TAZ
10. Januar 2009


Abrüsten jetzt!

Die Initative deutscher Politgranden verdient Respekt

von Otfried Nassauer

Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Richard von Weizsäcker und Egon Bahr haben sich gemeinsam zu Wort gemeldet. Vier Granden aus drei Parteien formulieren aus deutscher Sicht sicherheitspolitische Forderungen an Barack Obama. Für deutsche Verhältnisse ist ihr Schritt ungewöhnlich. Und ungewöhnlich ist auch, was sie sagen.

"Das Schlüsselwort unseres Jahrhunderts heißt Kooperation", so lautet der Kernsatz der Viererbande. Sie buchstabiert ihn mit großer Deutlichkeit. Eine konfrontative Politik gegenüber Russland, wie sie von der Regierung Bush und ihren europäischen Partnern praktiziert wurde, darf nicht sein. Also: "Kehrt marsch!" Der Vorschlag des russischen Präsidenten Medwedjew, eine neue europäische Sicherheitsarchitektur zu entwickeln, muss ernst genommen werden. Die Verträge über konventionelle Rüstungsbegrenzung in Europa müssen erhalten und weiterentwickelt werden. Der Aufbau von Raketenabwehrsystemen in Polen und Tschechien verbietet sich. Der Weltraum darf auch künftig nicht für militärische Zwecke genutzt werden. Die Vision einer atomwaffenfreien Welt muss gestärkt und schnell durch konkrete nukleare Abrüstungsschritte der USA und Russlands vorangetrieben werden. Denn nur wenn der Norden abrüstet, wird der Süden bereit sein, der Weiterverbreitung nuklearer Waffen einen Riegel vorzuschieben.

Deutschland kann dazu beitragen. Die Viererbande plädiert dafür, "die restlichen Atomsprengköpfe aus der Bundesrepublik Deutschland" abzuziehen. Sie hält einen Vertrag, der den Ersteinsatz nuklearer Waffen verbietet, für "wünschenswert". Schmidt und Genscher, zwei der Hauptverantwortlichen für die atomare "Nachrüstung" der 80er-Jahre, beweisen damit mehr Mut als manch aktueller Amtsträger. Weizsäcker widerspricht der Position seiner Partei, der CDU. Abgeliefert hat die Viererbande ein starkes Plädoyer für die Wiederbelebung von Rüstungskontrolle und Abrüstung als Gestaltungsmittel der Weltordnung. Alter schützt eben vor Weisheit nicht: Zusammen bringen es die Autoren auf 345 Jahre.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS