24. April 2007


U-Boote für Pakistan?

von Otfried Nassauer

„Was schwimmt, geht“, sagt ein Diktum über die deutsche Rüstungsexportpolitik, das auf den ehemaligen Bundesaußenminister Hans Dietrich Genscher zurückgehen soll. „Wenn’s schwimmt, braucht die Bundesregierung nicht nachzudenken.“ So lautet heute scheinbar der Leitsatz für die Praxis des deutschen Rüstungsexports.

Deutsche Firmen um die Kieler Werft HDW verhandeln mit Pakistan über die Lieferung von drei U-Booten. Drei Boote will Pakistan kaufen und im eigenen Land zusammenbauen. Aus Deutschland sollen vorgefertigte U-Bootsektionen geliefert werden. Rund 1,2 Milliarden € ist das Geschäft wert. Für mehr als 1 Milliarde soll der deutsche Steuerzahler bürgen. Das geht aus einer internen Vorlage des Finanzministeriums hervor, die dem Haushaltsausschuss des Bundestages kürzlich vorgelegt wurde. Schon deren Existenz belegt, dass die Bundesregierung dem Vorhaben positiv gegenübersteht und HDW unterstützt. Außenwirtschaftsförderung.

Angeboten wurden Pakistan U-Boote vom neusten Typ U-214. Dieser wurde speziell für den Export entwickelt. Griechenland und Südkorea haben ihn bereits bestellt, die Griechen ein erstes Boot erhalten. Die 65 Meter langen Schiffe sind größer als die U-Boote der Klassen 212A, die die Bundeswehr beschafft. Sie verfügen über einen modifizierten Brennstoffzellenantrieb (2x120KW statt 9x34KW), der sie von der Außenluft unabhängig macht. Damit können die Boote deutlich größere Reisen unternehmen und länger tauchen als konventionelle Diesel-U-Boote. Zudem sind sie kaum zu orten. Die Besatzung ist klein, 27 Soldaten reichen aus. Die U-Boote sind mit acht Torpedorohren des Standardkalibers 533mm ausgerüstet, von denen aus Torpedos, Flugkörper wie die amerikanischen Sub-Harpoon-Raketen und Minen eingesetzt werden können.

Soweit, so scheinbar ein normales U-Boot-Geschäft. Doch Pakistan ist ein problematisches Empfängerland. Dem Atomwaffensperrvertrag trat es nie bei. Seit 1998 hat es Atomwaffen. Der „Vater der pakistanischen Atombombe“ Abdul Q. Khan gilt als Kopf des internationalen Atomschmuggels, der Nordkorea, Libyen und dem Iran zur Bombe verhelfen wollte. Pakistan entwickelt erfolgreich Raketen und Marschflugkörper. Es arbeitet an Nuklearwaffen, die klein und leicht genug sind, damit sie von solchen Trägersystemen transportiert werden können. Zudem ist das Land innenpolitisch höchst instabil. Die prowestlich orientierte Militärregierung Musharaf läuft wieder und wieder Gefahr, von radikalislamischen Kräften gestürzt zu werden. Diese haben starke Verbündete, bis hinein in den Pakistanischen Geheimdienst ISI.

Zu den Waffen, die Pakistan entwickelt, gehört ein Marschflugkörper namens Babur. Er wurde 2005 erstmals getestet und soll eine Reichweite von 500 km haben. Nach einem erneuten Test 2007 ist sogar von 700km Reichweite die Rede. Vermutet wird, dass Pakistan zu dieser überraschenden Entwicklung befähigt wurde, weil es Tomahawk-Marschflugkörper auswertete, die bei den Angriffen der USA auf Afghanistan 1998 versehentlich in Pakistan landeten. Die Babur-Flugkörper sollen eine Tragfähigkeit von 500kg haben und konventionelle wie nukleare Sprengköpfe tragen können. Noch werden sie nur von Land gestartet . Eine seegestützte Version ist in Planung. In der pakistanischen Fachpresse und im Internet wird offen angesprochen, dass die künftigen U-Boote Pakistans mit Babur-Flugkörpern ausgestattet werden sollen.
Sollen etwa künftig israelische Dolphin-U-Boote und pakistanische U-214, beide „Made in Kiel“ im Indischen Ozean „Jagd auf Grüner Oktober“ spielen? Womöglich sogar beide nuklear bewaffnet? Will die Bundesregierung tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, dass der Aufenthalt im Indik für amerikanische Flugzeugträger in Zukunft recht ungemütlich wird?

Die Bundesregierung wirft solchen Fragen erst gar nicht auf. Sie begründet ihre Unterstützung für HDW und die Mutterfirma Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) rein wirtschaftlich: „Mit dem Erhalt des Auftrags würde der deutsche Exporteur in die Lage versetzt, die aktuellen Entwicklungserfolge in der Technik der U-Boot-Fertigung, speziell in der Brennstoffzellenfertigung zu festigen und langfristig zu sichern. Hinzu kommen die entsprechenden Beschäftigungswirkungen (...)“ Und sie deutet an, dass noch nicht aller Tage Abend ist: „Der Auftrag bietet zudem die Chance auf künftige Aufträge, da die pakistanische Marine angabegemäß an einer langfristigen Partnerschaft interessiert ist.“ Das könnte sein. Pakistan möchte später weitere U-Boote und zeigt sich auch an deutschen Fregatten und Korvetten des Typs MEKO A200 bzw. A100 interessiert. Deren Hersteller, Blohm & Voss, gehört ebenfalls zu TKMS. Wenn’s schwimmt, geht in der deutschen Exportkontrolle kein Licht an, sondern das Gehirn aus.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS