taz
15 März 2002

Rudis Resterampe

von Otfried Nassauer

Verteidigungsminister Scharping möchte Exportrichtlinien lax auslegen, um ausgemustertes Kriegsgerät in Länder der Dritte Welt verkaufen zu können. Er braucht das Geld zur Ausstattung seines Interventionsheeres.

Die Bundeswehr räumt ihre Lager. Mehr als 870 Leopard-1- und -2-Panzer, fast 600 Schützenpanzer, 250 Feld- und 178 Panzerhaubitzen, 150 Minenwerfer, 13 komplette Staffeln Flugabwehrraketen, Dutzende Phantom- und Tornado-Düsenjäger, Schnell- und U-Boote sowie 450.000 Gewehre und Pistolen - all das und vieles andere mehr wird nicht länger gebraucht.

Ganze 46 Seiten umfasst die Werbebroschüre, die das Verteidigungsministerium Ende letzten Jahres an 53 seiner Militärattachés in aller Welt verteilen wollte. Darunter Militärattachés in Ägypten, Oman und Nigeria, Länder, die von der Bundesrepublik nur bei Umgehung der bestehenden Rüstungsexportrichtlinien beliefert werden könnten. Das Auswärtige Amt befürchtete Proteste und hielt die Verkaufslisten zunächst zurück.

Mit der Initiative des Auswärtigen Amtes ist das Problem längst nicht gelöst. Denn unproblematische Käufer aus den EU- und Nato-Mitgliedsstaaten gibt es nur für das Tafelsilber wie die Leopard-Panzer, nicht aber für ältere Waffen und manch schweres Gerät aus dem Kalten Krieg. Dafür dürften sich allenfalls Abnehmer aus der Dritten Welt interessieren, die aufgrund der Rüstungsexportrichtlinien als Kunden eigentlich nicht in Frage kommen. Trotzdem kann das Verteidigungsministerium nicht auf sie verzichten, da es dringend Geld zur Finanzierung neuer Waffen braucht. Gleichzeitig wird das Tafelsilber zum Schnäppchenpreis angeboten: Während Polen seine Leopard-Panzer zu einem politischen Preis von knapp 25 Millionen Euro bekommt, kosten die Kampfflugzeuge vom Typ Mig 29 symbolisch einen Euro. Finnland erhält Leopard-2-Panzer für deutlich weniger als 100 Mio. Euro. Ein Referenzpreis, auf den sich andere Interessenten künftig berufen können. Die älteren Leopard 1 dürften deutlich billiger zu haben sein. Den lukrativen Verkaufsmöglichkeiten sind damit deutliche Grenzen gesetzt.

Vieles, was die Bundeswehr abgeben will, lässt sich nur schwer an den Mann bringen. Gepanzerte Kettenfahrzeuge vom Typ M 113 - weit mehr als 1.000 sondert die Bundeswehr derzeit aus - finden in der Nato oder EU keine Abnehmer mehr. Panzerabwehrhubschrauber vom Typ BO-105 kann die Bundeswehr kaum verkaufen, zumal wegen des amerikanischen Triebwerks Washington jedem Verkauf zustimmen müsste. Auch für Kampfpanzer vom Typ Leopard 1A5 oder Marder-Schützenpanzer dürfte es schwer werden, westliche Interessenten zu finden. Eifrig fahndet das Verteidigungsministerium deshalb nach Käufern in weniger entwickelten Ländern.

Der politische Druck wächst, die Rüstungsexportrichtlinien großzügig auszulegen. Denn die Bundeshaushaltsordnung sieht vor, dass der Bund sich von nicht länger benötigten Gütern auf dem kostengünstigsten Wege trennen muss. Dabei gilt: Verkaufen geht vor Verschenken. Verschenken geht vor Verschrotten, denn Verschrotten kostet Geld. Die Bundeshaushaltsordnung macht dabei keinen Unterschied zwischen gebrauchten Computern, Büromöbeln oder Waffensystemen. Auf die Idee, dass Kriegswaffen nicht zwangsweise allen anderen Gütern gleichgestellt sein müssen, ist die rot-grüne Bundesregierung bislang nicht gekommen. Und wäre sie es, so hätte Verteidigungsminister Scharping seine Selbstverteidigungskünste bei den Haushaltsverhandlungen unter Beweis gestellt. Rund eine halbe Milliarde Euro will das Verteidigungsministerium jährlich aus Rüstungsverkäufen einnehmen und dem Verteidigungshaushalt für die Modernisierung der Bundeswehr zuführen. "Rudi", so witzeln Berliner Kritiker, "braucht einfach seine Resterampe."

Otfried Nassauer ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).