Bundeswehr-Pistolen auf dem Schwarzmarkt
von Otfried Nassauer
In Afghanistan werden Waffen für mehr als 1000 Dollar auf
dem Schwarzmarkt gehandelt – den Behörden fehlt offenbar der Überblick.
Kabul, 24. Januar 2006: Im Beisein von Botschafter Rainald Steck übergibt
die Bundeswehr in Kabul eine Spende zum Wiederaufbau der afghanischen
Sicherheitskräfte. Zehntausend überschüssige 9mm-Pistolen
des Typs Walther P1 sollen dazu beitragen, dass Armee, Polizei und Kräfte
des Innenministeriums ihre Aufgabe wirksam erfüllen können.
Die Ende 2005 gelieferten Waffen werden in einem von US-Truppen geführten
Depot in Kabul eingelagert und zu gleichen Teilen an Armee und Innenministerium
verteilt. Drei Jahre später – so ergaben Recherchen des Hörfunksenders
NDR-Info – können die Bundeswehr-Pistolen auf dem Schwarzmarkt erworben
werden.
Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung blieb vage. Man habe
2005 Einzelgenehmigungen zum Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern
nach Afghanistan im Wert von 5,6 Millionen Euro erteilt, 27,8 Prozent
davon seien für Handfeuerwaffen gewesen. Dass sich hinter diesen
Zahlen auch 10 000 Bundeswehr-Pistolen des Typs Walther P1 verbergen,
konnte man nur aus amerikanischen Quellen erfahren. Am 13. Februar 2006
berichtete „Freedom Watch“, ein Blatt der US-Streitkräfte in Afghanistan,
über eine kleine Feier in Kabul anlässlich der Übergabe
dieser Waffen in die zwischenzeitliche Obhut der amerikanischen Truppen.
Dreieinhalb Jahre später haben die deutschen Pistolen den Schwarzmarkt
erreicht. Hunderte – so fanden Redakteure von NDR-Info heraus – sollen
zu Preisen von teilweise mehr als 1000 Dollar gehandelt werden. Sie seien
ein Prestigeobjekt. Eine neuwertige Waffe aus ehemaligen Bundeswehr-Beständen
sei in Kabul für 1600 Dollar angeboten worden, dokumentierten sie.
Als Verkäufer seien Händler und ehemalige Angehörige der
afghanischen Sicherheitskräfte aufgetreten, unter anderem ein Ex-Polizist,
der seine Dienstwaffe angeboten habe.
Nach UN-Angaben desertieren oder scheiden jedes Jahr zwischen 20 und
25 Prozent des Personals aus den afghanischen Sicherheitskräften
aus, oft unter Mitnahme ihrer Waffen. Motiv ist nicht zuletzt die schlechte
und unzuverlässige Bezahlung. Bereits zu Beginn des Jahres veröffentlichte
der amerikanische Bundesrechnungshof eine umfängliche Studie, die
aufzeigte, dass US-Militärs den Verbleib von vielen Waffen für
die afghanischen Sicherheitskräfte nicht mehr nachvollziehen konnten.
Erwähnt wurde, dass 10 000 Pistolen der Bundeswehr eingegangen waren.
Aber auf Nachfrage des NDR räumten die zuständigen US-Militärs
ein, dass es über den Verbleib der Bundeswehr-Waffen nur bei knapp
der Hälfte Aufzeichnungen gebe. Bei 4568 Pistolen wisse man, wer
sie habe, beim Rest wisse man es nicht.
Die Bundeswehr erklärte sich für unzuständig: Mit der
afghanischen Seite sei ein Abkommen geschlossen worden, in dem diese sich
„zur ausschließlichen Endverwendung der Pistolen durch die afghanischen
Sicherheitskräfte verpflichtet. Eine Weitergabe an Dritte darf demnach
nur mit schriftlicher Zustimmung der Bundesregierung erfolgen“, erklärte
ein Ministeriumssprecher.
Winfried Nachtwei, bisheriger verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen,
kritisiert die Bundesregierung. Sie hätte sich nicht auf die afghanische
Endverbleibserklärung verlassen dürfen. „Es ist eine grob fahrlässige
Vorgehensweise“, sagt er.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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