Otfried Nassauer Ein Schlag nach dem anderen und Al Qaida zeichnet für alles verantwortlich. Der internationale Terrorismus ist offenbar zurück. Während Präsident Bush der Bedrohung mit Entschiedenheit begegnet, scheint das Netzwerk um bin Laden seinem Ziel näher zu kommen. Erst Riad, dann Nassirijah und nun Istanbul. Innerhalb weniger Tage meldet sich das Terrornetzwerk Al Qaida, eine Chiffre für den radikalen, islamistischen Terrorismus, zurück. Mit Selbstmordattentaten und mit möglicherweise echten Bekennerschreiben. Neue Tonbandaufnahmen tauchen auf angeblich von Mullah Omar, dem Talibanführer, und Saddam Hussein, dem irakischen Diktator. Diese Ereignisse werfen ein Schlaglicht darauf, dass beide Kriege Washingtons in Asien ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl in eine kritische Phase eingetreten sind. Bush gibt sich unbeirrt. Vor der konservativen Heritage-Stiftung erklärte er vor wenigen Tagen: "Nach zwei Jahren des Krieges gegen den Terrorismus wird Amerikas Wille und Entschiedenheit getestet in Afghanistan und im Irak. Wir werden wieder standfest bleiben. Wir werden die begonnene Mission zu Ende bringen. Punktum." ("Punktum", wie Bushs Vorgänger Harry Truman angesichts der Berlin-Blockade. "Wir bleiben in Berlin, was immer auch kommen mag.") Präsident Bush erkennt an, dass die Lage kritisch ist. Seine Antwort: Entschiedenheit. "Unsere Koalitionskräfte befinden sich in der Offensive und sie werden in der Offensive bleiben." Doch ausgerechnet Bushs schärfster Haudegen, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, schien kürzlich von ersten Zweifeln befallen zu sein: "Gewinnen oder verlieren wir den weltweiten Krieg gegen den Terror?", fragte der Pentagon-Chef in einem Memorandum. "Die Kosten-Nutzen-Rechnung spricht gegen uns. Wir geben Milliarden aus, während die Terroristen nur Millionen aufwenden müssen." Rumsfeld spricht von einer gemischten Bilanz. Auch das könnte noch ein Euphemismus sein. Denn die ungewollten Nebenwirkungen der Kriege in Afghanistan und im Irak werden zunehmend offenbar: In beiden Ländern herrscht weiter eine kaum kontrollierbare Lage. Die Taliban haben wieder größere Teile Afghanistans unter ihre Herrschaft gebracht. Im Irak will der Widerstand gegen die Koalitionstruppen nicht zusammenbrechen. Oft scheint es sogar, als wachse er. Immer deutlicher wird zudem: Im Irak versammeln sich jene aus der arabischen und islamischen Welt, die schon immer einmal wissen wollten, ob man auch dem Goliath USA eine schmerzhafte Niederlage zufügen kann. Fast nebenbei entstehen neue Sanktuarien, in denen sich auch terroristische Strukturen bewegen können. Paul Bremer, der US-Zivilverwalter, sagte: "Wir befinden uns hier in einem Krieg gegen den Terrorismus und einem Konflikt niederer Intensität mit den Baathisten", den Anhängern Saddam Husseins.
Al-Qaida-Plan scheint aufzugehen In den Augen Osama bin Ladens oder anderer radikal-islamistischer Führer ergibt sich ein anders gewichtetes Bild. Sie können ihren Anhängern erste Erfolge vorweisen: Der Abzug der US-Truppen aus bin Ladens Heimat, Saudi Arabien, ist weitgehend beschlossene Sache. Das war erklärtermaßen das wichtigste Ziel. Das zweitwichtigste rückt scheinbar in erreichbare Nähe. Bin Laden will den Regierungswechsel in Saudi-Arabien. Das Königshaus soll abtreten, weil es nicht rechtgläubig genug ist. Eingezwängt zwischen einer radikal-islamischen Opposition und den Forderungen Washingtons, den Terrorismus endlich effizient zu bekämpfen, bleibt der saudischen Regierung nur die Verschärfung der Repression und damit die Stärkung der wahhabitisch geprägten Opposition im eigenen Land. Ein drittes Ziel scheinen bin Laden und seine Anhänger nunmehr auch für erreichbar zu halten: Die erfolgreiche Bekämpfung Israels und der Juden die Symbolik der Anschläge in Istanbul. Amerikas Neokonservative, die die Nah- und Mittelostpolitik der USA dominieren, haben die Regierung in eine Bushs Wiederwahl möglicherweise gefährdende Falle gelockt: Sie haben ihren Präsidenten glauben gemacht, der islamistische Terror sei eine Bedrohung, die mit vorrangig militärischen Mitteln ausgerottet werden könne. Sie haben übersehen, dass, schlägt ihr Krieg gegen den Terrorismus fehl, dieser selbst Ausgangspunkt und Nährboden für noch gefährlicheren Terror werden kann. Sie haben Bush überzeugt, angesichts schwacher internationaler Institutionen, notfalls einen amerikanischen Alleingang zu wagen. Sie haben übersehen, dass auch die UN und das Rote Kreuz zum Ziel terroristischer Angriffe werden und damit Washington nicht mehr entlasten können. Sie hatten die Absicht, in enger Zusammenarbeit mit dem von Premierminister Scharon geführten rechten Flügel des Likuds neue, für Israel günstigere Voraussetzungen für eine Lösung des Nahostkonflikts zu schaffen. Sie haben wahrscheinlich übersehen, dass eine politische Lösung des Nahostkonflikts wahrscheinlich die Voraussetzung und nicht das Ergebnis der erforderlichen Veränderungen für eine friedlichere Zukunft der Region ist.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
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