NATO-KONFERENZ: GRUNDKONFLIKT ZWISCHEN EU UND DEN USA Eine Frage der Souveränität Otfried Nassauer
Bei der EU ist es ein gewohntes Erscheinungsbild, nicht aber bei der Nato: dass bis zur letzten Sekunde gefeilscht wird. Die Außenminister-Tagung der Nato bot dieses Novum.Was war der Grund? Auf den ersten Blick scheint alles ganz einfach: Die Türkei blockierte den Konsens. Sie will nicht, dass die Europäische Union automatisch auf die Kapazitäten der Nato zugreifen kann, so wie es umgekehrt die Nato - auf amerikanischen Wunsch - im Hinblick auf die neuen Einsatztruppen der EU können soll. Ankara fürchtet, dass die EU künftig im Umfeld der Türkei militärisch eingreifen könnte, ohne dass die Türkei mitentscheidet. So weit liegt das Problem klar. Doch dahinter steckt mehr. Es geht darum, ob das militärische EU-Krisenmanagement wirklich autonom sein wird - oder ob es von der Zustimmung der Nato, also im Kern von den USA, abhängig bleiben wird. Vor zwei Wochen tagten die Nato-Verteidigungsminister. Ihr Abschlussdokument war verräterisch: Nato und EU respektieren gegenseitig die "Autonomie" der "Entscheidungsprozesse". Nur, was nützen autonome Entscheidungen, wenn sie nicht eigenständig umgesetzt werden können? Das ist die Crux. Eine EU, die autonom entscheiden, ihre Entscheidungen aber nicht autonom umsetzen kann, darf sich ihre Autonomie in die Haare schmieren. Mehr noch: Außenminister Fischer hat in einer Aufsehen erregenden Rede die Frage nach der "Finalität", dem Endziel der europäischen Integration aufgeworfen - Europa als langfristig einheitlicher Staat. Wer dies vertritt, muss (!) für das künftige völkerrechtliche "Subjekt Europa" die Frage der staatlichen Souveränität im Blick haben. Er kann Beschränkungen der Entscheidungshoheit nur auf Gegenseitigkeit zulassen - ob zwischen Nato und EU oder im Kern zwischen EU und den USA. Symptom dafür ist die Frage, die in Brüssel so umstritten war: Bekommt die EU das Recht, ihre Einsätze automatisch unter Rückgriff auf die Nato-Strukturen zu planen? Bekommt sie es nicht - das machte Joschka Fischer klar - muss sie sich eigene Strukturen schaffen. Bei dieser Kontroverse sind die Kontrahenten nicht diesseits und jenseits des Bosporus zu suchen, sondern diesseits und jenseits des Atlantiks. Insofern können die USA froh sein, dass die Türkei für sie den Streit führt.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
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