"Bombspotter" in Belgien
Ausflug ins US-Atomwaffenlager
von Otfried Nassauer
Belgische Aktivisten halten sich eine Stunde unbemerkt auf einer Luftwaffenbasis
auf, drehen darüber ein Video und laden es bei Youtube hoch. Eine
Blamage für die Nato.
Sechs belgischen "Bombspottern" ist es gelungen, unbemerkt
ins Allerheiligste der belgischen Luft-waffe vorzudringen: den Luftwaffenstützpunkt
Kleine Brogel. Dort lagern noch immer bis zu 20 atomare Bomben des Typs
B-61. Im Frieden werden sie von einer Spezialeinheit der US-Luftwaffe
(701. MUNSS) kontrolliert, und im Ernstfall sollen sie als Teil der nuklearen
Abschreckung der Nato von belgischen Jagdbombern des Typs F-16 eingesetzt
werden.
Die Friedensaktivisten filmten ihre Aktion und stellten sie auf auf Youtube
ins Internet. Eine Blamage für die belgische Luftwaffe und die Nato,
die immer wieder beteuert haben, die Atomwaffenlager in Europa seien absolut
sicher. Die gewaltfreien Aktivisten der Organisation Vredesactie überwanden
zunächst den äußeren Sicherheitszaun am südlichen
Rand des Fliegerhorstes, wanderten dann durch ein kleines Wäldchen
nach Norden, bis sie die Landbahn erreicht hatten. In der Erwartung, dort
- wie eine Vorgängergruppe im November 2009 - festgenommen zu werden,
schlenderten sie eine Weile durch den Schnee, bis sie einen offenen Durchgang
durch weitere Sicherheitszäune nördlich der Landebahn entdeckten.
Sie schlüpften hindurch und stießen auf die Rückseite
eines Flugzeugschutzbaus. In den Boden von elf solcher Schutzbauten sind
in Kleine Brogel sogenannte Atomwaffengrüfte eingebaut. Den Schutzbau
verzierten die sechs in aller Ruhe mit einem Klebeband, das ihren Protest
gegen die atomaren Waffen ausdrückte. Dann gingen sie über eine
betonierte Freifläche weiter nach Norden. Dort entdeckte sie ein
belgischer Soldat. Kurz drauf wurden sie festgesetzt. Die Videokamera
wurde ihnen abgenommen, der Datenspeicher mit den Filmaufnahmen blieb
jedoch unentdeckt. Etwa eine Stunde hatten die sechs unbeachtet auf dem
Atomwaffenstützpunkt zugebracht.
Das belgische Verteidigungsministerium bemühte sich, den Zwischenfall
herunterzuspielen: "Ich kann Ihnen versichern, dass diese Leute niemals
irgendwie in die Nähe sensibler Einrichtungen gelangt sind",
teilte Ingrid Baeck, die Sprecherin der Zeitung für die US-Streitkräfte
in Europa, Stars and Stripes, am Freitag mit. "Die reden Unsinn."
Der betreffende Flugzeugschutzbau sei ungenutzt gewesen.
Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Der belgische Kommandeur von
Kleine Brogel gab offen zu: "Unser Fliegerhorst hat 450 Hektar. Ein
Drittel ist bewaldet." Dort könne er sich drei Tage unentdeckt
aufhalten. Personalmangel zwinge dazu, sich auf die Bewachung der wichtigsten
Einrichtungen zu konzentrieren.
Bereits im Februar 2008 hatte eine interne Untersuchung der US-Luftwaffe
Sicherheitsmängel bei den US-Atomwaffenlagern in Europa aufgedeckt.
Hans Kristensen, ein leitender Mitarbeiter der Vereinigung amerikanischer
Wissenschaftler, machte sie öffentlich. Von löchrigen Zäunen,
schlechter Beleuchtung, sanierungsbedürftigen Gebäuden und unzureichend
ausgebildeten Wachsoldaten war die Rede. Schon damals hatten sich europäische
Regierungen bemüht, die Nuklearwaffenlager als bestens gesichert
und die Kritik als ungerechtfertigt darzustellen.
Selbst wenn das belgische Verteidigungsministerium zu Recht mitgeteilt
haben sollte, dass die Flugzeugschutzbauten, die die Bombspotter bei ihrem
Besuch erreichten, nicht mehr genutzt werden, hätte man den Friedensaktivisten
einen guten Tipp gegeben: Beim nächsten Besuch müssen sie auf
der Landebahn nach links abbiegen, um zu den aktiven Schutzbauten zu gelangen,
nicht nach rechts.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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