Telepolis
20. März 2003


ABC-Abwehr: Ein Streifzug durch US-Militärvorschriften

von Gerhard Piper


Wenn von ABC-Waffen die Rede ist, geht es meist um deren Sprengkraft, Virulenz oder Giftigkeit. Hinter diesen offensiven Fähigkeiten tritt das Interesse an der defensive ABC-Abwehr meist zurück, weil es gegen Massenvernichtungsmittel bekanntlich keine Verteidigungsmöglichkeiten gibt. Während für den Ausbau und Unterhalt der vorhandenen ABC-Arsenale alljährlich Milliarden aufgewendet werden, nehmen sich dagegen die Ausgaben für die ABC-Abwehrtruppe geradezu "bescheiden" aus. So ist die ABC-Abwehrtruppe mit ihren Schrubbern und ihren Duschen nur eine militärische Putzkolonne. Ein Mehraufwand scheint auch nicht gerechtfertigt, da ja die Schutzmöglichkeiten ohnehin begrenzt wären. Aber mit ihrer zunehmenden Konfrontationpolitik gegenüber Schwellenländern der Dritten Welt gehen die US-Streitkräfte ein erhöhtes Risiko ein, wenn sie zum Ziel gegnerischer ABC-Angriffe werden. Dies zeigt ein Blick in die einschlägigen Dienstvorschriften (Field Manuals) der US-Streitkräfte, die der militärischen Geheimhaltung unterliegen und nur in Ausnahmefällen der Öffentlichkeit zugänglich werden.

 

Persönliche Schutzausrüstung der einzelnen Soldaten

In Zeitalter der Massenvernichtungswaffen haben sich die Generäle viel ausgedacht, um gegnerische Soldaten umbringen zu können, aber nur wenig, um die eigenen Soldaten vor den ABC-Waffen des Gegners schützen zu können. So beschränkt sich die persönliche Schutzausrüstung des einzelnen Soldaten auf seine "Gasmaske", ein paar "Gummihandschuhe" und ein paar Galoschen für die Schuhe. Manchmal trägt er über dem eigentlichen Kampfanzug (Battledress – BD) noch einen Schutzanzug (Battledress Overgarment – BDO) oder er hat wenigstens einen Poncho dabei. Dieser Schutzanzug bietet für mindestens 24 Stunden eine gewisse Sicherheit. Soldaten der ABC-Abwehrtruppe tragen über dem Kampf- und dem Schutzanzug noch einen weiteren Anzug, den SCALP (Suit, Contamination Avoidance and Liquid Protective), wenn sie mit Chemiekampfstoffen in flüssiger Form zu tun haben. Mit all diesen Klamotten sehen dann die Soldaten aus wie "Marsmenschen".

Bei der US Army sind die Maskenmodelle M9, M17A1/A2, M25 sowie die neueren M40 und M42 im Gebrauch. Speziell für Hubschrauberpiloten gibt es die Typen M43, M45 und M48. Das eine ABC-Schutzmaske das Gesicht luftdicht abschließen muß, ist selbstverständlich. Wie effektiv eine solche Maske einen Schutz gewähren kann, hängt dann vom verwendeten Atemluftfilter ab. Die gebräuchlichen Filtern sind nur wirksam gegen die gängigen Kampfgase. Über der ABC-Schutzmaske können die Soldaten noch eine Haube M6A2 tragen, um die Haare und den Nacken zusätzlich zu schützen. Während bei der Bundeswehr der Soldat seine Schutzmaske innerhalb von sieben Sekunden nach ABC-Alarm aufgesetzt haben muß, sind bei den US Streitkräften neun Sekunden vorgeschrieben.

Das Anlegen der ABC-Abwehrausstattung ist bei den Soldaten extrem unbeliebt. Der Maskenrand presst auf die Gesichtshaut, der Maskenfilter erschwert die Atmung, so daß jedes Ein- und Ausatmen zur Anstrengung werden kann. Die Gläser schränken die Sicht ein, was die Orientierung im Gelände genauso behindert, wie das Schießen mit dem Gewehr. Während des Tragens der Maske kann nicht gegessen werden, Flüssigkeit kann nur durch eine spezielle Schlauchöffnung aufgesaugt werden. Die Probleme nehmen noch zu, hat man zusätzlich noch den ABC-Abwehranzug übergestreift. Wer dann zur Toilette muß, muß sich in die Hosen machen. Anschließend kann er dann mit dem eigenen Urin in den Stiefeln stundenlang herumlaufen, bis irgendwann Entwarnung gegeben wird. Gemäß der Lageeinschätzung ordnet der Führungsstab für die Truppen einen unterschiedlichen ABC-Schutz-Standard an, der als Mission Oriented Protective Posture (MOPP) bezeichnet wird. Wird die höchste Stufe MOPP 4 befohlen, haben die Soldaten nach Möglichkeit ABC-Vollschutz zu tragen, also BDO und SCALP. Je umfassender der ABC-Schutz, desto schwerer fällt es den Soldaten, sich im Gelände fortzubewegen um Krieg zu führen. Nach Angaben der Heeresdienstvorschrift Field Manual 3-7 NBC Field Handbook ist ein Soldat bei ABC-Vollschutz nur noch für fünf Minuten pro Stunde voll belastbar, die maximale "Arbeitszeit" pro Tag soll – in Abhängigkeit von der Außentemperatur – zwischen 21 und 32 Minuten betragen. Leichtere "Arbeiten" bei der Kriegführung können weiterhin bis zu einer Dauer von maximal 155 Minuten pro Tag ausgeübt werden. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-7/toc.htm)

Die Geigerzähler IM93UD und der neuere DT236/PD dienen zur Messung von Gammastrahlen. Beide Geräte sehen aus wie Füllfederhalter und passen in jede Westentasche. Sie gehören zur persönlichen Ausstattung des einzelnen Soldaten, damit jeder Soldat genau festgestellen kann, welche Strahlendosis er abbekommen hat und welche Überlebensfrist ihm noch bleibt. Um chemische Kampfstoffe festzustellen, ist jeder Soldat mit dem Indikatorpapier M8 oder M9 ausgerüstet, daß sich bei Kontakt mit Haut- oder Nervenkampfstoffen verfärbt. Allerdings heißt es im Field Manual 3-4 NBC Protection, daß mit dem M9-Papier nur das Vorhandensein irgendeines chemischen Kampfstoffes nachgewiesen werden kann, eine genauere Identifizierung ist damit nicht möglich. (www.blackvault.com/documents/fm/fm34/toc.pdf) Wenn mit einem Angriff mit Nervengas gerechnet wird, kann der Truppenführer seine Soldaten anweisen, schon vor einer Vergiftung präventiv Medikamente einzunehmen. Dazu führt jeder Soldat 21 NAPP-Pillen (Nerve Agent Pretreatment Pyrodostigmine) mit sich. Alle 8 Stunden muß eine Tablette eingenommen werden. Sollte es bei einem Angriff trotz ABC-Maske und Schutzanzug zu einer Vergiftung kommen, muß sofort ein Gegenmittel gespritzt werden. Dies kann nur der betroffene Soldat selbst tun. Dazu trägt er im Kriegsfall einen Spritzenapparat (Nerve Agent Antidote Kit – NAAK) mit einer Lösung aus 2 mg Atropinsulfat und PAM-2 (Pralidoxime Chloride) mit sich, dessen Nadel er durch die Bekleidung – intramuskulär - in den Oberschenkel reinhaut. Erst nach zehn bis fünfzehn Minuten beginnt das Gegenmittel zu wirken. Ist dies nicht der Fall, müßte man sich eine zweite Dosis verabreichen, wenn man dazu noch in der Lage ist. Durch Sanitätspersonal kann dann zusätzlich noch 2 Milliliter Diazepam verabreicht werden, dieses trägt der Soldat im Kriegsfall ebenfalls als "Convulsant Antidote for Nerve Agents" (CANA) bei sich. Gemäß Field Manual 8-235 Treatment of Chemical Agent Casualities and Conventional Military Injuries) sollen die Sanitäter bei der Ersten Hilfe nicht ihr "eigenes" Set benutzen, da sie sonst bei Eigenbedarf ihr Gegenmittel schon verbraucht hätten. (www.nbc-med.org/SiteContent/MedRef/OnlineRef/FieldManuals/fm8_285/toc.htm)

In seiner ABC-Tasche trägt der Soldat außerdem noch Dekontaminierungspulver und Abtupfer M258A1 und M291. Damit kann der Soldat kleinere Kampfstoffspritzer von seiner Haut entfernen, sofern er diese entdeckt. Dazu wird das Reinigungsmaterial mit einer neutralisierenden Emulsion getränkt. Allerdings darf dieses Dekontaminationsset nicht einer Temperatur über 43 Grad Celsius ausgesetzt werden, was seinen Gebrauch in Wüstengebieten einschränkt.

 

Die ABC-Abwehrtruppe der US-Streitkräfte

Die ABC-Abwehrtruppe ist der US Army zugeordnet. Zur Ausrüstung gehören der M1097 Humvee, der Mannschaftstransportpanzer M113A2 und der Spürpanzer Fox. Noch während des Golfkrieges 1991 wurden die US-Streitkräfte mit 96 ABC-Aufklärungspanzer M93/M93A1 Fox Nuclear-Biological-Chemical Reconnaissance System (NBCRS) ausgerüstet. Der Fox ist die amerikanische Variante des deutschen Spürpanzers TPz-1 A6 Fuchs ABC. Die Besatzung des Spürpanzers besteht aus vier Mann: Kommandant, Fahrer und zwei ABC-Abwehr-Operateure. Zur Strahlenmessung ist der amerikanische Spürpanzer mit den "Geigerzählern" ASG1 und AN/VDR2 ausgestattet. Ein Massenspektrometer MM1 kann bis zu 960 chemische Substanzen erkennen. Außerdem hat der Fox das SensorsystemM8A1; die verbesserte Version A1 ist mit dem Sensorsystem M21 RSCAAL und der Computeranlage Multipurpose Integrated Chemical Agent Alarm (MICAD) ausgerüstet. Die Besatzung des Fox kann nur eine Kontamination feststellen und den betroffenen Geländestreifen durch Warnwimpel markieren, zu einer Dekontamination kann sie nichts beitragen. In diesem Sinne ist der Spürpanzer bloß ein "Fähnchenpanzer". Die Markierungen bieten den nachrückenden Soldaten nur einen ersten Anhalt für Gefahrenzonen, da diese bei einer Änderung der Windrichtung ihre Ausdehnung verändern können.

Auch der M113A2 wird von den ABC-Abwehreinheiten eingesetzt. Der Humvee (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle – HMMWV) ist der Nachfolger des Jeeps. Seine Variante M1059 wird als Fernmelde- oder ABC-Aufklärungsfahrzeug verwendet. Es ist zwar mit einem Container (S788) ausgestattet, aber die Fahrzeuginsassen müssen während der gesamten Einsatzfahrt ihre ABC-Schutzanzüge tragen.

An der Spitze der operativen ABC-Abwehrbehörden der US Army steht der Army Service Component Command Chemical Officer. Er leitet sämtliche ABC-Abwehrmaßnahmen auf einem Kriegsschauplatz. Er ist für die Einschätzung der ABC-Lage verantwortlich. Außerdem unterstützt er gegebenenfalls den Einsatz atomarer Waffen durch das eigene Oberkommandos. Jedem Korps ist eine Chemische Brigade zugeteilt, die ist in eine ABC-Aufklärungkompanie, eine B-Waffen-Aufklärungskompanie und mindestens sechs Dekontaminationskompanien gegliedert, die – je nach Lage - zur Entstrahlung, Entseuchung bzw. Entgiftung eingesetzt werden. Nach Angaben des Field Manual 3-101 Chemical Staffs and Units umfaßt eine solche Kompanie 156 Soldaten, 38 Lkws und 31 Humvees. Dazu kommen 58 Anhänger, 10 Tanks, 6 große und 28 kleine Pumpen, 2 Generatoren, 20 Funkgeräte, 21 chemische Sensorsysteme (M8A1), 8 Entgiftungsanlagen (M12A1) und 26 Maschinengewehre. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-101/Appa.htm)

Nach dem Field Manual 3-100 Chemical Operations Principles and Fundamentals sind den Panzer-, Panzergrenadier- und Fallschirmjägerdivisionen eine weitere ABC-Abwehrkompanie mit 167 Soldaten unterstellt, die aus einem Aufklärungs- und vier Entgiftungszügen besteht. Nur rund 1 Prozent aller US-Soldaten besitzt also eine halbwegs qualifizierte ABC-Ausbildung. Die Einheit ist mit 43 Lkws und 7 Humvees ausgestattet. Infanteriedivisionen haben keine ABC-Abwehrkompanie! Den Panzeraufklärungsregimentern ist jeweils eine Chemische Kompanie mit 73 Soldaten, 7 Lkws und 4 Humvees unterstellt. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-100/Ch.7.htm)

 

Erkennung und Lokalisierung des Einsatzes von ABC-Waffen

Um radioaktive Strahlung feststellen zu können, sind die US-Streitkräfte mit einem ganzen Spektrum verschiedener Sensoren ausgerüstet. Mit den größeren Systemen AN/PDR-75 und –77 kann man Alpha-, Beta- und Gammastrahlung messen. Das AN/PDR27 und das modernere AN/VDR-2 Radiac Set dienen zur Erfassung von Beta- und Gamma-Strahlen. Der Aufdeckung von biologischen Kampfstoffen dient das M31/M31A1 Biological Integrated Detection System (BIDS), das in einem mobilen Container untergebracht ist. Jede B-Waffen-Aufklärungskompanie verfügt über insgesamt 35 Systeme. Ein einzelner Kampfstoff kann innerhalb von 15 Minuten identifiziert werden, um vier verschiedene Agentien gleichzeitig bestimmen zu können, werden fast 45 Minuten benötigt. Seit 1999 läuft ein Verbesserungprogramm PPPI mit dem Ziel, innerhalb von 10 Minuten acht Agentien identifizieren zu können.

Beim Einsatz von chemischen Kampfstoffen wird der Improved Chemical Agent Monitor (ICAM) zur Messung eingesetzt, der ähnlich aussieht wie eine kleine Maschinenpistole. Die elektrischen M21 und M22 Remote-Sensing Chemical Agent Alarm Systeme werden im Gelände oder innerhalb von Militäranlagen aufgestellt. Sie können das Auftreten Haut- und Nervengas automatisch feststellen und per Sirene Alarm auslösen. Sind die Dedektoren in einer Entfernung von 150 m aufgestellt, bleibt den Soldaten bei einer Windgeschwindigkeit von 10 km/h eine Vorwarnzeit von 54 Sekunden, um alle notwendigen Schutzvorkehrungen zu treffen. Der Joint Service Lightweight Standoff Chemical Agent Detector (JSLSCAD) wird in Jeeps (Humvee), Spürpanzer (Fox), Hubschrauber (CH-53) oder Flugzeuge (C-130) eingebaut und sucht die Umgebungsluft mit Infrarotstrahlen nach Kampfgaspartikeln ab.

Field Manual 3-7 NBC Field Handbook bestimmt, daß die Beobachtungen bei einem gegnerischen Angriff mit Massenvernichtungsmitteln in einem NBC 1 Observers’s Initial Report niedergeschrieben und als Blitzmeldung an die übergeordneten Befehlsstellen weitergeleitet werden. Die Meldung enthält möglichst viele Angaben in Stichworten: Ort und Zeitpunkt des Angriffs, Art des verwendeten Kampfmittels, Windgeschwindigkeit und – Richtung, Beschreibung des Terrains und der Vegetation am Angriffsort, Dauer der Kampfstoffeinwirkung, Umfang der Kontamination usw. Der Kommandostab verarbeitet die eingehenden Meldungen und gibt seinerseits eine Warnmeldung über kontaminierte Gebiete heraus: NBC 3 Warning of Predicted Contamination Report. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-7/toc.htm)

Ausgehend von der Fläche eines Zielgebietes, der Art und der Menge des eingesetzten Waffensystems, sowie diversen Umweltfaktoren (Temperatur, Windgeschwindigkeit – und Richtung) kann man mittels einschlägiger Tabellen die Zahl der Opfer mathematisch genau vorherbestimmen. Um die durch verschiedene Sensorsysteme empfangenen Daten möglichst schnell zu sammeln und auszuwerten, besitzt die US Army zwei verschiedene Datenverarbeitungssysteme, die die Informationen vollautomatisch verarbeiten und gegebenenfalls Alarm auslösen. Das Multipurpose Integrated Chemical Agent Alarm (MICAD) ist mit den Sensoren AN/VDR-2 und M22 verbunden und erstellt auf grund der eingehenden Daten selbstständig ABC-Warnmeldungen, die über die Kommunikationssysteme FBCB2 oder Joint Warning and Reporting Network (JWARN) weitergeleitet werden.

 

Dekontamination von Menschen und Material

Durch eine Dekontamination kann ein Soldat nur äußerlich von radioaktiven, biologischen oder chemischen Kampfmitteln befreit werden. Alle bereits in den Körper aufgenommen krankmachenden Substanzen können damit nicht beseitigt werden. Diese werden entweder "auf natürlichem Wege" ausgeschieden oder im Körper eingelagert, was zu Krankheit und Tod führt. Trotz dieser Einschränkung ist es für jeden Soldat überlebenswichtig, daß ihm im Falle einer Kontamination möglichst schnell geholfen wird, anderfalls würde die "Kampfmoral" der eigenen Truppe schnell zusammenbrechen. Zur Dekontamination werden verschiedene chemische Substanzen wie z. B. DS2, HTH (High-Test Bleach) oder STB (Super Tropical Bleach) eingesetzt. Mit dem M12A1 PDDA (Power-Driven Decontamination Apparatus) können 24 Soldaten gleichzeitig abgespritzt werden, das M17 LDS (Lightweigth Decon System) ist eine Dekontaminationsdusche für 12 Soldaten. Während des Reinigungsprozesses muß der Soldat sukzessive seine gesamte Kleidung mit Ausnahme der ABC-Maske ablegen. Erst wenn seine äußerliche Entgiftung festgestellt wurde, darf er die Maske abnehmen.

Mit dem Entgiftungsgerät M11, das wie ein Feuerlöscher aussieht, kann eine Fläche von maximal 12,5 qm gereinigt werden. Das M13-Gerät, ein Flüssigkeitsbehälter mit einem Schrubber, enthält 14 Liter DS2 und dient zur Entgiftung von Infanteriewaffen und kleineren Maschinen. Neu ist das XM100 Sorbent Decontamination System (SDS), ein Behälter mit Entgiftungspulver auf der Basis von Aluminiumoxid. Umfangreichere Dekontaminationsmaßnahmen auf Truppenentgiftungsplätzen sind nur mit einem immensen Wasserverbrauch möglich, was in Wüstengebieten nur mit einer entsprechenden Logistik gewährleistet werden kann. Zur Entgiftung eines einzelnen Panzers werden bis zu 800 Liter Wasser und maximal 57 Liter des Dekontaminationsmittels DS2 benötigt, wie es im Field Manual 3-7 NBC Field Handbook heißt. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-7/toc.htm) Anschließend muß die "Sauberkeit" des Panzers festgestellt werden, was schwierig ist, da Bremsflüssigkeit, Kerosin oder verbranntes Gras die Anzeige eines CAM-Detektors verfälschen können. Entsprechend aufwendiger wäre die Dekontamination einer Kaserne, eines Militärflugplatzes oder einer ganzen Stadt. Für den Zivilbereich gilt die militärische ABC-Abwehr, trotz all ihrer Unzulänglichkeiten, als "Vorbild", da im zivilen Katastrophenschutz die Technikausstattung noch schlechter ist.

 

Medizinische Behandlung der Opfer

Wie der Name sagt, fordert der Einsatz von "Massenvernichtungsmitteln" zahllose Opfer. Das Field Manual 90-3 Desert Operations weist darauf hin, daß für die ABC-Kriegführung in Wüstengebieten besondere Bedingungen gelten. Die hohe Verlustquote liegt zum Teil an dem Destruktionspotential der Waffen selbst, zum Teil am Fehlen einer effizienten medizinischer Hilfe. Das Überleben eines Opfers hängt entscheidend von Grad seiner Verletzung ab. Bei einem Atomwaffeneinsatz können nur die äußeren Verletzungen (Verbrennungen, Schnittwunden) behandelt werden, für die sogenannte "Strahlenkrankheit" selbst gibt es keine Therapie. In Gallaghers Combat Leader’s Field Guide heißt es lapidar: "Die ersten Symptome der Strahlenkrankheit treten in der Regel ein bis sechs Stunden nach der Verstahlung auf. Zu diesen Symptomen gehören Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Es gibt keine Erste Hilfsmaßnahmen für den Fall, daß sie verstrahlt wurden. Die einzige Möglichkeit besteht darin, es sich bei Auftreten der ersten Symptome so bequem wie möglich zu machen. Wenn die Strahlungsdosis nur gering war, werden die Symptome wahrscheinlich verschwinden und nicht wiederkehren. Wenn die Symptome erneut auftreten, gehen sie zu einer Hilfsstation."

Bei virologischen Waffen gibt es die Möglichkeit eines vorbeugenden Impfschutzes; so wird gegen Pockeninfektion das Serum Elstree-BN vom deutsch-dänischen Pharmaunternehmen Bavarian Nordic eingesetzt. Gegen bakteriologische Erreger können erst im Falle einer Erkrankung nach der Inkubationszeit Antibiotika verabreicht werden. Beispielsweise wird bei einer Verseuchung durch Milzbranderreger das Medikament Ciprobay (Ciprofloxacin Hydrochlorid) von Bayer verabreicht. Zu seinen Nebenwirkungen zählen Darmentzündungen, Allergien, Halluzinationen und Depressionen. Das Handbook on Medical Aspects of NBC Defensive Operations der NATO weist darauf hin, daß schon die Anamnese eines Verseuchungsfalles schwierig ist, weil unterschiedliche Erreger zum gleichen Krankheitsbild führen. Grippeartige Symptome werden durch eine Vielzahl von Erregern ausgelöst: Grippe, Brucellose, Dengue, Milzbrand, Q-Fieber oder Rift-Fieber. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/8-9/1toc.htm) In der Folge können Patienten zu spät oder falsch behandelt werden. Bei chemischen Waffen bietet eine möglichst umfassende ABC-Abwehrausrüstung einen gewissen Schutz, die allerdings nur einem Bruchteil der Soldaten zur Verfügung steht. Im Rahmen der Ersten Hilfe ist Atropin ein effektives Mittel, das aber nicht von allen Personen vertragen wird. Für Opfer von ABC-Angriffen steht ohnehin nur eine begrenzte Zahl von Betten in militärischen Spezialkliniken bereit, wie dem Walter Reed Army Hospital in Washington oder dem US Army Center for Health Promotions and Preventive Medicine – Europe (CHPPM-EUR) in Landstuhl (BRD).

Es gibt kein absolutes, sondern nur ein statistisches Maß für die biologische Gefährlichkeit von ABC-Waffen. Der individuelle Gefährdungsgrad hängt u.a. vom Alter, dem Körpergewicht und dem "Allgemeinbefinden" ab. Die Lethale Dosis 50 (LD50) gibt an, bei welchem Strahlenpegel oder welcher Kampfstoffkonzentration die Hälfte der Betroffenen stirbt und die andere Hälfte überlebt. Um im Kriegsfall möglichst schnell möglichst genau Bescheid zu wissen, haben die Militärs schon im Voraus genau ausgerechnet, unter welchen Umständen mit wieviel Toten, Verletzten und Überlebenden zu rechnen ist. Einschlägige Dienstvorschriften wie das Field Manual 3-14 Nuclear, Biological, And Chemical Vulnerability Analysis quellen über von einschlägigen Formeln, Tabellen und Checklisten. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-14/default.htm) Nach dem Field Manual 3-4 NBC Protection gilt bei chemischen Angriffen ein Zielobjekt dann als "zerstört", wenn mit einer Zuverlässigkeit von 90 Prozent angegeben werden kann, daß mindestens 50 Prozent der dort anwesenden Soldaten getötet wurden. (www.globalsecurity.org/wmd/library/policy/army/fm/3-4/toc45.htm) Wieviele Opfer "akzeptabel" sind, ist kein Problem der Biologie, der Statistik oder der Tabellen, sondern eine Frage der Politik und die wird gegenwärtig von Herrn Bush bestimmt.