Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
28. November 2015


Tornado-Kampfeinsatz in Syrien
Solidaritäts-Geste ohne militärischen Nutzen?

Andreas Flocken


Nach den Anschlägen von Paris hat Präsident Hollande die EU-Mitglieder um militärischen Beistand gebeten. Deutschland will da nicht abseits stehen. Die Bundesregierung hat entschieden, u.a. Aufklärungstornados nach Syrien zu schicken. Ein Kampfeinsatz. Allerdings ein fragwürdiger, findet der frühere Generalinspekteur und ehemalige NATO-General Harald Kujat:

O-Ton Kujat
„Es geht zunächst einmal den Politikern darum, politische Solidarität mit Frankreich zu dokumentieren. Aber ein militärischer Einsatz muss auch Sinn machen. Der Zweck muss auch klar erkennbar sein. Und den sehe ich in diesem Fall nicht.“ 

Denn im Kampf gegen die Terror-Organisation Islamischer Staat fehlen vor allem Bodentruppen, und nicht Kampfflugzeuge oder luftgestützte Aufklärungskapazitäten: 

O-Ton Kujat
„Wir haben genügend Luftstreitkräfte vor Ort. Wir haben Luftstreitkräfte, die sehr modern sind und die sehr leistungsfähig sind.(…) Ich kann also nicht erkennen, welchen besonderen militärischen Beitrag Deutschland leisten könnte bei den Lufteinsätzen, und deshalb würde ich davon abraten." 

Vergeblich. Dabei haben seit über einem Jahr die USA, Frankreich und andere Staaten mehrere tausend Einsätze in Syrien geflogen. Doch ohne das Zusammenwirken mit Bodentruppen hält sich die Schlagkraft dieser Angriffe in Grenzen. Denn die Terroristen haben ihre Taktik inzwischen dieser Situation angepasst. Der Nahost-Experte Christoph Reuter, der regelmäßig in Syrien unterwegs ist: 

O-Ton Reuter
„Man fährt nachts, man ist in kleinen Taxis unterwegs. Alle wichtigen Kommandeure wohnen in Wohnvierteln, die auch von den Franzosen nicht bombardiert worden sind. Das würde sonst ein Massaker geben. Denn dann würde man die Tötung von Zivilisten mit Zivilisten vergelten. Die haben sich auf dieses Dauerbombardement eingestellt und würden das vermutlich noch ziemliche lange durchhalten.“ 

Das Problem im Kampf gegen die Terror-Miliz Islamischer Staat sind nicht fehlende Aufklärungsflugzeuge. Das eigentliche Problem in Syrien ist für den früheren Luftwaffen-General Kujat … 

O-Ton Kujat
"… das Fehlen einer Gesamtstrategie in dem Sinne, dass sich die verschiedenen Elemente die militärischen Elemente, genauso wie die diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen aber auch andere, sich wechselseitig ergänzen und dann auch zu dem politischen Ziel führen, das man erreichen will." 

Jeder Militäreinsatz muss eingebettet sein in ein politisches Konzept, wenn er erfolgreich sein soll. Denn die Staaten und Oppositions-Gruppen in der Krisenregion verfolgende jeweils eigene Interessen. Das hat zuletzt der Abschuss des russischen Kampfjets deutlich gemacht: Die Türkei sieht sich als Schutzmacht der Turkmenen im syrischen Grenzgebiet. Außerdem will Ankara eine Stärkung der kurdischen Unabhängigkeitsbestrebungen verhindern. Moskau und Teheran geht es darum, den syrischen Machthaber Assad im Amt zu halten. Der Westen und Saudi-Arabien wollen aber genau das Gegenteil - verlangen, dass Assad abtritt. 

Gefordert ist in der Syrien-Krise daher nicht das Militär, sondern die Politik: 

O-Ton Kujat
„Ich glaube die Fähigkeiten der deutschen Luftwaffe sind in diesem Fall weniger gefragt als die Fähigkeiten des deutschen Außenministers, der ja eine sehr aktive und sehr konstruktive Rolle in diesem Prozess spielt.“ 

Sagt der ehemalige Viersterne-General Harald Kujat.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.