SWR 2, Kommentar
30. Oktober 2014


Attraktivitätsoffensive für die Bundeswehr:
Zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer

Otfried Nassauer

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Die Bundeswehr soll attraktiver werden. Rund eine Milliarde will Ursula von der Leyen dafür in den nächsten Jahren ausgeben. Die Bundeswehr muss aber auch attraktiver werden, damit sie jedes Jahr zwischen 13.000 und 20.000 neue Soldaten und Soldatinnen rekrutieren und ihre Personalstärke aufrecht erhalten kann. Das wichtigste Hilfsmittel, die Wehrpflicht, ist entfallen und der Freiwillige Wehrdienst zeigt: Viele, die am Soldaten-Dasein schnuppern, finden die Bundeswehr nicht gut genug, um auch zu bleiben.

Das Problem wird wachsen: Die Geburtenjahrgänge werden kleiner. Die Konkurrenz um leistungs- und bildungsfähige Schulabgänger wird also größer. Genau die muss die Bundeswehr erreichen, damit sie auch künftig Soldaten hat, die komplexe Technik wie moderne Führungssysteme bedienen können. Also sucht sie nach den gleichen Bewerbern wie die Wirtschaft.

Problem erkannt, heißt Problem gebannt. So scheint man im Hause von der Leyen zu denken: Hier etwas mehr Lohn, da eine modernisierte Kaserne und dann noch ein paar Anreize für die, die die Bundeswehr besonders dringend sucht. Geld und bessere Arbeitsbedingungen sollen das Personalproblem der Bundeswehr lösen. Ob das reichen wird? Ich habe meine Zweifel. Das Attraktivitätsproblem der Bundeswehr ist vielschichtiger. Wer es lösen will, muss an vielen Stellschrauben drehen.

Junge technikaffine und bildungsfähige Menschen lassen sich als Mitarbeiter gewinnen, wenn man ihnen eine gute Ausbildung an zukunftsfähiger Technik bietet. Bei der Bundeswehr müssen Bewerber derzeit eher glauben, dass sie es dort mit Technik zu tun bekommen, die vielleicht zur Zeit ihrer Geburt modern war. Dass man Glück braucht, damit mal etwas funktioniert. Und neue Technik? Die liefert die Industrie der Bundeswehr doch eh meist viel zu spät, zu teurer und zu schlecht.

Wirtschaftsbetriebe müssen Angebot und Nachfrage folgen. Sie bieten oft eine bessere Bezahlung und schnellere Aufstiegschancen als die verkrustet bürokratisierte Bundeswehr. Die Armee leidet bis heute unter den Fehlern ihrer eigenen Reformen: Sie hat zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer. Die Beförderungskanäle sind verstopft und müssen erst langsam freigespült werden. Auch das ist nicht gerade attraktiv.

Der größte Nachteil der Bundeswehr dürfte ihr Betriebsklima sein. Sicher, die Armee kann locker mit einer Firma konkurrieren, die ein autoritärer Patriarch führt. Aber kann sie das auch mit Firmen, in denen auf Mitarbeitermotivation, gute Kommunikation, kurze Wege, wenig Bürokratie und flache Hierarchien gesetzt wird? Befehl und Gehorsam, das militärische Selbstverständnis altgedienter Ausbilder und überkommene Regeln und Riten wie das tägliche Wecken um halb vier schrecken grade die Bewerber ab, die die Bundeswehr unbedingt für sich gewinnen muss.

Junge Menschen interessiert das Gesamtpaket: Sie wollen sinnvolle, gerne fordernde Arbeit leisten, von der sie überzeugt sind. Dafür wollen sie anständig bezahlt werden. Ein solches Gesamtpaket bietet die Bundeswehr mit ihrer Organisationskultur noch nicht an. Mehr Geld alleine kann das nicht aufwiegen.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS