Atom-U-Boote: Langsam, leise, unberechenbar
von Otfried Nassauer
Atom-U-Boote sollen sich nicht aufspüren lassen – das erklärt
möglicherweise die Kollision im Atlantik. Ein französisches
und ein britisches U-Boot mit radioaktiven Sprengköpfen sind vor
kurzem zusammengestoßen.
Sich verstecken und unentdeckt bleiben – so lautet der Auftrag für
Atom-U- Boote, die strategische Atomraketen tragen. Für diese Aufgabe
werden sie gebaut und technisch optimiert. In Krise und Krieg sollen sie
so lange unentdeckt bleiben, bis sie ihre tödliche Fracht, Langstreckenraketen
mit atomaren Mehrfachsprengköpfen, abschießen. Zu gut versteckt
haben sich Anfang Februar das französische Atom-U-Boot „Le Triomphant“
und die britische „HMS Vanguard“. So gut, dass beide Schiffe sich bis
zuletzt nicht bemerkten und im Nordatlantik kollidierten. Beschädigt
kehrten sie in ihre Heimathäfen zurück. Die „Vanguard“ mit deutlich
sichtbaren Schrammen und Beulen, die „Le Triomphant“ mit einer beschädigten
Sonarabdeckung. Nun wird der Schaden analysiert und über die Ursachen
des Unfalls diskutiert.
Beide U-Boote waren auf einer routinemäßigen Abschreckungsmission,
so ließen die Verteidigungsministerien in London und Paris verlauten.
Frankreich und Großbritannien verfahren dabei ähnlich. Von
vier insgesamt verfügbaren U-Booten schicken sie nur je eines auf
„Station“, also auf Patrouille im Operationsgebiet. Dieses U-Boot ist
mit konventionellen Waffen und 16 Langstreckenraketen mit atomaren Mehrfachsprengköpfen
bewaffnet, also voll einsatzfähig. Als bevorzugtes Operationsgebiet
dienen Bereiche des Atlantiks, in denen sich U-Boote aufgrund der ozeanografischen
Bedingungen besonders gut verstecken können und zugleich günstige
Abschusspositionen für ihre Atomraketen vorfinden. Meeresgebiete,
auf die beides zutrifft, werden besonders häufig frequentiert. Nicht
nur von Briten und Franzosen, sondern auch von Amerikanern und Russen.
Im Operationsgebiet machen die U-Boote sich so unsichtbar wie möglich.
Sie reduzieren ihre „Emissionen“, um weder von anderen Schiffen, noch
von Hubschraubern oder Flugzeugen entdeckt zu werden. Sie fahren äußerst
langsam, um wenig Lärm und Wärme zu verursachen. Sie kommunizieren
nur, wenn unbedingt nötig. Sie schalten ihre aktiven Sensoren ab,
weil sie den Standort des U-Bootes verraten könnten. Ihr aktives
Sonar, eine Schallquelle, bleibt dann ausgeschaltet. Mit dem passiven
Sonar, dass die Schallquellen der Umgebung mit hochsensiblen Mikrofonen
auffängt und analysiert, belauschen sie dagegen ihre Umgebung, um
andere Schiffe zu entdecken. Selbst die Eigengeräusche des U-Boots,
die als Störfaktor wirken könnten, werden parallel überwacht.
Welche Meeresgebiete für eine Abschreckungsmission gerade genutzt
werden, gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen aller
Nuklearmächte. Kein Land will riskieren, dass der Standort seines
wichtigsten Abschreckungsmittels im entscheidenden Moment bekannt wird.
Länder wie Großbritannien, die USA, Norwegen oder die Niederlande
haben sich zwar innerhalb der Nato bestimmte Operationsgebiete reserviert
und erwarten, dass andere Mitgliedstaaten des Militärbündnisses
sich anmelden, wenn sie ein U-Boot dort hinschicken. Eine bindende Verpflichtung
dazu gibt es aber nicht. Schon gar nicht für Frankreich, dass den
Militärstrukturen der Nato nicht angehört und auch künftig
geheim halten will, wo sich seine U-Boote befinden. „Frankreich gibt keinerlei
Informationen hinsichtlich des Standorts seiner Nuklearwaffen oder der
U-Boote, die sie transportieren, weil Frankreich sein nukleares Arsenal
als wichtigstes Element seiner Verteidigungsfähigkeit betrachtet“,
erklärt Jérome Erulin, Sprecher der französischen Marine.
Und von der Nato heißt es: „Frankreich verfährt im Blick auf
seine U-Boot-Flotte genauso wie alle anderen Nationen.“
Was auf den ersten Blick kaum möglich scheint – die Kollision zweier
U-Boote in den Weiten und Tiefen des Atlantiks – ist deshalb keineswegs
unmöglich. Moderne U-Boote verursachen so geringe Emissionen, dass
sie sich unter idealen Bedingungen gegenseitig „übersehen“ können.
Sind die Schiffe nuklear getrieben und bewaffnet, zeigt sich, dass die
nukleare Abschreckung auf See selbst im Frieden einen hohen Preis haben
kann – auch unter Freunden.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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