Gastbeitrag
Streitkräfte und Strategien - NDR info
09. März 2013


US-Drohnen-Einsätze – auch in den Vereinigten Staaten wächst die Kritik

Gastbeitrag von Thomas Horlohe


Umstritten waren sie von Anfang an: die unbemannten Fluggeräte, mit denen die USA den Kampf gegen Terroristen und Aufständische führen. Unter Präsident Obama stieg die Zahl der Drohnenangriffe deutlich an. Er weitete ihre Einsatzgebiete von Afghanistan und Pakistan auf den Jemen und Somalia aus. Seit Amtsantritt von Obama zählt das Londoner Büro für Investigativen Journalismus allein in den pakistanischen Grenzprovinzen zu Afghanistan mehr als 310 Drohnenangriffe. Unter den 2.600 bis 3.600 Getöteten sollen etwa 890 Zivilisten sein, darunter vermutlich mehr als 176 Kinder.

Je mehr über Ausmaß und unschuldige Opfer des Drohnen-Feldzugs an die Öffentlichkeit gelangt, desto lauter und zahlreicher werden die kritischen Stimmen. Ihren vorläufigen Höhepunkt fand die Kritik letzten Monat im Geheimdienstausschuss des US-Senats. Ihr Ziel: John O’Brennan, der neue Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA. Bevor seine Anhörung beginnen konnte, musste der Sitzungssaal von Demonstranten geräumt werden:

Atmo Ausschussitzung

O’Brennan ist die Personifizierung des Drohnen-Krieges. Vier Jahre lang war er Präsident Obamas engster Berater für Terrorismusbekämpfung. Aus seinem kleinen Büro im Weißen Haus heraus koordinierte O’Brennan die Drohnen-Kampagnen von CIA und dem Kommando Spezialkräfte des US-Militärs. Er empfahl dem Präsidenten, welche Terroristen auf die Todesliste gesetzt werden sollten.

O’Brennan hat stets Wert darauf gelegt, dass die Drohnen-Kampagne juristisch einwandfrei ist. Er überzeugte Obama davon, die Rechtmäßigkeit gezielter Tötungen mit Drohnen in der Öffentlichkeit offensiv zu vertreten. Erst ließ Obama seinen Justizminister und die Chef-Justitiare von Pentagon und CIA an Eliteuniversitäten erklären, weshalb gezielte Tötungen mit Drohnen zulässig seien - auch von US-Staatsbürgern, die sich dem Terroristen-Netzwerk Al-Qaida angeschlossen haben. Dann bekannte sich im April letzten Jahres Antiterrorberater O‘Brennan in einer Grundsatzrede am Wilson-Center, einer Washingtoner Denkfabrik, erstmals öffentlich zur Drohnen-Kampagne der Regierung:

O-Ton O’Brennan (overvoice)
„Ja, die Regierung der Vereinigten Staaten führt gezielte Angriffe gegen bestimmte Al-Qaida-Terroristen durch und verwendet dafür manchmal ferngelenkte Luftfahrzeuge, die häufig als Drohnen bezeichnet werden. Dies geschieht in voller Übereinstimmung mit dem geltenden Recht, um terroristische Angriffe auf die USA zu verhindern und um das Leben von Amerikanern zu retten. Ich stehe heute vor Ihnen, weil Präsident Obama uns angewiesen hat, gegenüber dem amerikanischen Volk offener über diese Aktivitäten zu sprechen.“

O’Brennan machte keinen Hehl daraus, dass sich die Regierung Obama um die Legitimation und Akzeptanz ihrer Drohnen-Kampagne sorgt:

O-Ton O’Brennan (overvoice)
„Unsere Instrumente für den Anti-Terror-Kampf existieren nicht in einem Vakuum. Sie sind stärker und nachhaltiger, wenn das amerikanische Volk sie versteht und unterstützt. Sie sind schwächer und nicht durchzuhalten, wenn das nicht der Fall ist.“

Doch heute, ein Jahr später, ist Obamas Politik der neuen Offenheit in der Drohnen-Frage gescheitert. Die Drohnen-Kampagne befindet sich in einer Legitimationskrise.

Die Kritik konzentriert sich auf zwei Punkte: Erstens, die gezielte Tötung von US-Staatsbürgern; Zweitens, mangelnde Sorgfalt bei der Zielauswahl und daher systematische Unterschätzung ziviler Opfer in Pakistan.

Wenige Tage vor O’Brennans Anhörung im Geheimdienstausschuss, erregte ein unveröffentlichtes Kurzgutachten des Justizministeriums Aufsehen, dass dem Fernsehsender NBC zugespielt worden war. Das Papier rechtfertigt die gezielte Tötung des Terroristen Anwar Al-Aulaqi am 30. September 2011 durch eine bewaffnete Drohne im Jemen. Das Besondere an diesem Al-Qaida-Kader? Al-Aulaqi hatte einen US-amerikanischen Pass. Es war das erste Mal, dass ein US-Bürger Ziel eines Drohnen-Angriffs geworden war.

Die Aufregung um das angebliche Geheimpapier ist scheinheilig. Denn es folgt der gleichen Argumentation, die der Justizminister und der CIA-Justitiar bereits vor Jahresfrist öffentlich und ausführlich vorgetragen hatten. Und doch setzte sich die Tageszeitung NEW YORK TIMES, das Leitmedium der liberalen Intelligenz, an die Spitze der Kritiker. In Berichten, Kommentaren und Namensartikeln, sogar im Wirtschaftsteil nahm sie Obamas Drohnen-Politik aufs Korn. Sie erinnerte daran, dass schon einmal eine US-Regierung mit Rechtsgutachten aus dem Justizministerium zu heiklen sicherheitspolitischen Fragen hinter dem Berg gehalten habe, nämlich die von Präsident Bush zu Folter als Verhörmethode. Selbstkritisch räsonierte das Blatt, man sei mit der Antiterror-Politik Obamas möglicherweise viel zu lange zu nachsichtig umgegangen.

Kritisch wird auch die Behauptung der US-Regierung hinterfragt, die Drohnen träfen die Al-Qaida-Kämpfer präzise, ohne viele Opfer unter der Zivilbevölkerung zu fordern. So behauptete Obamas Antiterror-Fachmann George O’Brennan:

O-Ton O’Brennan (overvoice)
„Wegen seiner chirurgischen Präzision ist dieses Instrument so wichtig für die Terroristenbekämpfung, wegen seiner Fähigkeit, mit laserartiger Präzision den Al-Qaida Terroristen wie einen Krebstumor zu entfernen und dabei Schaden für das umliegende Gewebe zu begrenzen.“

Ein ganz anderes Bild zeichnet eine groß angelegte Feldstudie, die letzten September unter dem Titel „Ein Leben unter Drohnen“ in den USA veröffentlicht wurde. Sie untersucht die Wirkung der US-Drohnen-Kampagne auf die Bevölkerung in den pakistanischen Nordwestprovinzen und kommt zu dem Ergebnis, dass sich unter den Drohnen-Opfern nur wenige hochrangige Al-Qaida-Kader befinden, aber sehr viel mehr Zivilisten als bisher von der US-Regierung zugegeben. Vor allem aber sei die Zivilbevölkerung durch die permanente Angst, aus heiterem Himmel von Drohnenangriffen getroffen zu werden, schwer traumatisiert.

Anfang des Jahres meldete sich schließlich die alt-ehrwürdige US-amerikanische Gesellschaft für Auswärtige Politik mit einer diplomatisch formulierten Fundamentalkritik zu Wort. Verbindlich im Ton, aber in der Sache unerbittlich verlangt sie eine Reform der Drohnen-Politik. Die Regierung solle sich wieder strikt auf die Zielgruppe beschränken, auf die es ihr doch vorgeblich ankomme: hochrangige Terroristen, die eine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit der USA darstellen. Und der Kongress möge sich die Frage vorlegen, ob seine mehr als zehn Jahre alte Ermächtigung des Präsidenten zum Einsatz militärischer Gewalt gegen die Terroristen des 11. September heute noch als Rechtsgrundlage für Drohnen-Einsätze in aller Welt tauge. Nüchtern sagt der „Council on Foreign Relations“ voraus:

Zitat:
„Genauso wie die Regierung Bush seinerzeit gezwungen war, ihre umstrittenen Antiterror-Praktiken zu verändern, wird innenpolitischer und internationaler Druck die USA zwingen, ihre Drohnen-Einsatzpolitik zurückzufahren.“

Legalität kann Legitimität nicht ersetzen. Obamas neuer Mann an der Spitze der CIA wird die Regeln für den Einsatz von Drohnen anpassen müssen. Sonst droht der lange Krieg gegen Al-Qaida dort verloren zu gehen, wo alle Niederlagen der USA besiegelt wurden: zuhause, an der Heimatfront.