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An der Nordostflanke der NATO knirscht und kracht es. Polen und die baltischen Länder fühlen sich von Russland bedroht und fürchten, dass Moskau sie eines Tages angreift. Sie fordern Gegenmaßnahmen, über die die NATO-Verteidigungsminister am 19.5. beraten. Der NATO-Gipfel soll Anfang Juli Beschlüsse fassen.
Warschau will erreichen, dass andere NATO-Staaten ständig Truppen in Polen und im Baltikum stationieren. Auf Krisen will man sofort gemeinsam militärisch reagieren können. Polen sei Frontstaat wie Deutschland im Kalten Krieg. Russland müsse, wie damals, militärisch abgeschreckt werden. Eine Politik der Rückversicherung, also die Zusage schneller militärischer Hilfe in einer Krise, reiche nicht. Moskau sei zu aggressiv. Das habe sich in Georgien, der Ukraine und Tschetschenien gezeigt. Sicherheit vor Russland, nicht mit Russland, so laute die Aufgabe.
Nicht alle NATO-Staaten sehen das so. In Deutschland
weiß man, dass Sicherheit in Europa nicht gegen Russland
geschaffen werden kann. Dass Russland plant, das Baltikum anzugreifen,
glauben nur wenige. Ich glaube es nicht.
Die NATO ist auf die polnischen Forderungen anfänglich nur
schrittweise eingegangen. Nach der Krise in der Ukraine zeigte sie eine
deutlich schärfere Reaktion. 2010 wurde das Baltikum in die
militärischen Krisenreaktionspläne einbezogen. Die NATO
beschloss, ihre schnelle Eingreiftruppe zu vergrößern und
eine besonders schnell verlegbare Truppe, die Speerspitze,
aufzustellen. Die Manövertätigkeit wurde verstärkt. NATO
und US-Truppen wurden zeitweilig an die Nordostflanke verlegt. Die USA
zeigten Präsenz in Sichtweise russischer Grenzposten. Sie
schickten Kriegsschiffe und Aufklärer in den Ostseeraum und
vergrößerten ihre Streitkräfte in Europa.
Zwei Dinge aber tat die NATO nicht. Sie baute weder große
Militärbasen im Osten auf, noch verlegte sie Atomwaffen dorthin.
Aus gutem Grund. Als die NATO erweitert wurde, machte sie Russland in
einem Abkommen politisch verbindlich die Zusage, auf beides zu
verzichten. Keine Atomwaffen und keine, so wörtlich "signifikanten
Kampftruppen". Einen offenen Bruch dieses Abkommens wollen auch die USA
nicht.
Allerdings wurde nie festgelegt, was "signifikante Kampftruppen" sind. Moskau machte 2009 einen konkreten Vorschlag. Auf Wunsch der Polen und Balten wurde er aber nicht diskutiert. Meist geht man davon aus, dass Brigaden oder Geschwader gemeint sind. Die Vorschläge, über die die NATO jetzt diskutiert, bewegen sich in diesem Rahmen. Sie sehen vor, dass die Bataillone rotieren.
Russland reagiert und will jetzt mehr Militär an seiner Nordwestgrenze stationieren. Moskau sieht das Raketenabwehrsystem, mit dessen Bau in Polen gerade begonnen wird, als Gefahr an und will auch darauf reagieren.
Wer Wind sät, kann Sturm ernten, sagt man. Chuck Hagel,
der ehemalige US-Verteidigungsminister, hat kürzlich vor einem
Wettrüsten an der Nordostflanke der NATO gewarnt. Hagel hat recht.
Und richtig ist auch, dass zur Eskalation eines Konfliktes meist beide
Seiten beitragen. Keine will ihr Gesicht verlieren, beide provozieren.
Dem Frieden dient das garantiert nicht, meine ich. Es verschärft
den Konflikt und kann sogar die Gefahr eines Krieges hervorrufen. Eines
Krieges, den dann angeblich keiner wollte. Das ist nicht Politik,
sondern Dummheit.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
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