschen Marine bei der amphibischen
Kooperation mit den Niederländern schon jetzt Überlegungen,
die über die Nutzung des Unterstützungsschiffes KAREL DOORMAN
hinausgehen. Sie hat bereits ein weiteres Schiff der Holländer im
Auge, das Möglichkeiten für größere
Land/See-Operationen bietet. Der Marine-Experte Heinz-Dieter Jopp vom
Institut für strategische Zukunftsanalysen der Carl Friedrich von
Weizsäcker-Stiftung:
O-Ton Jopp
„Die Marine denkt jetzt schon den Schritt weiter, dann eben auch
Erfahrungen zu sammeln mit einem niederländischen Schiff der JOHAN
DE WITT-Klasse. Das ist ein eindeutig amphibisches Transportschiff.
Es hat die Möglichkeit - und darum geht es zurzeit auch im
Denken der deutschen Marine - dass es ein Bataillon an Bord nehmen
kann. Deswegen auch die Vereinbarung mit dem Seebataillon.“
Die JOHAN DE WITT kann mit knapp 600 Soldaten extra fast das
gesamte Seebataillon aufnehmen – erheblich mehr als die KAREL
DOORMAN. Was die JOHAN DE WITT für die Militärführung
besonders wertvoll macht: Sie besitzt eine Kommandozentrale, die
speziell dafür ausgelegt ist, kombinierte Einsätze von
Marine-, Land- und Luftstreitkräften zu führen.
Gegenüber NDR Info äußert das Marinekommando, die JOHAN
DE WITT wäre in der Tat das Mittel der Wahl. Planungen für
eine Mitnutzung gebe es aber noch nicht.
Aus Sicht der Deutschen Marine wäre es militärisch
sinnvoll, die Kooperation zügig auf zwei Schiffe auszubauen.
Danach sieht es aber derzeit nicht aus. Trotzdem spricht
Verteidigungsministerin von der Leyen bei der
deutsch-niederländischen Zusammenarbeit von einem
Leuchtturm-Projekt. Damit aber werden Erwartungen geweckt, die sich in
absehbarer Zeit nicht erfüllen lassen. Bei der Marine-Kooperation
wird es daher vorerst wohl vor allem bei SymbolPolitik bleiben.
|