Washingtons Welt
Otfried Nassauer
Die USA wollen die internationalen Beziehungen neu regeln
ohne völkerrechtliche Absicherung
Infolge der Deregulierung der weltweiten Wirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik entsteht
eine neue Weltunordnung, Diese wird nicht nur von unten", von den Verlierern
der Globalisierung, versagenden Staaten und kleinen Kriegen gespeist, sondern immer
deutlicher auch von oben" initiiert. Unter George W. Bush schlagen die USA
einen Kurs der Deregulierung der internationalen Beziehungen ein. Washington sucht die
Handlungsfreiheit des Stärkeren zu vergrößern und einschränkende völkerrechtliche
oder multilaterale Regelungen aufzuweichen oder außer Kraft zu setzen. Beispiele gibt es
viele.
Erstes Beispiel: Wann ist Krieg ein legitimes Mittel? In der (noch) bestehenden
Weltordnung ist dies ziemlich klar geregelt. Ein Staat, der von einem anderen Staat
angegriffen wird, darf sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit der Mittel verteidigen.
Zu militärischen Mitteln darf man auch greifen, wenn die Vereinten Nationen (UN) einen
Angriff feststellen oder ein Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft
beschließen. Dies galt ursprünglich ausschließlich für Konflikte zwischen Staaten. In
der Praxis der neunziger Jahre wurden von Washington und den Nato-Staaten initiiert
auch militärische Eingriffe in innerstaatliche Konfliktlagen geduldet, so genannte
humanitäre Interventionen. Nach den Terrorangriffen des 11. September kam wiederum
unter Führung der USA die Bekämpfung des Terrorismus als Interventionsgrund
hinzu. George W. Bush hat darüber hinaus angekündigt, dass Washington sich militärische
Angriffe auf Staaten und nichtstaatliche Akteure vorbehält, die nach
Massenvernichtungswaffen streben oder solche besitzen.
Solche Angriffe könnten auch präemptiv erfolgen rechtzeitig bevor solche Waffen
zum Einsatz kommen können. Defensive Intervention" nennt Washington dies. Die
Zahl der Kriegsgründe steigt. Die Entscheidungsbefugnis darüber, wann ein Krieg
zulässig ist und wann nicht, verlagert sich mit jedem dieser Schritte mehr von New York
nach Washington, von der Internationalen Organisation UN zum Nationalstaat USA.
Verträge verlieren ihre Bedeutung
Beispiel Rüstungskontrolle. In weniger als zwei Jahren hat Washington weite Teile der
bilateralen und multilateralen Rüstungskontrolle in Frage gestellt. Vor drei Tagen lief
der ABM-Vertrag aus, der Raketenabwehr und Weltraumrüstung begrenzte. Der Start-2-Vertrag
ist ebenfalls irrelevant. Verhandlungen über die Verifikation des
B-Waffen-Verbotsabkommens wurden abgebrochen, Maßnahmen zur Eindämmung des illegalen
Kleinwaffenhandels unterbunden. Washington überlegt, seine Unterschrift unter den Vertrag
über ein Verbot atomarer Tests zurückzuziehen. Multilateralismus à la
carte", nannte dies Richard Haass, der Planungschef des US-Außenministeriums.
Schließlich ein letztes Beispiel: Multilateralismus à la carte könnte man auch das
nennen, was die Bündnispartner Washingtons am meisten sorgt der Umgang mit
Organisationen wie der Nato und internationalen Organisationen wie der UN. Washington
signalisiert mit seinem Verhalten und seinen Initiativen, dass es sie nicht wirklich
braucht oder gar nicht will. Die Europäer müssen sich jetzt dazu verhalten, müssen sich
orientieren, während die USA sagt: Ja, die Nato-Partner können mitmachen, nicht aber
mitentscheiden. Nein, der Internationale Strafgerichtshof für Kriegsverbrecher ist
überflüssig und muss bekämpft werden.
Unilateralismus nennen das viele Kritiker eine Deregulierung von oben, eine neue
Weltunordnung initiiert von oben, ist es allemal.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für
Transatlantische Sicherheit (BITS).
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