Die U-Boote für den Krieg
von Otfried Nassauer & Alexander Lurz
Setzt Israel - wie jüngst im Libanon Streitkräfte ein, so kommt meist auch
deutsche Wehrtechnik zum Einsatz. Neben den USA, die in großem Umfang Militärhilfe
bereitstellen und der eigenen, leistungsfähigen Rüstungsindustrie ist Deutschland für
Israel ein wichtiger Lieferant. Die deutsch-israelische Rüstungskooperation hat
Tradition.
Als 2005 das vierzigjährige Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen gefeiert
wurde, feierte die Rüstungskooperation in aller Stille bereits "goldene
Hochzeit". Schon 1955 und 1956 baute die deutsche Jacht-& Bootswerft Burmester
zwei Patrouillenboote für Israel. Rüstungsgüter, deren Herstellung Deutschland damals
noch verboten war, wurden an ein Land geliefert, zu dem Deutschland nicht einmal
diplomatische Beziehungen unterhielt. 1958 vereinbarten Shimon Peres und Franz Josef
Strauß die nächsten Lieferungen. Die Rüstungskooperation hatte eine Katalysatorfunktion
für die Aufnahme offizieller Beziehungen 1965.
Lange war es eine äußerst sensible Angelegenheit. Das Bundesministerium der
Verteidigung teilte 1991 mit: "Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Israel ist es
ständige Praxis aller Regierungen gewesen, diese Kooperation möglichst wenig öffentlich
zu gestalten oder zu formalisieren." Bis gegen Ende der 80er-Jahre wurde die
Kooperation oft über BND und Mossad abgewickelt. Skandale blieben nicht aus. Israelische
Störsendertechnik für den Tornado wurde in den 80er Jahren am Bundestag vorbei
entwickelt (Cerberus). NVA-Waffen für Israel wurden 1991 als "land- und
forstwirtschaftliches Gerät" deklariert und beschlagnahmt. Seit Mitte der 60er Jahre
arbeiten beide Länder bei der Auswertung gegnerischen Wehrmaterials intensiv zusammen und
nutzen die Ergebnisse für eigene neue Waffen.
Ein deutsch-israelischer Panzer?
Die israelischen Kampfpanzer des Typs Merkava 3 und 4 sind ein gutes Beispiel. Ihr
Motor wurde bei MTU entwickelt und über die USA geliefert. Das Getriebe kommt von der
Renk AG. Die Panzerung entstand in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Deisenroth. Die
120mm Glattrohrkanone wurde von Rheinmetall für den Leopard 2 entwickelt. Das elektrische
Stabilisierungs- und Nachführsystem für Turm und Kanone es erlaubt das gezielte
Schießen bei voller Fahrt auch in rauem Gelände entwickelte die AEG in Wedel.
Beide sind nach israelischen Angaben Eigenentwicklungen. Korrekter wäre es, sie
Nachbauten zu nennen. Mehrere Prototypen der AEG-Komponente wurden 1986 mit den
erforderlichen Fertigungsunterlagen nach Israel exportiert. Zuvor bekamen die Mitarbeiter
Weisung, alle AEG-Zeichen "vor der Auslieferung der Geräte zu entfernen". Ohne
deutsche Komponenten würde der Merkava kaum fahren, schießen und vor allem treffen.
Kleine Komponenten mit großer Wirkung
Die Heidelberger Firma AIM-Infrarot-Module baut Infrarot-Module für die Aufklärung,
Zielerfassung und bekämpfung. Zu Tausenden werden diese in die USA exportiert und
dort in Kampfflugzeug-Komponenten wie den Zielerfassungsbehälter LANTIRN oder in
Hubschraubersysteme wie TADS eingebaut, dass im Kampfhubschrauber AH-64 zum Einsatz kommt.
Mit Hilfe der Module können Flugzeug- und Hubschrauberwaffen sehr gezielt und auch bei
Nacht verschossen werden. Elektrooptische Komponenten machen teure Waffenplattform erst
wirksam. Israel fliegt Jagdbomber des Typs F-16 und AH-64-Hubschrauber, die die deutschen
Infrarotmodule an Bord haben. Das Label "Made in Germany" steht gerade wenn es
um Israel geht, oft nicht außen drauf, sondern innen auf wichtigen Komponenten.
Was schwimmt, geht
Israels Saar-Korvetten und -Schnellboote sowie die Kanonenschnellboote der Super
Dvora-Klasse werden von MTU-Motoren angetrieben. Schwere Torpedos für Israels U-Boote
werden von STN-Atlas-Elektronik vor- und in den USA endgefertigt, damit sie aus Geldern
der amerikanischen Militärhilfe bezahlt werden können.
Direkt aus Deutschland geliefert wurden 1998-2000 drei moderne U-Boote der
"Dolphin"-Klasse. Da Israel nie über ausreichend Devisen verfügt, wurden sie
zu mehr als 80% aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Die Boote können Torpedos und Raketen
gegen See- oder Landziele verschießen, Minen verlegen, Kampfschwimmer einsetzen und
Aufklärung betreiben. Um sie rankt sich ein Geheimnis: Neben sechs 533mm-Torpedorohren
für die genannten Aufgaben, verfügen die Boote über vier größere Rohre vom Kaliber
650mm. Als bekannt wurde, dass Israel im Jahr 2000 vor Sri Lanka einen Flugkörper mit
einer Reichweite von 1.000-1.500 km Reichweite getestet haben soll, gingen Fachleute davon
aus, dass Israel die U-Boote als äußerst sichere Waffenplattform für nuklear bestückte
Flugkörper nutzen will. Ist das so, so muss sich die Bundesregierung fragen, ob sie
indirekt Beihilfe zur Weiterverbreitung atomarer Waffen und zugleich der Glaubwürdigkeit
ihrer eigenen Nichtverbreitungspolitik einen Bärendienst geleistet hat. Trotzdem sagte
Deutschland Israel im Oktober 2005 zwei weitere, Dolphin-U-Boote zu. Diese haben einen
Brennstoffzellenantrieb und können deshalb länger tauchen und deutlich weiter fahren.
Aus dem Bundeshaushalt wird ein Drittel der Kosten direkt getragen, für ein weiteres
Drittel will die Bundeswehr in Israel einkaufen. Der Vertrag über die Fertigung der neuen
Boote wurde am 6. Juli 2006, wenige Tage vor dem Libanonfeldzug Israels, unterzeichnet.
Zum gegenseitigen Nutzen
Die deutsch-israelische Rüstungskooperation ist keine Einbahnstrasse. Auch die
Bundeswehr ordert in Israel. Panzermunition, U-Boot-Komponenten, Geräte zur
elektronischen Kriegführung, Zielerfassungsgeräte für Flugzeuge, Aufklärungsgeräte
und anderes mehr. Die deutsche Rüstungsindustrie kooperiert immer häufiger mit der
israelischen. Gemeinsam werden israelische Entwicklungen in Europa vermarktet.
Gesicherte Zukunft
Auch künftig gilt, was Kanzler Schröder 2002 festhielt: "Israel bekommt das, was
es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es
gebraucht wird." Auch, wenn es lange kontrovers war. Israel will 103 gepanzerte
Kampffahrzeuge des Typs Dingo 2, der sich besonders gut für Einsätze zur
Aufstandsbekämpfung und in dicht bebauten Gebieten eignet. Rot-Grün wollte diese nicht
liefern. Die derzeitige Regierung schuf Ende Juni einen Präzedenzfall. Sie genehmigte, so
"Die Welt", die Lieferung eines Testfahrzeugs.
ist freier Journalist und leitet
das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS. ist Mitarbeiter des Zentrums.
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