TAZ
10. Juni 2008


Europa ist nicht so friedliebend

von Otfried Nassauer

George W. Bush hat das erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends geprägt wie kein anderer. Zumindest bei den bei den Rüstungsausgaben. Das geht aus den Zahlen des neuen SIPRI-Jahrbuches hervor. Von 1339 Milliarden US-Dollar, die weltweit 2007 für Rüstung ausgegeben wurden, entfielen 547 Milliarden oder 45% auf die USA. Seit 2001 stiegen Washingtons Militärausgaben inflationsbereinigt um 59% und erreichten damit den höchsten Stand seit dem Ende des zweiten Weltkrieges.

Wichtigste Ursache dafür sind aber nicht ambitionierte Rüstungsprogramme, wie z.B. die Raketenverteidigung, sondern die Kriege George W. Bushs. Der Einmarsch in den Irak und der "Weltkrieg" gegen den Terror fordern einen gewaltigen finanziellen Tribut. Washingtons wichtigster Verbündeter, Großbritannien, steht auch deshalb mit 59,7 Mrd. US-Dollar auf Platz zwei der SIPRI-Rangliste. Erst auf Platz 3 folgt China, vor Frankreich, Japan, Deutschland, Russland und Saudi-Arabien. Mit 6% weist Europa im 10-Jahresvergleich die geringste Steigerungsrate bei den Militärausgaben auf - trotz der Beteiligung vieler europäischer Staaten an Kriegen und Militäreinsätzen.

Bei den Rüstungsexporten korrigiert die 39.Ausgabe des Jahrbuches der Stockholmer Friedensforscher das Bild von den scheinbar friedliebenden Europäern. Gleich nach den Exportgroßmächten USA und Russland, die zusammen für 56% der weltweiten Exporte verantwortlich zeichnen, folgt in den Jahren 2003-07 Deutschland mit 10% noch vor Frankreich und Großbritannien.

Als wichtigste Empfänger der deutschen Rüstungexporte werden Griechenland, die Türkei, Südafrika und Australien genannt. Ihren vordern Platz verdankt die Bundesrepublik vor allem der Lieferung von Kriegsschiffen, Überschusswaffen der Bundeswehr und von Komponenten für Waffensysteme.

Schon jetzt ist dagegen klar, dass diese unrühmliche Platzierung in den Jahresberichten der Bundesregierung zum deutschen Rüstungsexport nicht aufscheinen wird. Denn SIPRI bietet auch eine kleine Rangliste auf der Basis von Eigenangeben. Hier fehlt Deutschland unter den wichtigsten fünf Exporteuren.

Ob gestiegene Rüstungsausgaben oder –exporte: Die Gretchenfrage wirft SIPRI-Direktor Bates Gill gleich zu Beginn des neuen Jahrbuchs auf. Änderung zum Besseren kommt nur in Sicht, wenn Rüstungskontrolle und Abrüstung wieder an Gewicht gewinnen. Während der nächsten US-Präsidentschaft. Gills Wort in Gottes Gehörgang.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS