Europäische Sorgen Die Nato fürchtet, dass die USA Einflussmöglichkeiten und Mitspracherechte einschränken Ende Juni herrscht Unruhe im Brüsseler Nato-Hauptquartier. Lord Robertson, der Generalsekretär, hat Post aus dem Weißen Haus bekommen. US-Präsident Bush bittet, den Oberbefehlshaber des NatoOberkommandos Atlantik, SACLANT, ab Oktober 2002 von seinen Aufgaben zu entbinden, damit dieser sich ganz auf nationale Aufgaben konzentrieren kann. Eine Folge des neuen nationalen Unified Command Plans der Vereinigten Staaten. Es geht um mehr als eine Personalie. Mancher in Washington hält das Hauptquartier der Allianz in Norfolk für überflüssig. Schnell wird ein vorläufiger Kompromiss gezimmert. General Kernan gibt seine Nato-Funktion ab, sein Stellvertreter übernimmt die Tagesarbeit bis mit der geplanten neuen Nato-Kommandostruktur eine dauerhafte Lösung gefunden wird. Ein Nachfolger für General Kernan wird nicht ernannt. ACLANT, das Atlantik-Kommando der Nato, ist nicht irgendein Kommando, sondern eine der beiden höchsten Kommandobehörden der Allianz. ACLANT ist der militärische Brückenkopf der Nato auf dem amerikanischen Kontinent. Mithin: Es hätte gravierende Folgen für die Nato, wenn das Oberkommando aufgelöst oder in seiner Bedeutung herabgestuft würde. Das einzige große Nato-Hauptquartier in den USA ginge verloren. Die Zuständigkeit für die strategische Nuklearkomponente der Nato wäre neu zu regeln. Besorgte Fragen sind zu hören: Verabschiedet sich Washington aus der gemeinsamen Sicherung der Seewege über den Atlantik? Werden dort nationale Parallelstrukturen geschaffen, die auch ohne die Nato agieren können? Arbeitet Washington nur an einer besseren Heimatverteidigung oder strebt eine verteidigungspolitische Autarkie an? Mancher fürchtet gar, dass die Regierung Bush letztlich auf eine partielle Abkopplung von Europa abzielt, um lästige europäische Mitsprache- und Einflussmöglichkeiten über die Nato auszuschließen. Bis Juni 2003 soll die neue Kommandostruktur der Nato fertig sein. Der Nato-Gipfel im November soll erste Pflöcke einschlagen. Ein schier unmöglich erscheinendes Unterfangen. Denn der Gipfel soll auch über neue Mitglieder für das Bündnis entscheiden. Deren Ansprüche, künftig Teile der Nato-Kommando-Struktur zu beherbergen, stehen mit auf der langen Tagesordnung. Eine komplexe Aufgabe und eine komplizierte dazu. Zugleich müssen die Nato-Strukturen für die geplante Zusammenarbeit mit der EU angepasst werden. Noch komplizierter wird es jetzt durch die Vorgaben Washingtons mit seiner eigenen Kommandostruktur.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS).
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