Nachwuchssorgen bei der Bundeswehr
Kaum Kohle, kaum Karriere
Otfried Nassauer
Die Bundeswehr hat ein Attraktivitäts- und deshalb auch ein
Nachwuchsproblem. Um eine Stärke von 185.000 Soldaten
aufrechtzuerhalten, müssen jährlich mindestens 13.000
Soldaten und Soldatinnen neu angeworben werden, derzeit sogar noch
mehr. Das wird immer schwieriger. Besonders bildungsfähige
Bewerber, die später in der Bundeswehr technisch anspruchsvolle
Systeme wie ein Sonar oder ein komplexes Führungssystem bedienen
sollen, sind schwer zu gewinnen. In Zeiten einer boomender Wirtschaft
wird die Konkurrenz um solche Arbeitskräfte immer schärfer
– vor allem weil nun deutlich kleinere Geburtsjahrgänge die
Schulen verlassen.
„Problem erkannt, heißt Problem gebannt“,
argumentiert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Für fünf Jahre soll jeweils eine dreistellige Millionensumme
in die Attraktivität der Bundeswehr investiert werden. Mit diesen
Geldern soll die Bundeswehr familienfreundlicher, Kasernen sollen
wohnlicher und einzelne Jobs finanziell attraktiver gemacht werden.
Soldaten sollen seltener umziehen müssen und bei
Auslandseinsätzen öfter mit zu Hause kommunizieren
dürfen. Doch wird das reichen, um die Attraktivitätsprobleme
zu lösen?
Um als Arbeitgeber attraktiver zu werden, muss die Bundeswehr ein
ganzes Bündel miteinander verquickter Probleme angehen. Derzeit
kann sie schlecht damit werben, dass sie eine Ausbildung an modernster
Technik ermöglicht. Jede Nachricht über den mangelhaften
Zustand der Bundeswehrtechnik oder über massive Probleme bei der
Beschaffung neuer Systeme wirkt eher abschreckend. Potenzielle Bewerber
ahnen, dass sie es mit Technik tun bekommen könnten, die
älter ist als sie selbst.
Besonders bildungsfähigen Bewerbern werden zudem in der
Industrie höhere Löhne und vor allem wesentlich bessere
Aufstiegschancen angeboten als bei der Bundeswehr. Deren Struktur
leidet noch immer daran, dass es zu viele Häuptlinge und zu wenige
Indianer gibt. Der Umbau der Alters- und Hierarchiepyramide
verläuft schleppend und wird erst in den letzten zwei Jahren
ernsthafter angegangen. Karriere machen in der Bundeswehr – das
braucht weiterhin Geduld und Zeit.
Das Betriebsklima, die Mitarbeiterführung und die
Binnenkommunikation einer Armee ergeben, verglichen mit einem modernen
mittelständischen Betrieb, für die Bundeswehr kein Plus.
Befehl und Gehorsam stehen moderner Mitarbeiterführung und damit
einer größeren Attraktivität oft im Weg, ebenso das
Selbstverständnis vieler altgedienter Ausbilder. Vor allem hier
wären erhebliche Änderungen nötig, um die Bundeswehr
attraktiver zu machen.
Und schließlich: „Wir. Dienen. Deutschland.“
Dieser auch in der Personalwerbung verwendete Slogan lässt offen,
mit welchem Ziel Soldaten Deutschland dienen. Die sicherheitspolitische
Zielsetzung und damit die Aufgabe der Bundeswehr bleibt offen. Eine
Klärung muss herbeigeführt werden, wenn die Bundeswehr als
Arbeitgeber wieder attraktiver werden soll.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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