Publik-Forum 16/2006
25. August 2006


Die U-Boote für den Krieg

von Otfried Nassauer & Alexander Lurz

Setzt Israel - wie jüngst im Libanon – Streitkräfte ein, so kommt meist auch deutsche Wehrtechnik zum Einsatz. Neben den USA, die in großem Umfang Militärhilfe bereitstellen und der eigenen, leistungsfähigen Rüstungsindustrie ist Deutschland für Israel ein wichtiger Lieferant. Die deutsch-israelische Rüstungskooperation hat Tradition.

Als 2005 das vierzigjährige Bestehen der deutsch-israelischen Beziehungen gefeiert wurde, feierte die Rüstungskooperation in aller Stille bereits "goldene Hochzeit". Schon 1955 und 1956 baute die deutsche Jacht-& Bootswerft Burmester zwei Patrouillenboote für Israel. Rüstungsgüter, deren Herstellung Deutschland damals noch verboten war, wurden an ein Land geliefert, zu dem Deutschland nicht einmal diplomatische Beziehungen unterhielt. 1958 vereinbarten Shimon Peres und Franz Josef Strauß die nächsten Lieferungen. Die Rüstungskooperation hatte eine Katalysatorfunktion für die Aufnahme offizieller Beziehungen 1965.

Lange war es eine äußerst sensible Angelegenheit. Das Bundesministerium der Verteidigung teilte 1991 mit: "Seit Beginn der Zusammenarbeit mit Israel ist es ständige Praxis aller Regierungen gewesen, diese Kooperation möglichst wenig öffentlich zu gestalten oder zu formalisieren." Bis gegen Ende der 80er-Jahre wurde die Kooperation oft über BND und Mossad abgewickelt. Skandale blieben nicht aus. Israelische Störsendertechnik für den Tornado wurde in den 80er Jahren am Bundestag vorbei entwickelt (Cerberus). NVA-Waffen für Israel wurden 1991 als "land- und forstwirtschaftliches Gerät" deklariert und beschlagnahmt. Seit Mitte der 60er Jahre arbeiten beide Länder bei der Auswertung gegnerischen Wehrmaterials intensiv zusammen und nutzen die Ergebnisse für eigene neue Waffen.

 

Ein deutsch-israelischer Panzer?

Die israelischen Kampfpanzer des Typs Merkava 3 und 4 sind ein gutes Beispiel. Ihr Motor wurde bei MTU entwickelt und über die USA geliefert. Das Getriebe kommt von der Renk AG. Die Panzerung entstand in Kooperation mit dem Ingenieurbüro Deisenroth. Die 120mm Glattrohrkanone wurde von Rheinmetall für den Leopard 2 entwickelt. Das elektrische Stabilisierungs- und Nachführsystem für Turm und Kanone – es erlaubt das gezielte Schießen bei voller Fahrt auch in rauem Gelände – entwickelte die AEG in Wedel. Beide sind nach israelischen Angaben Eigenentwicklungen. Korrekter wäre es, sie Nachbauten zu nennen. Mehrere Prototypen der AEG-Komponente wurden 1986 mit den erforderlichen Fertigungsunterlagen nach Israel exportiert. Zuvor bekamen die Mitarbeiter Weisung, alle AEG-Zeichen "vor der Auslieferung der Geräte zu entfernen". Ohne deutsche Komponenten würde der Merkava kaum fahren, schießen und vor allem treffen.

 

Kleine Komponenten mit großer Wirkung

Die Heidelberger Firma AIM-Infrarot-Module baut Infrarot-Module für die Aufklärung, Zielerfassung und –bekämpfung. Zu Tausenden werden diese in die USA exportiert und dort in Kampfflugzeug-Komponenten wie den Zielerfassungsbehälter LANTIRN oder in Hubschraubersysteme wie TADS eingebaut, dass im Kampfhubschrauber AH-64 zum Einsatz kommt. Mit Hilfe der Module können Flugzeug- und Hubschrauberwaffen sehr gezielt und auch bei Nacht verschossen werden. Elektrooptische Komponenten machen teure Waffenplattform erst wirksam. Israel fliegt Jagdbomber des Typs F-16 und AH-64-Hubschrauber, die die deutschen Infrarotmodule an Bord haben. Das Label "Made in Germany" steht gerade wenn es um Israel geht, oft nicht außen drauf, sondern innen auf wichtigen Komponenten.


Was schwimmt, geht

Israels Saar-Korvetten und -Schnellboote sowie die Kanonenschnellboote der Super Dvora-Klasse werden von MTU-Motoren angetrieben. Schwere Torpedos für Israels U-Boote werden von STN-Atlas-Elektronik vor- und in den USA endgefertigt, damit sie aus Geldern der amerikanischen Militärhilfe bezahlt werden können.

Direkt aus Deutschland geliefert wurden 1998-2000 drei moderne U-Boote der "Dolphin"-Klasse. Da Israel nie über ausreichend Devisen verfügt, wurden sie zu mehr als 80% aus dem Bundeshaushalt bezahlt. Die Boote können Torpedos und Raketen gegen See- oder Landziele verschießen, Minen verlegen, Kampfschwimmer einsetzen und Aufklärung betreiben. Um sie rankt sich ein Geheimnis: Neben sechs 533mm-Torpedorohren für die genannten Aufgaben, verfügen die Boote über vier größere Rohre vom Kaliber 650mm. Als bekannt wurde, dass Israel im Jahr 2000 vor Sri Lanka einen Flugkörper mit einer Reichweite von 1.000-1.500 km Reichweite getestet haben soll, gingen Fachleute davon aus, dass Israel die U-Boote als äußerst sichere Waffenplattform für nuklear bestückte Flugkörper nutzen will. Ist das so, so muss sich die Bundesregierung fragen, ob sie indirekt Beihilfe zur Weiterverbreitung atomarer Waffen und zugleich der Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Nichtverbreitungspolitik einen Bärendienst geleistet hat. Trotzdem sagte Deutschland Israel im Oktober 2005 zwei weitere, Dolphin-U-Boote zu. Diese haben einen Brennstoffzellenantrieb und können deshalb länger tauchen und deutlich weiter fahren. Aus dem Bundeshaushalt wird ein Drittel der Kosten direkt getragen, für ein weiteres Drittel will die Bundeswehr in Israel einkaufen. Der Vertrag über die Fertigung der neuen Boote wurde am 6. Juli 2006, wenige Tage vor dem Libanonfeldzug Israels, unterzeichnet.

 

Zum gegenseitigen Nutzen

Die deutsch-israelische Rüstungskooperation ist keine Einbahnstrasse. Auch die Bundeswehr ordert in Israel. Panzermunition, U-Boot-Komponenten, Geräte zur elektronischen Kriegführung, Zielerfassungsgeräte für Flugzeuge, Aufklärungsgeräte und anderes mehr. Die deutsche Rüstungsindustrie kooperiert immer häufiger mit der israelischen. Gemeinsam werden israelische Entwicklungen in Europa vermarktet.


Gesicherte Zukunft

Auch künftig gilt, was Kanzler Schröder 2002 festhielt: "Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird." Auch, wenn es lange kontrovers war. Israel will 103 gepanzerte Kampffahrzeuge des Typs Dingo 2, der sich besonders gut für Einsätze zur Aufstandsbekämpfung und in dicht bebauten Gebieten eignet. Rot-Grün wollte diese nicht liefern. Die derzeitige Regierung schuf Ende Juni einen Präzedenzfall. Sie genehmigte, so "Die Welt", die Lieferung eines Testfahrzeugs.


 

ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS. ist Mitarbeiter des Zentrums.