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27. September 2006


Deutscher Waffenhandel

Der neue Rüstungsexportbericht der Bundesregierung verschweigt manches Detail, ist aber dennoch erhellend. Otfried Nassauer hat ihn analysiert.

Auf 147 Seiten berichtet das Wirtschaftsministerium jetzt über die Rüstungsexporte Deutschlands im Jahre 2005. Mit knapp 6,3 Milliarden Euro lag der Wert der genehmigten Exporte 2005 etwa so hoch wie in den beiden Jahren zuvor. Für die Industrie waren das gute Jahre. Das wird durch einen Vergleich mit dem Jahr 2000 deutlich: Vor fünf Jahren hatte die Bundesrepublik Exporte im Wert von lediglich 4,7 Milliarden Euro abgesegnet. Die umfangreichsten Genehmigungen im vergangenen Jahr gab es für die USA, Südafrika (ein U-Boot), die Vereinigten Arabischen Emirate, Griechenland, Frankreich, die Türkei und die Niederlande.

Insgesamt bewilligte die Bundesregierung 2005 11.855 Einzelanträge für Rüstungsexporte, rund 500 mehr als im Vorjahr. Dem gegenüber stehen lediglich 58 Gesuche, die kein grünes Licht bekamen. Die geringe Ablehnungsquote ist auffällig, hat allerdings einen einfachen Grund: Viele Firmen klären vorab, ob ihre Anträge überhaupt Aussicht auf Erfolg haben.

Doch die Zahl der genehmigten Geschäfte ist nicht identisch mit der Ziffer der abgeschlossenen. Zu den tatsächlichen Exporten gibt es ohnehin nur Zahlen für den Bereich der eigentlichen Kriegswaffen. Deren Wert lag mit mehr als 1,6 Milliarden Euro wiederum deutlich über denen der Vorjahre. Im Jahr 2004 waren es gut 1,2 Milliarden, im Jahr davor noch rund 1,3 Milliarden. Auch die Liste der Empfänger zeichnete in den Vorjahren ein anderes Bild: Da lag die Türkei vor Spanien, Südkorea, Südafrika, den Niederlanden und Kuwait.

Die Bedeutung des Exports reiner Kriegswaffen im deutschen Außenhandel wächst damit weiter. Sein Anteil am Gesamtexport der Bundesrepublik ist von nur 0,06 Prozent in den Jahren 2001 und 2002 auf 0,15 Prozent im Jahr 2004 und nun sogar auf 0,26 Prozent geklettert.

Großwaffensysteme wie Panzer, U-Boote oder andere Fahrzeuge dagegen haben auch 2005 nur eine untergeordnete Rolle im deutschen Waffenhandel gespielt. Meist wird überzähliges Gerät der Bundeswehr verkauft. So erhielten Griechenland, Dänemark und Spanien insgesamt 63 Leopard-2-Panzer, Litauen 67 gepanzerte gebrauchte Mannschaftstransporter sowie 30 Panzermörser. Frankreich bekam sieben gebrauchte Raketenwerfer, Tunesien sechs Raketen-Schnellboote und Uruguay einen Versorger aus Bundeswehrbeständen. Nur zwei kommerzielle Lieferungen mussten den Vereinten Nationen gemeldet werden: ein U-Boot für Südafrika und 18 gepanzerte Dingos, die Österreich bekam.

Der Kernbereich deutscher Rüstungsexportgenehmigungen haben auch 2005 wieder Komponenten für Waffen oder Waffensysteme und Bauteile für gepanzerte Fahrzeuge, Schiffe, Hubschrauber, Flugzeuge oder Munition ausgemacht. Das Label „Made in Germany“ ist häufiger im Inneren als auf der Außenhaut militärischen Geräts zu finden. Israel beispielsweise kafute Teile für Panzer, Flugabwehrsysteme und Landfahrzeuge sowie Ortungs- und Navigationsausrüstung. Für Pakistan wurden Torpedos und Torpedoteile genehmigt, für Saudi-Arabien Kampfflugzeugteile und Unterwasserortungsgeräte.

Auch politisch nicht ganz korrekte Exporte entdeckt der aufmerksame Leser des Berichts – wie in jedem Jahr. Sie finden sich wie üblich im Kleingedruckten der tabellarischen Anhänge. So wird der Export von 126 MLRS-1 Raketen in die Slowakei vermeldet. Gemeint sind Raketen vom Typ M26. So wurden sie in früheren Jahren auch bezeichnet. Die neue Bezeichnung verschleiert nur unzureichend, dass es sich um Raketen mit Streumunition handelt – eben jener Streumunition, die Israel in den letzten Tagen des jüngsten Libanonkrieges noch massiv einsetzte und die heute nach UN-Angaben zu Hunderttausenden als Blindgänger rückkehrende Flüchtlinge bedrohen. Die Bundeswehr selbst will künftig auf diese Munition verzichten. Doch wird der Export dieser überflüssigen und völkerrechtlich fragwürdigen Waffen wieder einmal der Vernichtung vorgezogen. Noch immer erlaubt die Bundeshaushaltsordnung es nicht, Überschusswaffen kostenpflichtig zu verschrotten, wenn der Verkauf oder das Verschenken billiger kommt.

Trotz seines Umfangs – wirklich transparent macht auch der jüngste Bericht die deutschen Rüstungsexporte nicht. Für exportierte Rüstungsgüter, die keine Kriegswaffen sind, gibt es nicht einmal eine verwertbare Statistik. Was genau in welches Land geliefert oder welche Lieferungen im Einzelnen genehmigt wurden, verschweigt man ebenfalls. Wie üblich betrachtet die Bundesregierung solche Daten als schützenswertes Firmengeheimnis. Es darf nicht preisgegeben werden, weil den Firmen angeblich Wettbewerbsnachteile drohen. Da es auf dem Rüstungsmarkt aber keinen freien Wettbewerb im eigentlichen Sinne gibt, hat dieses Argument freilich eine begrenzte Reichweite.

Schließlich fällt auf, dass zwar für manche Länder in etwa angegeben wird, welche Exporte genehmigt wurden, diese Angaben aber für EU-Staaten, Nato-Staaten und Gleichgestellte in vielen Fällen fehlen. Infolgedessen vermisst man detaillierte Angaben zu interessanten Ländern wie zum Beispiel Bulgarien, Rumänien oder die Slowakei. Das Wirtschaftsministerium ist offenbar bemüht, nur zu veröffentlichen, was auch anderweitig – zum Beispiel in den Berichten der EU – nachzulesen ist.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS