Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
27. Juni 2015


Aufrüstung wider Willen?
NATO setzt auf militärische Entschlossenheit

Andreas Flocken


Das Bündnis versucht, gegenüber Russland einmal mehr militärische Entschlossenheit zu zeigen Die NATO-Response Force, also der Eingreifverband der Allianz, soll künftig auf bis zu 40.000 Soldaten aufgestockt werden. Außerdem gelobten die Verteidigungsminister, wie bereits auf dem NATO-Gipfel im vergangenen Jahr, ihre Verteidigungsausgaben kräftig zu erhöhen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg wies aber trotzdem alle Befürchtungen zurück, die Allianz lasse sich in einen Rüstungswettlauf hineinziehen:

O-Ton Stoltenberg
„We will not be dragged into an arms race, but we must keep our countries safe.” 

Die NATO lässt also die Muskeln spielen. Und die USA, die sich eigentlich dem Pazifik zuwenden wollten, spielen hierbei eine Schlüsselrolle. Die neue Schnelle Eingreiftruppe, die sogenannte Speerspitze,  soll von  Washington vor allem logistisch massiv unterstützt werden. Außerdem kündigte der neue Pentagonchef Ashton Carter an,  Waffen und Gerät für rund 5.000 US-Soldaten in den osteuropäischen NATO-Staaten zu stationieren. Und Carter bekräftigte, dass es in Europa allein in dieser Woche 20 Manöver der US-Streitkräfte gege-ben habe:

O-Ton Carter
„We will take a new, strong, and balanced strategic approach. …Just this week, just this week there are 20 named exercises of U.S. forces in Europe. Just this week.”

Offiziell alles eine Reaktion auf die russischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt. Aber  natürlich wird auch Moskau auf den Aufbau der NATO-Infrastruktur in Osteuropa reagieren. Wegen der eigenen konventionellen Unterlegenheit setzt Russland schon jetzt bei  Militär-Übungen verstärkt auf Atomwaffen. Aktion, Reaktion – dieses Muster ist zurzeit zwischen Russland und der NATO zu beobachten. Der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der ehemalige Vier-Sterne-General Harald Kujat, ist besorgt: 

O-Ton Kujat
„Wenn wir die Spirale die Eskalationspirale immer weiter drehen, und dann auch immer stärker auf militärische Maßnahmen setzen, dann ist das ein Weg, der in die Irre führt."

Ein Weg, der auch zur Stationierung von US-Atomwaffen in den osteuropäischen NATO-Ländern führen könnte. Das aber wäre eine ganz neue Qualität und würde den Konflikt noch weiter anheizen.


 

Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte und Strategien" bei NDRinfo.