Tagesspiegel.de
28. April 2009


Rüstungsexporte: Deutsche Verkaufsschlager

von Otfried Nassauer

Der deutsche Rüstungsexport boomt. Das meldete am Montag das Internationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm. Demnach sind die deutschen Waffenexporte in den Jahren 2004 bis 2008 im Vergleich zu 1999 bis 2003 um 70 Prozent gestiegen.

Nach den USA (31 Prozent) und Russland (25 Prozent) ist die Bundesrepublik mit einem Marktanteil von rund zehn Prozent der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt – vor Frankreich und Großbritannien. Die Steigerung fällt noch deutlicher ins Gewicht, weil das Rüstungsexportvolumen weltweit zugleich um 21 Prozent wuchs. Auf die fünf größten Exporteure entfallen so zusammen 78 Prozent aller Exporte.

Zwei Kategorien fallen bei den deutschen Waffenexporten besonders ins Gewicht: Dies sind zum einen Kriegsschiffe – vor allem U-Boote – und zum anderen gepanzerte Fahrzeuge, hauptsächlich Kampfpanzer. In beiden Bereichen gilt die wehrtechnische Industrie Deutschlands als besonders leistungsfähig. Unter Führung der Kieler Werft HDW erobert die deutsche Marineindustrie den Weltmarkt für nicht nuklear angetriebene U-Boote. Sie haben einen Brennstoffzellenantrieb und können deshalb besonders lange tauchen und auf See bleiben. Das neue deutsche Export-U- Boot der Klasse 214 kann nicht nur Torpedos, sondern auch Flugkörper verschießen und ist äußerst leise. Auch deshalb verkauft es sich blendend: Griechenland hat bereits vier Boote gekauft, Südkorea hat neun und Portugal zwei erworben. Auch die Türkei möchte gerne sechs der U-Boote kaufen. Pakistan hätte gerne drei. Weitere Länder zeigen Interesse, so zum Beispiel Indien. Außerdem baut HDW U-Boote für Israel. Drei Boote des Typs Dolphin wurden bereits ausgeliefert, zwei verbesserte mit Brennstoffzelle sind derzeit im Bau, ein weiteres würde Israel gerne noch beschaffen, wenn die Bundesregierung erneut zu großzügiger finanzieller Hilfe bereit wäre.

Da U-Boote sehr teuer sind, findet der Exporterfolg entsprechend starken Niederschlag in den Zahlen der Stockholmer Forscher. Sie machen zudem auf einen wenig beachteten Teil deutscher Marineexporte aufmerksam: Den Verkauf schwerer, langsam laufender Dieselmotoren für Kriegsschiffe und U-Boote. Die deutsche Firma MTU ist bei solchen Antrieben weltweit führend. Ihre Motoren stecken auch in den Kriegsschiffen vieler ausländischer Hersteller, die mit den deutschen Werften konkurrieren. „Made in Germany“ steht dann zwar nicht auf dem Waffensystem, aber im Inneren.

Bei den gepanzerten Fahrzeugen tragen derzeit vor allem drei Produkte dazu bei, dass Deutschland Europameister der Rüstungsexporteure ist: Zum einen wurden in den vergangenen Jahren leichte gepanzerte Fahrzeuge des Typs Dingo und schwere Panzerhaubitzen 2000 in etliche Länder Europas geliefert. Zum anderen verkauft nicht nur die deutsche Industrie schwere Kampfpanzer des Typs Leopard, sondern auch die Bundeswehr. Sie verkaufte in den vergangenen Jahren über Tausend überschüssige Leopard 1 und 2 Panzer ins Ausland. Die Stockholmer Forscher listen 140 Leopard 2 für Chile, 220 Leopard 1 für Brasilien, 150 Leopard 1 und 183 Leopard 2 für Griechenland, 66 – plus 30 zu Ersatzteilgewinnung – für Singapur und 298 Leopard 2 für die Türkei. In den Statistiken des Internationalen Friedensforschungsinstitutes in Stockholm (Sipri) werden solche Exporte mit einem Restwert bezogen auf die gesamte Lebensdauer der Waffen geführt. Die Bundesregierung dagegen kalkuliert ihren Wert im jährlichen Exportbericht nahe dem Schrottwert. Für alle Überschusswaffen aus Bundeswehrbeständen, die 2007 exportiert wurden, darunter allein 427 Leopardpanzer gab sie einen Gesamtwert von 33,8 Millionen Euro an.

Das große statistische Gewicht der gepanzerten Fahrzeuge und Kriegsschiffe erklärt auch, warum die deutschen Rüstungsexporte in andere europäische Länder besonders stark, nämlich um 123 Prozent gestiegen sind. Griechenland und die Türkei sind dabei die wichtigsten Abnehmer. Wie bereits in den 80 und 90er Jahren erweisen sich die Exporte aus Deutschland als Triebkraft, wenn nicht gar die Brennstoffzelle für den regionalen Rüstungswettlauf der beiden Nachbarn und Nato-Staaten.

Als wichtigsten Wachstumsmarkt machen die Stockholmer Forscher den Nahen und Mittleren Osten aus. Die Importe in die Länder dieser Region stiegen demnach in den vergangenen fünf Jahren um 38 Prozent. Israel, die Emirate und der Irak sind wichtige Importeure. Der Iran dagegen belegt unter den Importeuren wichtiger Großwaffen keinen Spitzenplatz. In den letzten fünf Jahren rangierte Teheran in der Sipri-Statistik auf Platz 27.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS