Rüstungsexportrekordmeister Deutschland
Das Wirtschaftsministerium legt den Bericht vor – für 2008. Noch
nie seit 13 Jahren wurden für so viel Geld Waffen ausgeführt
von Otfried Nassauer
Kurz vor Ostern war es so weit. Leise, weil mitten in den Parlamentsferien
hat das Wirtschaftsministerium den Jahresbericht der Bundesregierung über
deutsche Rüstungsexporte veröffentlicht. Er beschreibt die Genehmigungspraxis
für Rüstungsexporte im Jahr 2008. Nicht des Jahres 2009. Er
kommt um viele Monate zu spät und ist ein Beleg dafür, dass
die neue Bundesregierung es noch weniger eilig hat als ihre Vorgängerinnen,
ihre Genehmigungspraxis zeitnah offen zu legen.
Der Bericht hat es in sich. Vielleicht ging das Wirtschaftministerium
auch deshalb so lange auf Tauchstation und verzichtete auf eine ausführliche
Presseinformation, die größere Wellen hätte schlagen können.
Mit fast 5,8 Milliarden Euro hat die Bundesregierung im Jahr 2008 Exporte
von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern erlaubt, die um
rund 2,1 Milliarden Euro über dem Wert des Vorjahres lagen, eine
Steigerung um 57,6 Prozent. Dies ist mit großem Abstand der höchste
Wert in den letzten 13 Jahren, wahrscheinlich sogar in der Geschichte
der Bundesrepublik. Der Anstieg erklärt sich durch den gestiegenen
Wert der Exportgenehmigungen für Kriegswaffen um etwa das Sechsfache:
Von 464 Millionen Euro im Jahr 2007 stieg dieser auf 2,62 Milliarden im
Jahr 2008. Genehmigungen im Wert von mehr als zwei Milliarden Euro wurden
für Exporte in Drittländer erteilt, also in Staaten, die weder
der Nato oder der EU angehören noch diesen gleichgestellt sind.
Der Export von Kriegswaffen – noch immer die einzigen Rüstungsgüter,
von denen die Bundesregierung Daten zum Wert tatsächlich erfolgter
Exporte veröffentlicht – sank erwartungsgemäß leicht von
1,5 Milliarden auf 1,4 Milliarden Euro. Viele Genehmigungen aus dem Jahr
2008 wurden offenbar erst 2009 für tatsächliche Ausfuhren genutzt.
Zurück ging 2008 auch der Betrag für genehmigte Sammelausfuhren.
Sie werden vor allem genutzt, wenn mehrere Nato- oder EU-Staaten gemeinsam
Waffensysteme produzieren. Hier wurden nach 5,1 Milliarden Euro im Jahr
2007, die aus neuen Großvorhaben resultierten, Exporte für
2,54 Milliarden genehmigt. Kriegschiffe, gepanzerte Fahrzeuge, militärische
Elektronik und Munition machten 2008 wertmäßig den größten
Teil der Genehmigungen aus. Wichtigste Empfängerländer waren
Südkorea, die USA, Großbritannien, Singapur, Italien und die
Niederlande.
Zu den genehmigten Exporten gehören auch 2008 wieder viele problematische
Geschäfte. Nach Saudi-Arabien ging Herstellungsausrüstung für
Gewehre im Wert von rund 55 Millionen Euro, wahrscheinlich für das
Heckler-&-Koch-Gewehr G-36. Pakistan erhielt Genehmigungen für
93 Millonen Euro, Thailand für einen U-Boot-Simulator – das Land
plant anscheinend den Aufbau einer U-Boot- Flotte. Das Himalaya-Königreich
Bhutan durfte Gewehre mit Kriegswaffeneigenschaft importieren, die wohl
erprobt werden sollen. Israel erhielt Reizstoffe und technische Unterlagen
für eine rückstoßfreie Schulterwaffe.
Auffällig ist zudem, dass der Export von Überschussmaterial
durch die Bundeswehr offenbar erneut primär zur Steigerung des Umsatzes
der Rüstungsindustrie genutzt wurde und nur sekundär für
Einnahmen des Bundeshaushalts: Aus Bundeswehrbeständen wurden 2008
beispielsweise 195 gebrauchte Kampfpanzer Leopard 2, zehn leichte Artillerieraketenwerfer
und ein Flugabwehrraketensystem exportiert. Alle Exporte zusammen spülten
nur 135,1 Millionen Euro in den Bundeshaushalt. Davon entfielen allein
124 Millionen auf das Patriot-System für Korea. Für die 195
Panzer kann so nur wenig mehr erlöst worden sein als der Schrottwert.
Mit ihnen machte die Industrie dagegen gute Geschäfte: Allein für
Singapur, das 2008 26 Leopard 2 erhielt, wurde im gleichen Jahr der Export
von Panzern und gepanzerten Fahrzeuge im Gegenwert von 306 Millionen Euro
genehmigt.
Ergänzender Kommentar: Die Informationspolitik
der Bundesregierung ähnelt einem ebenso begehrten wie teuren Waffensystem,
das immer wieder gerne in Deutschland bestellt wird. Unter Minister Rainer
Brüderle funktioniert es scheinbar wie ein U-Boot. Ohne Vorankündigung
feuert es aus den Tiefen des Beamtenmeeres einen schweren Torpedo ab.
Er soll sein überraschend treffen und sein Ziel wenn möglich
versenken. Auf diese programmiert wurde der Torpedo schon in der Koalitionsvereinbarung
zwischen CDU/CSU und FDP: Es ist die angeblich zu restriktive Genehmigungspraxis
für deutsche Rüstungsexporte.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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