Parlamentsarmee Bundeswehr
wie die Rühe-Kommission die Bündnisfähigkeit
stärken will
Alexander Drechsel
Als vor 15 Monaten die Große Koalition die sogenannte
Rühe-Kommission einsetzte, kamen schnell Ängste auf,
die
Rechte des Bundestags bei der Entsendung von deutschen Soldaten ins
Ausland könnten massiv beschnitten werden. Immerhin hatte die
Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Verteidigungsministers Volker
Rühe den Auftrag die, - Zitat – „Abstufung
der
Intensität der parlamentarischen Beteiligung nach Art des
Einsatzes" zu untersuchen. Die Opposition aus Grünen und
Linksfraktion wollte das keinesfalls mittragen und verweigerte ihre
Mitarbeit in dem Gremium aus Politikern, Wissenschaftlern und
Militärs.
Jetzt liegt der Abschlussbericht vor und er birgt einige
Überraschungen. Nicht nur was die verfassungsrechtlich
garantierte
Parlamentsbeteiligung angeht. Es gibt einen zweiten Hauptaspekt in der
Kommissionsarbeit, der bislang kaum Beachtung fand: Wie
bündnisfähig ist die Bundeswehr?
Hans-Georg Ehrhart vom Institut für Friedensforschung und
Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg fasst die
Ergebnisse
der Rühe-Kommission so zusammen:
O-Ton
Ehrhart
„Zum einen überrascht mich die klare Aussage in
Bezug auf
die Aufrechterhaltung des Parlamentsvorbehalts. Er ist nicht
eingeschränkt worden, wie es von Teilen der Union gefordert
worden
ist. Und was die Bündniseinbindung betrifft, sind die
Reformen,
die vorgeschlagen worden sind, meines Erachtens akzeptabel und
praxisnah."
In Medien und Politik geht es stets hoch her, wenn ein
neuer
Auslandseinsatz der Bundeswehr diskutiert wird - angesichts der
besonderen deutschen Verantwortung ein verständlicher und
richtiger Reflex. Und trotz vieler neuer Auslandseinsätze in
den
Jahren seit der Wiedervereinigung wurde der Vorwurf laut, Deutschland
sei bei zu vielen internationalen Militärmissionen aus der
Reihe
getanzt. Als ein Beispiel dient unter anderem der Abzug deutscher
Soldaten aus den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO. So
geschehen 2011 in Afghanistan und während des NATO-Luftkrieges
in
Libyen.
In der Öffentlichkeit wurde der Eindruck erweckt, schuld daran
sei
das Recht des Bundestages, über die Entsendung bewaffneter
Streitkräfte ins Ausland entscheiden zu dürfen. Aber
genau
das sei falsch, sagte ausgerechnet Volker Rühe bei der
Vorstellung
des Kommissionsberichts.
O-Ton
Rühe
„Die schwerwiegendsten Fehler der Vergangenheit, die zu dem
Gefühl geführt haben, dass Deutschland kein
verlässlicher Bündnispartner ist, sind durch
Entscheidungen
der Regierung erfolgt. Nicht durch Entscheidungen des Parlaments. Die
Regierung ist zwei Mal aus AWACS-Systemen ausgestiegen."
In der Tat hat der Bundestag seit 1994 alle 138 Mandate
für Einsätze der Bundeswehr im Ausland gebilligt. Es
ist
ebenso ein Irrglaube, Deutschland nehme mit seiner
Parlamentsbeteiligung eine Sonderrolle in Europa ein. 17 Staaten haben
laut einer Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik eine
vergleichbare Praxis. Im Gegensatz zum Bundestag können davon
sechs Parlamente den Streitkräften sogar operative Details
vorgeben.
Trotzdem hat die Rühe-Kommission die bisherige Praxis
überprüft. Sie will an einigen Stellen das
Parlamentsbeteiligungsgesetz anpassen und hat konkrete
Vorschläge
gemacht. Die sieht die grüne Oppositionspolitikerin Katja Keul
allerdings kritisch:
O-Ton
Keul
„In den entscheidenden Punkten, wo das
Parlamentsbeteiligungsgesetz geändert werden soll, bewerten
wir
das doch sehr problematisch. Weil da Vorschläge
gemacht
werden für Konstellationen, in denen in Zukunft in der Regel
kein
Mandat mehr erforderlich sein soll, was eindeutig eine
Verschlechterung im Vergleich zur bisherigen Praxis ist."
Konkret bemängelt Keul beispielsweise, dass die
Regierung
künftig Soldaten bei Ausbildungsmissionen ohne die Zustimmung
des
Bundestags ins Ausland schicken soll - unter der Voraussetzung, dass
Waffen nur zu Ausbildungszwecken oder zur Selbstverteidigung
mitgeführt werden. Doch was passiert, falls die Konfliktlage
sich
ändert oder wenn die Soldaten in einem Kampfgebiet ausbilden
sollen?
Ähnliche Fragen ergeben sich bei den anderen
Änderungsvorschlägen der Rühe-Kommission. So
sollten
künftig grundsätzlich auch Erkundungskommandos,
Beobachtermissionen sowie logistische Unterstützung
ohne
Bezug zu Kampfhandlungen oder medizinische Hilfe außerhalb
von
Kampfgebieten ohne Zustimmung des Bundestages möglich werden.
Ebenso sollen den Vorschlägen zufolge deutsche Soldaten in
multinational besetzten Stäben bei bewaffneten
Konflikten
auch ohne Bundestagsmandat weiterarbeiten dürfen, sofern sie
nicht
im Kampfgebiet stationiert werden oder Waffen - wie etwa Drohnen -
unmittelbar steuern.
Wesentlich mehr Spielraum will die Rühe-Kommission der
Regierung
auch bei der Formulierung von Mandaten geben. Beispielsweise, wenn es
um regionale Einsatzgebiete oder die Obergrenze der zu entsendenden
Soldatinnen und Soldaten geht.
Unangetastet bleibt das Recht des Bundestages zu entscheiden, ob, wann
und wo deutsche Soldaten in einen Kampfeinsatz gehen. Laut den
Vorschlägen der Kommission sollen die Parlamentarier sogar das
Recht auf mehr Informationen bekommen. Angeregt wird unter anderem die
nachträgliche Unterrichtung über geheime Missionen
von
Spezialkräften oder die Bilanzierung von
Auslandseinsätzen.
Aber die Bundestagsabgeordneten werden - geht es nach der
Rühe-Kommission - künftig noch mehr Papier bekommen.
Denn die
Regierung soll jährlich darüber informieren, wo die
Bundeswehr in multilaterale Strukturen eingebunden ist. Volker
Rühe:
O-Ton
Rühe
„Wir haben nicht mehr nur nationale Armeen. Und das hat sich
im
Bewusstsein noch nicht niedergeschlagen. Und das ist eigentlich das
wichtigste Ergebnis: Dass wir Regierung und Parlament auffordern, zur
Kenntnis zu nehmen, dass diese Bündnisintegration weiter
fortschreitet, dass das militärische Fähigkeiten
sind, die
uns nicht alleine gehören, sondern wo andere sich auf uns
verlassen können müssen - gesicherte
Zurverfügungstellung."
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