Eine Frage der Zählweise
Kaum Abrüstung – Das neue START-Abkommen
von Otfried Nassauer
Barack Obama und Dmitri Medwedew können sich auf die Schultern
klopfen. Nach einem Jahr harter Verhandlungen haben die USA und Russland
endlich ein neues Abrüstungsabkommen über strategische Atomwaffen
ausgehandelt: Den Neuen START-Vertrag. Am 8. April soll er von beiden
Präsidenten feierlich in Prag unterzeichnet werden. Trotz erheblicher
Verzögerungen – ein Erfolg.
Künftig – so die neue Vereinbarung – dürfen Russland und die
USA jeweils noch bis zu 1.550 nukleare Sprengköpfe und bis zu 700
strategische Trägersysteme einsatzbereit halten. Trägersysteme
sind Interkontinentalraketen, U-Boot-gestützte Langstreckenraketen
und Langstreckenbomber. Ingesamt sind beiden Staaten jeweils bis zu 800
Trägersysteme erlaubt, weil U-Boote, Raketen und Bomber ja auch regelmäßig
zur Wartung müssen und deshalb nicht immer einsatzbereit sind. Wer
also 700 aktive Träger hat, darf bis zu 100 weitere besitzen. Wer
weniger als 700 aktive Träger stationiert, entsprechend mehr. Für
die nuklearen Sprengköpfe, die beide Seiten als Reserve vorhalten,
wurde scheinbar keine solche Grenze vereinbart. Innerhalb der Obergrenzen
dürfen beide Staaten frei über die Zusammensetzung ihrer Nuklearstreitkräfte
entscheiden. Sieben Jahre nach Inkrafttreten des neuen Vertrages müssen
die neuen Grenzen eingehalten werden. Zehn Jahre soll er gültig bleiben.
Eine Verlängerung um fünf weitere ist möglich. Sobald der
„Neue START-Vertrag“ ratifiziert ist, entfällt der Moskauer SORT-Vertrag
aus dem Jahr 2002, der den Bestand aktiver Sprengköpfe auf beiden
Seiten auf 1.700 – 2.200 begrenzt hatte.
Das Weiße Haus und der Kreml preisen den erreichten Abrüstungsfortschritt:
Bei den Trägersystemen sei im Vergleich zum START-1-Abkommen aus
dem Jahr 1991 eine Reduzierung um mehr als die Hälfte vereinbart
worden. Bei den atomaren Sprengköpfen werde es eine Reduzierung um
30% gegenüber dem SORT-Vertrag und um 74% im Vergleich zu den Obergrenzen
des START-I-Vertrages geben.
Die Darstellung der Reduzierungen klingt imposant und das soll sie auch.
Washington und Moskau haben ein starkes Interesse daran, rechtzeitig vor
Beginn der Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag
am 3. Mai 2010 ihre Bereitschaft zur nuklearen Abrüstung zu demonstrieren.
Dieser völkerrechtlich verbindliche Vertrag verpflichtet die Nuklearwaffenstaaten
seit 40 Jahren, ihr Atomwaffenpotential abzuschaffen. Die nicht-nuklearen
Mitglieder des Vertrages wollen Fortschritte sehen und können damit
drohen, schärfere Nichtverbreitungsregeln nur dann zu akzeptieren,
wenn es auch ausreichende Fortschritte bei der Abrüstung gibt.
Fragt man jedoch, wie viele Atomwaffen in den kommenden Jahren aufgrund
des neuen Vertrages tatsächlich abgerüstet werden müssen,
so überrascht das Ergebnis. Sowohl die Zahl der Trägersysteme
als auch die der Sprengköpfe wird nur scheinbar drastisch reduziert.
Die bisherige Obergrenze von 1.600 Trägersystemen stammt aus dem
Jahr 1991 und wird schon lange von beiden Vertragsstaaten deutlich unterschritten.
Auch die Zahl der Sprengköpfe muss nicht drastisch reduziert werden,
weil sowohl die USA als auch Russland sich bereits heute bei der Zahl
der aktiv stationierten Sprengköpfe in der Nähe der erlaubten
Höchstgrenze aus dem SORT-Vertrag (2.200 Sprengköpfe) bewegen,
die erst Ende 2012 erreicht werden muss.
Abrüstung auf dem Papier
Der neue START-Vertrag verpflichtet zum großen Teil zur Abrüstung
von Trägersystemen, die es nicht mehr gibt. Zahlen belegen das: Dem
jüngsten Datenaustausch nach dem START-1-Abkommen zufolge verfügten
die USA 2009 über 1.198 Trägersysteme und Russland über
814. Beide Zahlen liegen deutlich unter der erlaubten Obergrenze von 1.600
Trägern und spiegeln doch nicht die Realität, da hier noch viele
Waffen noch mitgezählt werden, die bereits außer Dienst gestellt
wurden, aber noch nicht gemäß der Vorschriften des START-Vertrages
vernichtet wurden oder keine nuklearen Aufgaben mehr erfüllen. Realitätsnäher
sind deshalb aktuelle Schätzungen von Experten des Natural Ressources
Defense Councils und der Federation of American Scientists. Diese gehen
davon aus, dass die USA 2009 noch über rund 851 anrechenbare und
798 aktive Trägersysteme verfügten, während Russland derzeit
noch 566 aktive Träger stationiert hat. Washington muss also nur
auf wenige Trägersysteme ganz verzichten und rund Hundert weitere
aus dem aktiven Dienst herausnehmen. Moskau dürfte theoretisch sogar
zusätzliche Trägersysteme anschaffen, also aufrüsten, wenn
der „Neue START-Vertrag in Kraft tritt.
Auch bei den Sprengköpfen ergibt sich ein im Detail erstaunliches
Bild. Auf den aktiven Trägersystemen hatten die USA 2009 nach Schätzung
von Experten rund 2.200 aktive Sprengköpfe stationiert und hielten
etwa 150 weitere in Reserve. Russland verfügt über etwa 2.500
–2.600 aktive Sprengköpfe. Bei den Sprengköpfen käme es
also auf den ersten Blick zu etwas deutlicheren Reduzierungen: Washington
müsste auf mindestens 650 aktive Sprengköpfe verzichten, Moskau
auf mindestens 950.
Doch der Schein trügt. Der deutliche Abrüstungsschritt ist
zu großen Teilen Ergebnis eines Zahlentricks. Er findet nicht wirklich
statt. Ein entscheidendes Detail des Neuen START-Vertrages macht das deutlich.
Strategische Bomber werden in dem neuen Vertrag grundsätzlich als
eine einzige Nuklearwaffe gezählt, im alten START-Vertrag zählten
sie dagegen als zehn Waffen, wenn sie Marschflugkörper tragen konnten
und nur dann als eine Waffe, wenn sie nur atomare Bomben tragen sollten.
Der Moskauer SORT-Vertrag enthält zu dieser Frage keine Neuregelung.
Das verändert das Gesamtbild erheblich. Am Beispiel der USA: Washington
besaß 2009 - nach START-Zählweise - insgesamt 94 Bomber vom
Typ B-52H, die formal gezählte 940 atomare Marschflugkörper
trugen. Nach den neuen START-Zählregeln werden die selben 94 Bomber
künftig als 94 atomare Waffen gezählt. Rechnerisch und theoretisch
verschwinden so 846 Atomwaffen, ohne dass eine einzige tatsächlich
außer Dienst gestellt werden müsste. Auch für die russischen
Bomber kann eine ähnliche Rechnung aufgestellt werden. 75 Bomber
zählten bislang als 750 Waffen. Im Vergleich zu START-1 gibt es künftig
675 statistisch abgerüstete Sprengköpfe weniger.
Würde man – so kalkulierte Hans Kristensen von der Federation of
American Scientists – die heutigen aktiven Sprengkopfzahlen nach dem neuen
Zählmodus berechnen, so besäßen die USA derzeit „nur noch“
1.650 aktive Sprengköpfe, und Russland nur noch 1.741. Beide Zahlen
liegen deutlich näher an den 1.550 künftig erlaubten aktiven
Sprengköpfen. Der „Abrüstungsbedarf“ durch den neuen Vertrag
würde sich rechnerisch auf 100 Sprengköpfe in den USA und rund
190 in Russland reduzieren.
Doch damit nicht genug: Die neue Zählweise hat auch Folgen für
die Zahl der künftig vorhandenen aktiven Sprengköpfe: Zählt
jeder Bomber nur als ein Sprengkopf, so können beide Vertragspartner
auch künftig weit mehr aktive Atomwaffen besitzen als die vereinbarten
1.550 aktiven Sprengköpfe. Sie müssten lediglich möglichst
viele aktive Waffen für jeden Bomber vorsehen. Wieviele Waffen pro
Bomber vorgesehen werden, können sie selbst entscheiden. Rein theoretisch
könnte dies zu sehr großen Zahlen führen. Denn schon die
alte START-Zählweise war bei den Bombern für Marschflugkörper
eher großzügig. Die strategischen Bomber Russland tragen je
nach Modell 6 (Tu-95MS6), 12 (Tu 160) oder 16 atomare Marschflugkörper
(Tu 95MS16). Die Bomber der USA können bis zu 20 atomare Waffen tragen.
Bliebe in beiden Ländern die Zahl der als Nuklearträger geltenden
Bomber unverändert und wäre für jeden Bomber nur eine volle
Beladung eingeplant, so wäre es beiden Vertragsparteien möglich,
Hunderte zusätzlicher Sprengköpfe aktiv zu halten, die nicht
auf die Obergrenzen des Neuen START-Abkommens angerechnet werden. Es darf
zwar als unwahrscheinlich gelten, dass beide Vertragspartner von dieser
Möglichkeit so umfassend wie möglich Gebrauch machen. Denn die
USA haben insgesamt nur noch 500-550 Nuklearwaffen für ihre Bomberflotte
im aktiven Bestand und müssten zu diesem Zweck bereits ausgemusterte
Waffen reaktivieren. Die Reaktivierung außer Dienst gestellter Waffen
in Krisenzeiten und der Neubau von Marschflugkörpern oder Bomben
für diesen Zweck wäre aber kein Verstoß gegen den neuen
Vertrages. Sollte der neue Vertrag zudem keine „Zwischenobergrenze“ für
die Zahl der Waffen auf Bombern und auch keine Beschreibung enthalten
wie viele Sprengköpfe die Langstreckenraketen tragen dürfen,
so besteht zudem die Gefahr, dass Sprengköpfe zwischen den einzelnen
Trägersystemen „verschoben“ werden könnten.
Der Zahlentrick ermöglicht es beiden Vertragsparteien also, faktisch
deutlich mehr als 1.550 aktive Sprengköpfe zu behalten, ohne die
zwischen ihnen vertraglich vereinbarte Grenze zu überschreiten. Potentiale
in der Größenordnung des SORT-Vertrages wären problemlos
möglich. Damit aber würde der Sinn des Neuen START-Vertrages
als Abrüstungsvertrag verfehlt.
Washington schiebt die Verantwortung für dieses Problem nach Moskau
ab. Russland habe es abgelehnt, seine Nuklearwaffendepots auf den Flugplätzen
der Bomber für Inspektionen zu öffnen. Zugleich profitieren
aber die USA von der entstehenden Flexibilität weit mehr als Russland.
Ihnen wird eine substantielle Möglichkeit zur erneuten Krisen-Verstärkung
ihres aktiven Nuklearpotentials aus Reserven, die sogenannte „Upload-Fähigkeit“,
zugestanden. Allerdings könnte künftig auch Moskau profitieren,
wenn es zB. darauf spekulieren würde, eine neue Generation atomar
bestückter Langstreckenmarschflugkörper in großer Stückzahl
einzuführen, um sie in Teilen als vergleichsweise billigen „Ersatz“
für nicht mehr finanzierbare Langstreckenraketen zu nutzen.
Verifikationsvereinfachung – ein zweischneidiges Schwert
Obwohl beide Vertragspartner die vereinbarten Transparenz- und Verifikationsmaßnahmen
einhellig als gelungene Mischung aus Altbewährtem und sinnvolllen
Vereinfachungen loben, könnten in deren Details noch Probleme verborgen
sein, die erst im Einzelnen sichtbar werden, wenn die Vereinbarungen im
Wortlaut publiziert werden. Anlass zu vorsichtiger Skepsis sind Aussagen,
dass das Verifikationssystem vereinfacht und die damit verbundenen Kosten
deutlich gesenkt werden konnten, sowie Meldungen, dass sich Russland mit
Forderungen nach einem Verzicht auf bestimmte Verifikationsmaßnahmen
durchsetzen konnte.
Neuer START-Vertrag und Neue Abschreckung
Der neue START-Vertrag umgeht zudem zwei Kernprobleme. Das ist zum einen
das Problem der umstrittenen Raketenabwehr. Moskau befürchtet, dass
diese die russische Abschreckungsfähigkeit künftig infrage stellen
kann. Washington dagegen will für diesen Bereich keinerlei Beschränkungen
für seine Rüstungsplanung akzeptieren. Die enge Verbindung beider
Themen begleitet die Geschichte der strategischen Rüstungskontrolle
von Anbeginn an. Der ABM-Vertrag zwischen Washington und Moskau, der beiden
Staaten landesweite Raketenabwehrsysteme verbot, wurde parallel zum SALT-1-Abkommen
ausgehandelt und unterzeichnet, das die offensiven Potentiale beider Länder
ersten Beschränkungen unterwarf. Der Neue START-Vertrag schränkt
nach Angaben den US-Regierung die Möglichkeiten der USA, ihre Raketenabwehr
auszubauen, in keiner Weise ein. In Moskau klingt das etwas anders. Der
neue Vertrag wahre die Interessen beider Seiten und regele auch die strittige
Frage der Raketenabwehr rechtlich verbindlich. „Wir stimmen überein,
dass wir nicht übereinstimmen“, so lautet die Botschaft hinter diesen
unterschiedlichen Aussagen. Sie impliziert, dass die Raketenabwehr-Thematik
möglicherweise in der Präambel des neuen START-Vertrages erwähnt
wird und beide Seiten anlässlich der Unterzeichnung des Vertrages
politische Erklärungen zu diesem Thema abgeben werden, aus denen
ihre Sicht der Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennbar werden. Vermutlich
wird von beiden Seiten anerkannt, dass die Raketenabwehrsysteme nicht
genutzt werden sollen, um die strategische Stabilität zu gefährden.
Russland dürfte dabei aber auch deutlich machen, dass es weiter eine
enge Verbindung sieht und sich eine Kündigung des Neuen START-Vertrages
vorbehält, wenn es die Fähigkeiten und den Umfang der Raketenabwehrsysteme
der USA und deren Verbündeter als Gefährdung seiner Abschreckungsfähigkeit
betrachtet. Washington kann dies trotzdem als uneingeschränkte Freiheit
zum Aufbau von Raketenabwehrsystemen interpretieren, weil man zugleich
argumentieren kann, die Raketenabwehr gefährde die Abschreckung nicht,
sondern stärke sie.
Auch das zweite Kernproblem resultiert aus dem unter US-Präsident
George W. Bush veränderten Verständnis der künftigen Abschreckung.
Zu den Fähigkeiten, die die Abschreckung der Zukunft gewährleisten,
gehören neben Nuklearwaffen und Raketenabwehr konventionell bewaffnete
Langstreckenraketen, mit denen weltweit Ziele binnen kürzester Zeit
– auch präventiv - ausgeschaltet werden können. Dafür stehen
die Bezeichnungen Global Strikes und Prompt Global Strikes. Washington
möchte zu diesem Zweck die Freiheit haben, ehemalige Nuklearwaffenträger,
zum Beispiel Interkontinentalraketen, seegestützte Langstreckenraketen
oder weitere Bomber auf konventionelle Bewaffnung umzurüsten. Entsprechende
Entwicklungsvorhaben sind bereits im US-Haushalt eingestellt und in Arbeit.
Dieses Vorhaben Washingtons war der wesentliche Hintergrund dafür,
dass Washington die zulässige Zahl der strategischen Trägersysteme
im neuen START-Vertrag mit 1.100 Trägern möglichst hoch ansetzen
wollte, während Moskau den Spielraum für strategische Trägersysteme
möglichst stark einschränken wollte und 500 Träger vorschlug.
Aus russischer Sicht können auch solche Waffen die Stabilität
gefährden, weil moderne zielgenaue konventionelle Langstreckenraketen
auch nukleare Interkontinentalsysteme ausschalten können und solche
Waffen bei einem Angriff kaum von nuklearen Langstreckenwaffen gleichen
Typs unterschieden werden können. Auch für diesen Problembereich
behauptet Washington, der neue START-Vertrag lege den USA keine Fesseln
an. Die vereinbarten Obergrenzen des neuen START-Vertrages erlauben den
USA jedenfalls auch zahlenmäßig einen substantiellen Einstieg
in den Bereich konventionell bewaffneter Langstreckensysteme. Moskau hat
sich zu dieser Frage noch nicht detailliert geäußert. Es hat
allerdings angedeutet, dass der Vertrag einige Regelungen enthalten soll,
die sich auf ehemals nukleare und künftig konventionelle Langstreckenwaffen
beziehen. Im Detail kann dies erst beurteilt werden, wenn der Vertragstext
im Wortlaut vorliegt. Die Chance, tiefere Einschnitte bei den Trägerrsystemen
zu vereinbaren, wurde jedenfalls verpasst oder mutwillig vergeben.
„New START“ und US-Innenpolitik
Beide zuletzt genannten Probleme spiegeln zugleich ein politisches Grundproblem
der Vertragsverhandlungen, die Zwänge amerikanischer Innenpolitik.
Da keineswegs sicher war, ob der amerikanische Senat den ausgehandelten
Vertrag auch ratifizieren würde, verhandelte die Regierung Obama
von Anbeginn an mit „angezogener Handbremse“, also beschränkter Zielsetzung.
Die Ratifizierung bedarf im Senat einer Zweidrittelmehrheit, über
die die Demokraten nicht verfügen. Mindestens 8 oder 9 republikanische
Senatoren müssen zusätzlich gewonnen werden. Deshalb kamen Vorschläge,
über deutlichere Reduzierungen, zum Beispiel auf 1.000 Nuklearwaffen,
zu verhandeln, gar nicht zum Zuge. Im Gegenteil: Forderungen und Bedingungen
der republikanischen Opposition wurden bereits zum Bestandteil der US-Verhandlungsposition.
Vergleichsweise kleine Abrüstungsschritte, keine tiefen Einschnitte
in die Struktur der traditionellen nuklearen Triade und der Verzicht auf
Beschränkungen bei Raketenabwehr sowie für konventionelle Langstreckenwaffen
gehörten ebenso dazu, wie das Angebot, mehr Haushaltsmittel für
die Lebensdauererhaltung der nuklearen Waffen und der zugehörigen
Infrastruktur bereitzustellen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser „vorauseilende
Gehorsam“ sich auszahlt. US-Außenministerin Hillary Clinton erwartet
jedenfalls unter Verweis auf die großen Mehrheiten, mit denen frühere
Abkommen zur strategischen Rüstungskontrolle ratifiziert wurden,
rasche Fortschritte und hält eine Ratifizierung mit großer
Mehrheit für möglich. Sie setzt dabei auf die Unterstützung
durch den republikanischen Senatoren wie Richard Lugar im Auswärtigen
Ausschuss des Senates. Lugar trat über viele Jahre engagiert für
Schritte ein, das nukleare Erbe des Kalten Krieges kooperativ mit Russland
zu bearbeiten. Die republikanische Opposition könnte jedoch auch
versuchen, den Preis für die Ratifizierung des Abkommens weiter in
die Höhe zu treiben und auf günstigere Mehrheitsverhältnisse
dafür nach den Wahlen im November zu warten. Sie argumentiert schon
heute, dass man nicht mit einem Abrüstungsvertrag belohnen dürfe,
dass Russland aus finanziellen Gründen auf jeden Fall weiter abrüsten
muss. Die Finanzierung bestehender Pläne zur Modernisierung von zwei
US-Nuklearwaffentypen, darunter der Atombomben des Typs B-61, die auch
in Europa gelagert werden, dürften ganz oben auf ihrer Agenda für
ergänzenden Zugeständnisse seitens der Administration stehen.
Der neue START-Vertrag ist trotzdem ein Erfolg. Vor allem deshalb, weil
es nach vielen Jahren überhaupt erstmals wieder gelang, einen rechtlich
verbindlichen Abrüstungsvertrag auszuhandeln, der – trotz Widerständen
– auch ratifiziert werden könnte. Das ist ein positives Signal. Ob
es jedoch ausreicht, um bei der Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages
Enttäuschung oder gar harte Kritik zu vermeiden, bleibt abzuwarten.
Noch ist das Kleingedruckte nicht nachlesbar.
Nachdenkenswert
In etwa 300 Städten der Erde leben jeweils mehr als eine Million
Einwohner. Der neue START-Vertrag erlaubt jeder Vertragspartei auch in
Zukunft mindestens fünf Nuklearwaffen pro Millionenstadt – einschließlich
der Städte im eigenen Land.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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