Tornado-Kampfeinsatz in Syrien
Solidaritäts-Geste ohne militärischen Nutzen?
Andreas Flocken
Nach den Anschlägen von Paris hat Präsident
Hollande die EU-Mitglieder um militärischen Beistand gebeten.
Deutschland will da nicht abseits stehen. Die Bundesregierung hat
entschieden, u.a. Aufklärungstornados nach Syrien zu schicken. Ein
Kampfeinsatz. Allerdings ein fragwürdiger, findet der frühere
Generalinspekteur und ehemalige NATO-General Harald Kujat:
O-Ton Kujat
„Es geht zunächst einmal den Politikern darum, politische
Solidarität mit Frankreich zu dokumentieren. Aber ein
militärischer Einsatz muss auch Sinn machen. Der Zweck muss auch
klar erkennbar sein. Und den sehe ich in diesem Fall nicht.“
Denn im Kampf gegen die Terror-Organisation Islamischer Staat
fehlen vor allem Bodentruppen, und nicht Kampfflugzeuge oder
luftgestützte Aufklärungskapazitäten:
O-Ton Kujat
„Wir haben genügend Luftstreitkräfte vor Ort. Wir haben
Luftstreitkräfte, die sehr modern sind und die sehr
leistungsfähig sind.(…) Ich kann also nicht erkennen,
welchen besonderen militärischen Beitrag Deutschland leisten
könnte bei den Lufteinsätzen, und deshalb würde ich
davon abraten."
Vergeblich. Dabei haben seit über einem Jahr die USA,
Frankreich und andere Staaten mehrere tausend Einsätze in Syrien
geflogen. Doch ohne das Zusammenwirken mit Bodentruppen hält sich
die Schlagkraft dieser Angriffe in Grenzen. Denn die Terroristen haben
ihre Taktik inzwischen dieser Situation angepasst. Der Nahost-Experte
Christoph Reuter, der regelmäßig in Syrien unterwegs
ist:
O-Ton Reuter
„Man fährt nachts, man ist in kleinen Taxis unterwegs. Alle
wichtigen Kommandeure wohnen in Wohnvierteln, die auch von den
Franzosen nicht bombardiert worden sind. Das würde sonst ein
Massaker geben. Denn dann würde man die Tötung von Zivilisten
mit Zivilisten vergelten. Die haben sich auf dieses Dauerbombardement
eingestellt und würden das vermutlich noch ziemliche lange
durchhalten.“
Das Problem im Kampf gegen die Terror-Miliz Islamischer Staat
sind nicht fehlende Aufklärungsflugzeuge. Das eigentliche Problem
in Syrien ist für den früheren Luftwaffen-General Kujat
…
O-Ton Kujat
"… das Fehlen einer Gesamtstrategie in dem Sinne, dass sich die
verschiedenen Elemente die militärischen Elemente, genauso wie die
diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen aber auch andere, sich
wechselseitig ergänzen und dann auch zu dem politischen Ziel
führen, das man erreichen will."
Jeder Militäreinsatz muss eingebettet sein in ein
politisches Konzept, wenn er erfolgreich sein soll. Denn die Staaten
und Oppositions-Gruppen in der Krisenregion verfolgende jeweils eigene
Interessen. Das hat zuletzt der Abschuss des russischen Kampfjets
deutlich gemacht: Die Türkei sieht sich als Schutzmacht der
Turkmenen im syrischen Grenzgebiet. Außerdem will Ankara eine
Stärkung der kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen
verhindern. Moskau und Teheran geht es darum, den syrischen Machthaber
Assad im Amt zu halten. Der Westen und Saudi-Arabien wollen aber genau
das Gegenteil - verlangen, dass Assad abtritt.
Gefordert ist in der Syrien-Krise daher nicht das Militär, sondern die Politik:
O-Ton Kujat
„Ich glaube die Fähigkeiten der deutschen Luftwaffe sind in
diesem Fall weniger gefragt als die Fähigkeiten des deutschen
Außenministers, der ja eine sehr aktive und sehr konstruktive
Rolle in diesem Prozess spielt.“
Sagt der ehemalige Viersterne-General Harald Kujat.
Andreas Flocken ist Redakteur
für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und
Strategien" bei NDRinfo.
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