Milliarden-Rüstungspoker um A400M
Steuerzahler sollen erneut zur Kasse gebeten werden
Andreas Flocken
Das Transportflugzeug A400M sorgt weiter für Negativ-Schlagzeilen.
Daran konnte auch der im vergangenen Monat erfolgte Jungfernflug der Maschine
nichts ändern. Seit fast einem Jahr sind die sieben Bestellerländer
mit dem Flugzeugbauer EADS im Gespräch, wer die angefallenen Mehrkosten
in Milliardenhöhe zu tragen hat. Dabei hat der Konzern 2003 vertraglich
zugesagt, 180 Maschinen für 20 Milliarden Euro zu liefern. Deutschland
ist mit 60 Transportern größter Besteller. Stolze 8,3 Milliarden
soll das Verteidigungsministerium dafür bezahlen. Waffensysteme zu
einem Festpreis - in der Rüstungsbranche ist dieser sogenannte „Commercial
approach“ eine Neuerung. Die Besteller-Nationen waren damals mit der Vereinbarung
sehr zufrieden. Schließlich wurde bisher noch so ziemlich jedes
Rüstungsprojekt erheblich teuer als zunächst geplant. Die Hoffnung
war, mit einem Festpreis das Kostenproblem in den Griff zu bekommen. Ein
Irrtum, wie wir inzwischen wissen. Der A400M-Hersteller Airbus spricht
von Mehrkosten in Höhe von bis zu 11 Milliarden Euro und will von
einem Festpreis nichts mehr wissen. Man habe das Projekt unterschätzt,
räumte in dieser Woche kleinlaut EADS-Chef Gallois ein:
O-Ton Gallois (overvoice)
„Wir haben Fehler gemacht, weil wir bei einem Programm mit großen
technischen Herausforderungen einen Festpreis akzeptiert haben und auf
einen unrealistischen Zeitplan eingegangen sind.“
Doch damit nicht genug. Absehbar ist bereits, dass der Militärflieger
nicht die zugesagten Leistungen erbringen wird. Weniger Nutzlast und weniger
Reichweite. Die Verantwortung für das A400M-Debakel will das Unternehmen
nicht alleine übernehmen. Der Konzern zeigt vielmehr auf die Bestellerländer.
EADS-Chef Louis Gallois:
O-Ton Gallois (overvoice)
„Ich verstehe, dass wir eine europäische Luftfahrindustrie haben
wollen. Aber die Last dafür müssen wir teilen. Sie kann nicht
dem Hersteller alleine aufgebürdet werden, der beispielsweise nicht
das Triebwerk ausgesucht hat. Ich bin übrigens nicht gegen einen
europäischen Antrieb.“
Das Ziel ist klar: EADS will die Auftraggeber kräftig zur Kasse
bitten. Die Regierungen sollen noch einmal rund fünf Milliarden zusätzlich
bezahlen. Bis Ende des Monats soll eine Entscheidung fallen. Beim Verhandlungspoker
zieht der Konzern inzwischen alle Register. Tausende von Arbeitsplätzen
seien gefährdet. Für Airbus-Chef Enders geht es um die Existenz
des Konzerns:
O-Ton Enders
„Ich sehe in der Tat die Gefahr, dass, wenn das setup die Situation,
wie wir sie heute haben bei A400M, wenn diese nicht deutlich verändert
wird, dass dann die gesamte Firma gefährdet werde könnte,
einschließlich ihrer kommerziellen Assets.“
Verteidigungsminister zu Guttenberg hatte bisher klargemacht, dass er
auf Erfüllung des Vertrages besteht. So steht es auch in der Koalitionsvereinbarung
von Union und FDP. Bei seinem Antrittsbesuch vor zwei Monaten in Paris
bei seinem französischen Kollegen Morin gab sich der CSU-Politiker
selbstbewusst und zuversichtlich. Er sprach viel von Vertragstreue. Paris
und Berlin ziehen an einem Strang, so die Botschaft des Verteidigungsministers:
O-Ton zu Guttenberg
„Was den von vielen gespannt erwarteten Dialog zum A400 anbelangt, da
mag es manchen überraschen, dass sich beide Häuser in den
letzten Tagen sehr eng ab-gestimmt haben. Und wir gehen mit einer abgestimmten
Position morgen in die Gespräche mit den Partnern auf Staatssekretärsebene.“
Doch das war einmal. In dieser Woche verkündete der französische
Verteidigungsminister, Paris werde einen Teil der angefallenen Mehrkosten
bezahlen. Denn Frankreich ist an EADS beteiligt. Schon aus Prestigegründen
würde insbesondere Präsident Sarkozy ein Scheitern des A400M
nicht zulassen. Deutschland wird im Verhandlungspoker daher notgedrungen
einlenken. Einen Konflikt mit Paris wird die Bundesregierung nicht riskieren.
Es geht Berlin nur noch darum, das Gesicht zu wahren. Inzwischen ist von
einer Tranchenlösung die Rede. Gemeint ist damit, Deutschland bekommt
für den vereinbarten Festpreis statt der 60 Flugzeuge nur 40 Maschinen.
Die zusätzlichen 20 Transporter müssten später dann noch
einmal extra bezahlt werden. Für die Steuerzahler ein schlechtes
Geschäft.
Große Versprechungen macht EADS seit geraumer Zeit auch bei einem
anderen Rüstungsprojekt. Unbemannte Flugzeuge, sogenannte Drohnen
oder UAVs, gelten als Waffensysteme der Zukunft. EADS versucht mit TALARION
ins Geschäft zu kommen. Dieses System gibt es bisher nur als Modell.
Aber schon jetzt will der Flugzeugbauer wissen, dass TALARION vergleichbaren
Systemen wie der US-Drohne Predator B weit überlegen sein wird. Einen
Zeitplan für TALARION gibt es auch schon: Erstflug 2013, Auslieferung
ab 2015. Nicht ausgeschlossen, dass EADS bei dem neuen Rüstungsprojekt
mehr verspricht als der Konzern letztlich halten kann. Doch Deutschland,
Frankreich und auch Spanien sind an der vermeintlichen Super-Drohne sehr
interessiert – trotz des A400M-Debakels.
Andreas Flocken ist Redakteur für die Hörfunk-Sendung "Streitkräfte
und Strategien" bei NDRinfo.
|