Die neue europäische Waffenforschung
Erstmals will die EU-Kommission die gemeinsamen Forschungsetats für
militärische Projekt öffnen. Bisher wurden offiziell nur zivile Vorhaben gefördert.
Erster Vorschlag: Abwehrsystem gegen Raketen, um Anschläge auf Flugzeuge zu verhindern.
von Otfried Nassauer
Die Europäische Union will ab 2007 ein sicherheitspolitisches Forschungsprogramm
auflegen. Damit soll "die Trennung" zwischen der zivilen Sicherheitsforschung
und der militärischen Verteidigungsforschung "überwunden werden". Das ist die
Kernaussage einer Stellungnahme der EU-Kommission. Bislang darf die EU eigentlich gar kein
Geld für Rüstungsforschung ausgeben. Gefördert wird formal nur zivile Forschung.
Das Papier der Kommission trägt den Titel "Sicherheitsforschung - Die nächsten
Schritte". Es ist die Antwort der Kommission auf Forderungen, die eine hochrangige
Beratergruppe aus Politikern, Rüstungsindustriellen und EU-Kommissaren schon im März
erhoben hatte. Beide Gremien schlagen nun vor, dass ab 2007 zusätzliche Mittel für die
Sicherheitsforschung von zunächst einer Milliarden Euro pro Jahr bereitgestellt werden
sollen.
Wegen des bisherigen Ausschlusses militärischer Forschung muss für Vorhaben, die für
die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik von großer Bedeutung sind, erst
eine zivile Begründung gefunden werden. Das galt zum Beispiel auch für das
Satellitennavigationssystem Galileo. Seit 2003 wird aber auch offensiver versucht, die
Forschungsetats der EU für die "Sicherheitsforschung" zu öffnen. Angesichts
knapper nationaler Verteidigungshaushalte wirft die wehrtechnische Industrie schon lange
begehrliche Blicke auf den EU-Haushalt. Gemeinsam mit einer Gruppe von
Europaparlamentariern um Karl von Wogau, die so genannte Kangoroo-Group, drängt sie
darauf, die intergouvernementale europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus
dem Haushalt der EU-Kommission, also der vergemeinschafteten Politik, mitzufinanzieren.
Gemeinsam mit der neuen Europäischen Verteidigungsagentur, die helfen soll, die
nationalen Rüstungsforschungsprogramme aufeinander abzustimmen, soll dafür gesorgt
werden, dass die nationalen Vorhaben und die der EU einander möglichst ergänzen.
Mit einer "vorbereitenden Aktion" wurden für 2004 aus dem zivilen
Forschungsprogramm der EU erstmals 15 Millionen bereitgestellt und je 25 Millionen für
2005 und 2006 für sicherheitsrelevante Forschung, beispielsweise die Terrorismusabwehr,
eingeplant. Demnächst sollen die ersten Aufträge vergeben werden. EU-Sprecher Fabio
Fabbi will noch nicht sagen, an wen: "Die Verträge sind noch nicht
ausgehandelt." Erste Vorschläge aber sind bereits durchgesickert, so etwa ein
Abwehrsystem gegen tragbare Flugabwehrraketen für zivile Passagierflugzeuge.
Doch schon im Herbst diesen Jahres beginnt das Spiel um das ganz große Geld: Ein
"Beirat für die europäische Sicherheitsforschung" soll aus der Taufe gehoben
werden, in dem die künftigen Nutzer europäischer Sicherheitsforschung, Industrie und
Forschungseinrichtungen gemeinsam Vorschläge entwickeln sollen, mit wie viel Geld die EU
ab 2007 welche Militär- und Sicherheitstechnik erforschen lässt.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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