Von der Reform zur Transformation
von Otfried Nassauer
Verteidigungsminister Peter Struck hat seine Pläne für eine
Transformation der deutschen Streitkräfte vorgelegt. Der neue Begriff
ist auch Programm: Der Umbau der Bundeswehr wird als kontinuierlicher
Prozess definiert, als permanente Reform. Ein Schritt, der die Möglichkeit
zu weiteren Veränderungen beinhaltet, sobald diese unumgänglich
werden.
Die Aufgaben - vor allem im Ausland
Die Vorgaben, die Struck und sein Generalinspekteur, Wolfgang Schneiderhan,
mit den Kernelementen für eine neue Konzeption der Bundeswehr vorlegen,
sind ebenso klar: Die Bundeswehr wird konsequent auf ihre neuen Aufgaben
ausgerichtet und die liegen im Wesentlichen im Ausland: Bei multinationalen
Einsätzen der Nato, der EU und der UNO. Bei Konfliktverhütung,
Krisenbewältigung und Terrorismusbekämpfung sowie zur Unterstützung
von Bündnispartnern. Die Landesverteidigung tritt in den Hintergrund.
Dreiteilung der Kräfte
Das erfordert einen weitreichenden Umbau der Bundeswehr. Nicht auf die
Masse, sondern auf die Klasse kommt es künftig an, auf die Wirksamkeit
angesichts der neuen Aufgaben. 35.000 Soldaten sollen zu jeder Zeit den
deutschen Beitrag zu Nato-, EU- und UNO-Einsätzen mit Kriegscharakter
sicherstellen. 70.000 bilden die Stabilisierungskräfte, also das
Potential mit dem längere friedenserhaltende und friedensschaffende
Maßnahmen durchgeführt werden. 137.500 Soldaten und 75.000
zivile Mitarbeiter sind Unterstützungskräfte in der Heimat und
sichern den Grundbetrieb.
Gefordert, so Struck, ist der Blick für die Fähigkeiten der
Bundeswehr als Ganzes. Konsequenterweise müssen die Teilstreitkräfte
Federn lassen, allen voran das bis zuletzt widerstrebende Heer. Die Streitkräftebasis
das teilstreitkraftübergreifende Element der Bundeswehr - wird
gestärkt. Heer, Luftwaffe und Marine dagegen verlieren an Einfluss.
Neue Aufgaben - neue Ausrüstung
Umgebaut wird auch bei der Ausrüstung. Die Bundeswehr braucht neue
Fähigkeiten zu weltweiter Aufklärung, Kommunikation und Führung.
Sie braucht mehr Mobilität. Das klassische Nachfolgedenken der Teilstreitkräfte
nach dem Panzer Leopard 2 kommt der Panzer Leopard 3 muss aufgegeben
werden.
Manches Rüstungsvorhaben, das noch aus Zeiten des Kalten Krieges
stammte, musste auf den Prüfstand und danach auf den Müllhaufen
der Geschichte. Dafür fand Struck einen Anlass: In guter alter Tradition
pflegten alle Teilstreitkräfte ihre Rüstungsplanung als Wunschzettel
zu betreiben. Die logische Folge: Es war immer zu wenig Geld da und zuviel
Geld auch in der fernen Zukunft schon gebunden. Damit ist nunmehr Schluss.
Pläne für Haushalt und Rüstung müssen zusammenpassen
Geplant darf nur noch werden, was auch durch die Haushaltsplanung abgedeckt
ist. Schon deshalb werden jetzt Projekte im Wert von rund 26 Milliarden
Euro bis 2018 gestrichen. Für sie war nie Geld im Haushalt. Da jammert
zwar die Industrie, professionell wie sie ist, sie sei nicht ausreichend
konsultiert werden. Aber um mehr als den Abschied von lange gepflegten
Illusionen geht es eigentlich nicht.
Gespart wird auch bei den Standorten. Rund 100 weitere müssen wohl
schließen. Weniger Soldaten, weniger Material, weniger Standortbedarf.
Auch das ist logisch und dennoch auch von den mehr als 400 verbliebenen
Standorten wird die Bundeswehr nicht alle betriebswirtschaftlich sinnvoll
betreiben können.
Frei von Wermutstropfen ist auch der von Struck kredenzte Longdrink
nicht. Trotz vieler richtiger Reformschritte dürfte es schwer bleiben,
die Bundeswehr nach seinen Plänen zugleich zu transformieren und
angemessen zu modernisieren. Das liegt wie so oft am lieben Geld.
250.000 Soldaten kosten zuviel, um im Rahmen der gültigen Haushaltsplanung
genug Geld für die notwendige Modernisierung der Streitkräfte
freizusetzen. 40.000 bis 70.000 weitere Dienstposten hätten mindestens
abgebaut werden müssen.
Kein Schnitt beim Eurofighter
Auch gibt es noch so manche Ausgabe, die politisch und nicht durch den
militärischen Bedarf begründet ist. Den Mut, überdimensionierte
Beschaffungsvorhaben, wie den Eurofighter zu verkleinern, brachte Struck
noch nicht auf. Ein weiteres deutliches Beispiel sind 3,67 Milliarden
Euro, die für die Entwicklung eines Flugkörperabwehrsystems
gegen Raketen mit Reichweiten bis zu 1000 km bereit gestellt werden sollen
für das System MEADS. MEADS wird - obwohl fragwürdig - weitergeführt,
weil es das einzige große transatlantische Rüstungskooperationsvorhaben
ist.
Ungenutzt bleibt zudem die Chance auf weitere Rationalisierungen. Trotz
aller politischen Bekenntnisse zur europäischen Integration ist nicht
zu erkennen, dass die Transformation der Bundeswehr konsequent europäisch
ausgerichtet würde. Hier läge ein gewaltiges Rationalisierungs-
und Einsparpotential, das bislang zumeist nur in kleinen Häppchen
und in multilateraler Zusammenarbeit genutzt wird.
Reform ohne Ende - aber mit Option für Ende der Wehrpflicht
Vielleicht haben Struck und Schneiderhan die Transformation der Bundeswehr
ja auch deshalb als kontinuierlichen Reformprozess angelegt, um nach der
nächsten Bundestagswahl erneut nachsteuern zu können. Transformation
als kontinuierliche Reform in für den Patienten Bundeswehr verträglichen,
homöopathischen Dosen. Hinweise auf eine alternative Planung, die
in wenigen Jahren auch ohne Wehrpflicht auskommen können müsse,
deuten bereits darauf hin.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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