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Am 2. Mai 2005 beginnt in New York erneut eine Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags (NVV oder NPT). Alle fünf Jahre treffen sich die Mitgliedstaaten dieses Vertrages, dem fast alle Länder dieser Welt beigetreten sind und der von vielen als ein Kernbestandteil des rüstungskontrollpolitischen Acquis bzw. der Nichtverbreitungspolitik erachtet wird. In diesem Jahr steht die Konferenz unter so schlechten Vorzeichen wie schon lange nicht mehr. Viele befürchten, dass sie gänzlich scheitern könnte und dass das nukleare Nichtverbreitungsregime schon in Kürze erheblich geschwächt und mittelfristig sogar ausgehöhlt werden und erodieren könnte. Drei Gründe sind für diese Befürchtungen ausschlaggebend:
Die erste Befürchtung hegen vor allem die Nuklearmächte, aber auch viele nicht-nukleare Staaten. Die zweite wird vor allem von der großen Mehrzahl der nicht-nuklearen Staaten aus dem Kreis der Nichtpaktgebundenen gehegt. Die dritte findet primär in den westlichen Staaten, grundsätzlich aber in beiden Kreisen Widerhall.
Entsprechend unterschiedlich sind die Auffassungen der Vertragsparteien, wie der NVV für die Zukunft am besten gestärkt werden könnte. Unter Führung der USA drängen die Nuklearmächte mit ihren Verbündeten darauf, vor allem das Vertragselement der Nichtverbreitung zu stärken. Die Mehrzahl der nicht-nuklearen Vertragsmitglieder drängt darauf, die nukleare Abrüstung ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Während erstere befürchten, dass der NVV erodiert, weil immer mehr Staaten versuchen könnten, sich unter dem Deckmantel der zivilen Nutzung der Kernenergie heimlich an den Besitz nuklearer Waffen heranzurobben, argumentiert die zweite Gruppe, dass die Signale der Nuklearmächte, auf unbestimmte Dauer an ihren Nuklearwaffen festzuhalten und diesen künftig wieder ein größeres Gewicht zukommen zu lassen, für die Ziele des NVV kontraproduktiv seien und wie eine Einladung zur nuklearen Proliferation wirken könnten.
Die Bundesregierung blickt mit gemischten Gefühlen nach New York. Sie hofft, dass die Konferenz nicht scheitert und befürwortet ein "ausgewogenes", zwischen den Zielsetzungen Nichtverbreitung und Abrüstung ausbalanciertes Ergebnis. Der Deutsche Bundestag hat unter Mitwirkung des Auswärtigen Amtes - eine Resolution[1] verabschiedet, in der die deutsche Position umrissen wird. Die Europäische Union hat zudem einen "Gemeinsamen Standpunkt"[2] verabschiedet, in dem die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Position für die Überprüfungskonferenz beziehen. Beide Dokumente enthalten eine Vielzahl von Vorschlägen, wie die Nichtverbreitung gestärkt und die nukleare Abrüstung vorangetrieben werden könnten. In beiden Dokumenten überwiegen jedoch qualitativ wie quantitativ jene Vorschläge, die die Weiterverbreitung nuklearer Waffen erschweren sollen.
Diese Kurzstudie unterbreitet und begründet einen Abrüstungsvorschlag, mit dem die Bundesregierung eigenständig und substantiell dazu beitragen kann, dass die Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag im kommenden Monat erfolgreich abgeschlossen werden kann. Er sorgt zugleich dafür, dass die Zielsetzungen der Stärkung der Nichtverbreitung und der nuklearen Abrüstung durch Deutschland deutlich glaubwürdiger "ausgewogen" angestrebt werden können.
Der Vorschlag
Die Bundesregierung sollte gegenüber den anderen Vertragsparteien während der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages ankündigen, dass Deutschland
Der Deutsche Bundestag sollte seine bisherige Resolution zur Unterstützung der Überprüfungskonferenz für den Atomwaffensperrvertrag durch einen entsprechenden Beschluss ergänzen. Deutschland scheidet damit aus der technisch-nuklearen Teilhabe aus. Es erklärt seine Bereitschaft, auf die Möglichkeit zu verzichten, mit deutschen Flugzeugen und Piloten U.S.-ameri-kanische Nuklearwaffen nach Freigabe durch den Präsidenten der USA im Kriegsfall einzusetzen. Die bisherige Praxis hält die Mehrheit der Mitglieder des NVV schon seit Jahren für einen Verstoß gegen den Geist, wenn nicht gegen den Buchstaben des Atomwaffensperrvertrages.
Der Vorschlag entspricht der mittel- und längerfristigen Planung der Bundeswehr. Diese will ihre beiden verbliebenen Tornado-Verbände, die zur nuklearen Teilhabe beitragen, künftig umrüsten: Die Jagdbomber-Geschwader 31 und 33 "werden in den Zeiträumen 2007 bis 2010 sowie 2012 bis 2015 mit dem mehrrollenfähigen EF-2000 ausgestattet.", hieß es bereits im Tagesbefehl des Inspekteurs der Luftwaffe zur Einnahme der Luftwaffenstruktur 5 vom 29. Jan. 2001. Der mehrrollenfähige Eurofighter ist als nicht nuklearfähiges Flugzeug ausgelegt, wie der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Walter Kolbow, im Juli 2004 dem Bundestag erneut be-stätigte: "Es ist nicht geplant und es werden auch keine Vorkehrungen getroffen, das Waffensystem Eurofighter für einen Einsatz mit Nuklearwaffen zu befähigen."[3] Mithin: In knapp zehn Jahren soll der deutsche Beitrag zur technisch-nuklearen Teilhabe sowieso auslaufen. Dies berechtigt zu der Frage, warum dies nicht schon heute geschehen kann bzw. zu der Gegenfrage, mit welcher stichhaltigen Begründung diese kostspielige Fähigkeit noch bis zu zehn Jahren aufrechterhalten werden sollte.
Dieser Vorschlag steht zudem weitergehenden, aber schwieriger zu
realisierenden Forderungen, mit den USA über einen vollständigen Abzug aller
Atomwaffen aus Deutschland bzw. Europa zu verhandeln,[4] nicht im Wege, sondern kann als erster Schritt auf dem Weg zu diesem
weitergehenden Ziel dienen. Der Vorschlag kann im Rahmen der nationalen Zuständigkeit der
Bundesrepublik Deutschland und ohne Eingriff in die Zuständigkeiten anderer NATO-Staaten,
insbesondere jene der Nuklearmacht USA[5],
realisiert werden und bedarf deshalb nicht der Zustimmung durch Dritte.[6]
Für die Umsetzung des Vorschlags, während der NVV-Überprüfungs-konferenz die Absicht anzukündigen, die technisch-nukleare Teilhabe aufzugeben, spricht eine Vielzahl von Gründen und Argumenten. Dieser Schritt
ist der einzige, mit dem die Nicht-Nuklearmacht Deutschland aktiv zur
Abrüstung vorhandener militärischer Nuklearpotentiale und der zugehörigen
Trägersysteme beitragen kann;
kann die überfällige Diskussion über die Einbeziehung taktisch-nuklearer bzw. substrategischer Waffen in rüstungskontrollpolitische Diskussion ermöglichen bzw. aktiv dazu beitragen, dass eine solche Diskussion gerade auch mit Russland - in Gang kommt;
ist ein deutliches Signal, dass Deutschland Nuklearwaffen in der Zukunft eine geringere sicherheitspolitische Rolle zuweist;
stellt eine vertrauensbildende Maßnahme dar
stärkt den Atomwaffensperrvertrag, weil mit der nuklearen Teilhabe durch Deutschland eine Praxis beendet wird, die die Mehrheit der Vertragsmitglieder für einen Verstoß zumindest gegen Geist, wenn nicht gar gegen den Buchstaben des Vertrages hält und
macht deutlich, dass sich die Bundesrepublik Deutschland kompromisslos für eine restriktive Auslegung und konsequente Einhaltung des Atomwaffensperrvertrages einsetzt.
Hinzu kommt, dass Deutschland mit Blick auf die anderen nicht-nuklearen NATO-Staaten, die derzeit noch an der technisch-nuklearen Teilhabe beteiligt sind, eine konstruktive Vorreiterrolle übernehmen und diesen durch die deutsche Entscheidung ein analoges Vorgehen erleichtern kann. Alle wesentlichen Argumente dagegen, die in der fast 50-jährigen Geschichte der technisch-nuklearen Teilhabe mit deutscher Beteiligung für diese Praxis ins Feld geführt wurden, haben sich heute entweder überlebt oder nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung. So ist die Bereitstellung nuklearer Trägersysteme durch nicht-nukleare Staaten schon lange nicht mehr die Voraussetzung für eine Vollmitgliedschaft und ein volles Mitspracherecht in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO, in der die Mitglieder des Bündnisses über die Nuklearstrategie, das Nuklearpotential und eventuelle Einsatzpläne beraten. Mit Kanada und Griechenland wirken dort zwei nicht-nukleare Staaten in vollem Umfang mit, die früher über nukleare Trägersysteme verfügten. Auch die neuen NATO-Mitglieder haben ein volles Mitwirkungsrecht, obwohl sie keine nuklearen Trägermittel bereitstellen. Ihnen wurde sogar vor ihrem Beitritt explizit zugesagt, dass sie durch den Verzicht auf solche Trägersy-steme nicht zu Mitgliedern zweiter Klasse würden. Das Argument "Wir müssen mitmachen, um mitentscheiden zu können" hat somit keine Gültigkeit mehr. Anderenfalls wären die neuen NATO-Mitglieder ja de facto Mitglieder zweiter Klasse und die ihnen gegebene Zusage wäre wertlos. Auch wird mit diesem Schritt die NATO-Strategie nicht völlig entnuklearisiert. Dem Bündnis könnten im Notfall weiterhin nuklear bewaffnete U-Boote der USA und Großbritanniens assigniert werden. Schließlich hat auch das Argument, dass nur die Lagerung U.S.-amerikanischer Nuklearwaffen in Europa und die Bereithaltung europäischer Trägerflugzeuge für diese Waffen die Bereitschaft der europäischen NATO-Staaten signalisieren könne, ihren Teil der nuklearen Risiken, Rollen und Verantwortlichkeiten zu übernehmen, erheblich an Gewicht verloren. Dies zeigt sich an verschiedenen Fakten, z.B. daran, dass die nukleare Planungsgruppe nur noch einmal pro Jahr tagt oder daran, dass zur Herstellung einer nuklearen Einsatzbereitschaft der Trägersysteme in Europa mittlerweile Monate, nicht mehr Wochen oder gar nur Minuten benötigt würden[7]. Ein militärischer Bedarf für die Aufrechterhaltung der technischen nuklearen Teilhabe und eine Rechtfertigung für die mit dieser Praxis verbundenen Kosten lassen sich heute nicht mehr finden[8]. Angesichts dieser Situation spricht alles, zumindest aber die weit überwiegende Zahl der Argumente dafür, dass Deutschland seine technische Beteiligung an nuklearen Teilhabe einstellt und diesen Schritt mit dem Ziel der Stärkung des Atomwaffensperrvertrages als deutschen Beitrag zu Abrüstung und Nichtverbreitung auch öffentlich ankündigt. Die Überprüfungskonferenz im Mai 2005 bietet dafür die Gelegenheit.
Hintergrund: Die Nukleare Teilhabe
Die Nukleare Teilhabe entstand ursprünglich während der Frühphase des Aufbaus der Bundeswehr in den 50er Jahren, als die NATO mit dem Dokument MC 14/2 zur Strategie der massiven Vergeltung überging. Im März 1957 bestätigte der damalige NATO-Oberbefehlshaber, General Norstadt, zunächst, dass die USA atomare Waffen in Deutschland lagern, um wenige Tage später einen Schritt weiter zu gehen: Die USA seien im Kriegsfall bereit, auch den Verbündeten, also zum Beispiel der Bundeswehr, Atomwaffen für deren Waffensysteme zu übergeben. Kurz darauf bekundete Bundeskanzler Adenauer offen das Interesse, auch die Bundeswehr mit atomaren Trägersystemen auszustatten[9]. Voraufgegangen waren interne Gespräche zwischen den USA und der Bundesrepublik ab Herbst 1956. Diese hatten im Januar 1957 zu einer Grundsatzvereinbarung geführt, dass die Bundesrepublik atomare Trägersysteme kaufen und bereitstellen werde, während die USA die nukleare Munition dafür vorrätig halten würden. In der Folgezeit wurde diese Vereinbarung durch bilaterale Vereinbarungen rechtlich ausformuliert und technisch umgesetzt. Ab 1963 - US-Präsident John F. Kennedy war wesentlich besorgter um die Sicherheit nuklearer Waffen als seine Vorgänger und wollte zudem das Risiko eines Atomkrieges aus Versehen minimieren - begannen die USA mit der Ausrüstung ihrer Atomwaffen mit elek-tromechanischen Sicherheitssystemen, sogenannten Permissive Action Links. Diese sollten garantieren, dass Nuklearwaffen nur eingesetzt werden können, wenn die Autorisierung des US-Präsidenten dazu vorliegt.
Die Verhandlungen über den Atomwaffensperrvertrag waren für die NATO-Staaten ein äußerst heißes Eisen. Der Vertrag würde so war schnell klar die NATO-Mitglieder in zwei Gruppen aufteilen: Jene, die legal über Atomwaffen verfügen durften und jene, die ihm als nicht-nukleare Mitglieder beitreten würden. Dies stellte das bisher praktizierte System der nuklearen Teilhabe infrage. Jedoch wollten die nicht-nuklearen NATO-Staaten auch künftig an der Umsetzung der Nuklearstrategie der NATO beteiligt bleiben und drängten im Blick auf die Nuklearstrategie und -planung des Bündnisses seit geraumer Zeit auf größere Mitsprache und eine Formalisierung der Athener Richtlinien aus dem Jahr 1962. Diese beinhalteten soweit Zeit und Umstände es erlaubten eine Konsultationsmöglichkeit vor einem NATO-Nuklearwaffen-einsatz. Zudem waren die USA bereits im gleichen Jahr zu einer neuen Strategie, der "flexiblen Antwort", übergegangen und drängten auf eine entsprechende Anpassung der NATO-Strategie.
Die schwierige Aufgabe, den Atomwaffensperrvertrag und die bisherige NATO-Praxis der nuklearen Teilhabe, bzw. des nuklearen Out-Sourcings unter einen Hut zu bringen, lösten die NATO-Staaten nach mehreren gescheiterten Anläufen, z.B. der Idee einer atomar bewaffneten NATO-Flotte, mit einem fragwürdigen Kniff.
Das Ergebnis war einerseits eine Modifikation der nuklearen Teilhabe, die mit dem Atomwaffensperrvertrag nicht kollidierte: Mit der Nuklearen Planungsgruppe wurde ab 1966 die politisch-nukleare Teilhabe eingeführt und ein Gremium geschaffen, in dem Konsultationen über die Nuklearstrategie der Allianz, deren Bewaffnung mit Trägersystemen und Atomwaffen und die Eventualfall- und Einsatzplanungen, aber auch über nukleare Rüstungskontrolle durchgeführt werden konnten. Es hatte zunächst vier ständige Mitglieder (die USA, Großbritannien, Deutschland und Italien) sowie vier nichtständige Mitglieder[10]. Seit 1979 steht die Teilnahme an der Nuklearen Planungsgruppe allen NATO-Mitgliedern offen, unabhängig davon wie intensiv sie sich an der Umsetzung der NATO-Nuklearstrategie beteiligen. Dies gilt auch für die nach dem Ende des Kalten Krieges der NATO neu beigetretenen Staaten.
Parallel dazu erfolgte im Vorfeld der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages ein zweiter, sehr trickreicher Schritt: Ohne, dass dies den meisten anderen Vertragsunterzeichnern bei ihrer Unterschrift klar gewesen wäre, erklärten die NATO-Staaten die Praxis der technisch nuklearen Teilhabe für auch künftig legal: Atomare Trägersysteme nicht-nuklearer Staaten dürften im Kriegsfall genutzt werden, um US-Atomwaffen zum Einsatz zu bringen. Im Kriegsfall gelte der neue Vertrag nicht mehr[11].
Der Text der Artikel I und II des gerade vereinbarten Vertrages dagegen lautete:
"Artikel I
Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonstwie zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen.
Artikel II
Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen."[12]
Bis heute sind fünf der nicht-nuklearen NATO-Staaten mit nuklearfähigen Trägersystemen
ausgerüstet, die im Kriegsfall für einen Nuklearwaffeneinsatz bereitstehen. Dabei
handelt es sich um speziell ausgerüstete Kampfflugzeuge, sogenannte dual capable aircraft
(DCA), die man gleichermaßen mit konventionellen und nuklearen Waffen bestücken kann.
Deren Besatzungen werden in Friedenszeiten ausgebildet und trainiert,
Nuklearwaffenein-sätze vorzubereiten und durchzuführen. Die Nuklearwaffen werden von den
USA bereit gestellt und vor Ort, auf den Flugplätzen der europäischen Bündnispartner,
gelagert. Sie bleiben jedoch in Friedenszeiten stets unter der Kontrolle der U.S. Air
Force und würden nur im Fall eines Kriegseinsatzes an die Streitkräfte der
nicht-nuklearen Alliierten übergeben.[13]
Zum Einsatz amerikanischer Nuklearwaffen technisch befähigt sind heute Luftwaffeneinheiten in Belgien, Deutschland, Holland, Italien und der Türkei; früher waren auch Kanada, Griechenland und Frankreich beteiligt. Einige andere nicht-nukleare NATO Staaten, so Dänemark, Norwegen, und Spanien, beteiligen sich nur an der politischen nuklearen Teilhabe. Dies trifft auch auf die neuen NATO-Mitglieder zu.
Hintergrund: Der NVV und die Rechtmäßigkeit der Nuklearen Teilhabe
Die Mehrheit der NVV-Vertragsparteien betrachtet die nukleare Teilhabe als Vertragsverletzung. Die mehr als 100 nicht-paktgebundenen Staaten haben seit 1998 die NATO-Staaten wiederholt aufgefordert, die nukleare Teilhabe aufzugeben. In einem Arbeitspapier schlugen sie bereits 1998 vor, die Vertragsparteien sollten "ihre Verpflichtung erneut bestätigen", Artikel I und II des Vertrages "vollstmöglich zu implementieren", indem sie
"die nukleare Teilhabe für militärische Zwecke unter jeder Art von Sicherheitsarrangement untereinander, mit nicht-nuklearen Staaten und mit Staaten, die nicht Vertragsparteien sind, unterlassen."[14]
Die NATO hält ihr Verhalten dagegen für vertragskonform. Die amerikanische Außenministerin Albright argumentierte noch 1997, dass die nukleare Teilhabe und die nuklearen Konsultationen der NATO in keiner Weise gegen die Regeln des NVV verstoßen.
"Diese Frage nach Artikel I des NVV und seinen Auswirkungen auf die nuklearen Kräfte der NATO wurde ausführlich während der Verhandlungen über den NVV debattiert. Alle Beteiligten haben akzeptiert, dass der Wortlaut von Artikel I keinesfalls die Art und Weise der Nuklearplanung, der Stationierung und die Konsultationsverfahren verbietet, die die NATO seit Inkrafttreten des NVV 1970 praktiziert."[15]
Gegen diese Position, dass die nukleare Teilhabe in voller Übereinstimmung mit dem NVV steht und dies während der NVV-Verhandlungen von allen Beteiligten akzeptiert wurde, sind substantielle Zweifel angebracht. Die meisten Mitglieder des NVV haben den Vertrag aller Wahrscheinlichkeit nach unterzeichnet, ohne zu wissen, was unter der nuklearen Teilhabe der NATO im Einzelnen zu verstehen war, zumindest aber ohne zu wissen, wie die NATO das Verhältnis von NVV und nuklearer Teilhabe interpretierte.
Während der Vertragsverhandlungen hatte Washington tief in die diplomatische Trickkiste gegriffen, um die nukleare Teilhabe und den NVV in scheinbare Übereinstimmung zu bringen und möglicherweise sogar mit der Absicht zu täuschen verhandelt.[16]
Die These, NVV und nukleare Teilhabe befänden sich in Übereinstimmung, fußt auf einseitigen Interpretationen der Aussagen der Artikel I und II des NVV, die die Vereinigten Staaten in einem Dokument mit dem Titel "Questions on the Draft Non-Proliferation Treaty asked by US Allies together with Answers given by the United States" niedergelegt haben. Dieses Dokument wurde zusammen mit einem Brief des damaligen US-Außenministers, Dean Rusk, mit den Ratifizierungsunterlagen für den NVV an den US-Senat geschickt und erläutert, warum die Vereinigten Staaten die existierende Form der nuklearen Teilhabe nicht als Vertragsverletzung ansehen. Es wird deshalb häufig als Rusk-Brief bezeichnet.
Ausgangspunkt der Argumentation ist die Annahme, dass alles was der NVV nicht explizit verbietet, zulässig ist. Für zulässig werden dann in einzelnen Fragen die verschiedenen Elemente der nuklearen Teilhabe erklärt: Die Konsultations- und Beteiligungsverfahren im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe, die Lagerung US-amerikanischer Waffen auf dem Territorium nicht-nuklearer Staaten in Europa und die Ausstattung nicht-nuklearer Staaten mit Trägersystemen für Nuklearwaffen, die den USA gehören. Das Argument ist im Kern immer gleich: Da nur der US-Präsident diese Waffen zum Einsatz freigeben kann, bleibt die Verfügungsgewalt über diese Waffen im Frieden bei den USA und damit wird die Einhaltung des NVV gewährleistet. Keine Formulierung des Vertrages untersage explizit eines dieser Elemente der Nuklearen Teilhabe.
Schwerer tut sich der Rusk-Brief mit der eigentlich brisanten Frage: Wie ist der Einsatz einer US-Nuklearwaffe durch ein nukleares Trägersystem eines nicht-nuklearen Staates, z.B. ein Flugzeug der Bundesluftwaffe mit deutscher Besatzung im Krieg zu bewerten? Hierbei geht die Verfügungsgewalt (control) über eine Nuklearwaffe auf Bürger eines nicht-nuklearen Staat über. Die Antwort, die der Rusk-Brief präsentiert, verblüfft: "In Kriegszeiten" gelte der Vertrag nicht mehr. Die Argumentation, mit der die US-Regierung zu dieser Schlussfolgerung kommt, verblüfft noch mehr: Sei erst einmal ein Krieg ausgebrochen, so könne der Vertrag seinen Zweck - die Verbreitung von Nuklearwaffen und die Verhinderung eines Krieges mit diesen Waffen - nicht mehr erfüllen. Also sei er nicht mehr bindend.
In der Tat: Die Präambel des NVV hält auf Wunsch der USA fest, dass es Zweck des NVV ist, "einen solchen (nuklearen) Krieg zu verhindern". In der amerikanischen Interpretation leitet sich jedoch daraus die Position ab, der NVV gelte in Kriegszeiten nicht länger.
Während der Verhandlungen hatte der Rechtsberater des US-Außenministeriums, Leonard Meeker, bereits deutlich vor solch trickreichen Interpretationen und Vorgehensweisen gewarnt:
"Sollten wir uns dazu entscheiden, dass wir Kriegszeiten implizit ausnehmen, dann sollten wir darauf achten, dass wir in Genf absolut deutlich machen, was wir da tun. Ansonsten könnte man uns anschließend vorwerfen, wir hätten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (under false pretenses) verhandelt".[17]
Genau dies aber geschah. Die Warnung Meekers wurde in den Wind geschlagen und die Zahl jener, die wussten, welche Interpretationen die NATO-Staaten wirklich zugrundelegten, wurde auf mindestens ebenso trickreiche Weise klein gehalten.
Der Brief mit den Antworten der USA auf die Fragen der europäischen Alliierten wurde nicht wie üblich in einen nationalen Vorbehalt der Vereinigten Staaten umgewandelt, der bei Vertragsunterzeichnung für alle anderen Vertragspartner nachvollziehbar hinterlegt wird. Er wurde vielmehr am 9. Juli 1968, acht Tage nach der Erstunterzeichnung des Vertrages durch mehr als fünfzig Staaten jenen Unterlagen beigelegt, die dem US-Senat für die Diskussion über die nationale Ratifizierung des NVV übersandt wurden. Durch diesen Vorgang, so die Interpretation der amerikanischen Administration, habe man den Inhalt aller Welt zur Kenntnis gegeben.
Dass eine Situation, in der die Vielzahl der Unterzeichner ihre Unterschrift in Unkenntnis der US-Interpretationen leisteten, durchaus beabsichtigt war, zeigt ein Brief des damaligen Unterstaatssekretärs im Verteidigungsministerium, Nicholas Katzenbach vom 10. April 1968:
"Wir glauben nicht, dass es in unserem oder in unserer Alliierten Interesse wäre, wenn es zu einer öffentlichen Diskussion über die US-Interpretationen käme, bevor der NVV dem US-Senat zur Stellungnahme und Zustimmung zugeleitet wird"[18]
In letzter Konsequenz bedeutet dies, dass wohl kaum ein Unterzeichner des NVV außerhalb der NATO damals im Detail wusste, unter welch bedeutsamen Kautelen die NATO-Staaten den NVV unterzeichnet hatten. Denn etliche nicht-nukleare NATO-Staaten hinterlegten zwar bei ihrer Vertragsunterschrift Vorbehalte, die auf die Interpretationen des Rusk-Briefes indirekt oder Bezug nahmen, wiederholten die darin enthaltenen Inhalte aber nicht.
Erst während der dritten Überprüfungskonferenz des NVV wurde auf schwedische Initiative in das Abschlussdokument erstmals eine das Vorgehen der NATO konterkarierende Sprachregelung aufgenommen. Der Vertrag, so hielt das Dokument fest, gelte "unter allen Umständen", so heißt es im Abschlussdokument der Konferenz, also auch zu Kriegszeiten.[19]
Hintergrund: Atomwaffen in der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik lagern derzeit bis etwa 150 Nuklearwaffen.[20] Diese befinden sich an zwei Standorten: In Büchel in der Eifel und in Ramstein in der Pfalz. Ein dritter Standort, Nörvenich in Nordrhein-Westfalen kann bei Bedarf reaktiviert werden.
Der Bundeswehrfliegerhorst Büchel in der Eifel beheimatet das Jagdbomber-geschwader 33 der Bundesluftwaffe. Die beiden fliegenden Staffeln des Geschwaders sind seit den achtziger Jahren mit dem zweisitzigen Jagdbomber Tornado IDS ausgerüstet und werden im Kriegsfall zum Luftangriff eingesetzt. Der speziell für Einsätze im Tiefflug konzipierte Jagdbomber kann eine Vielzahl konventioneller Bomben, Submunitionsdispenser und Raketen tragen, aber auch amerikanische Atomwaffen vom Typ B-61. Seine aktive nukleare Rolle unterscheidet das Geschwader in Büchel heute von den restlichen Tornado-Einheiten der Bundeswehr. Mit dem Jagdbombergeschwader 33 partizipiert die Bundeswehr an der technischen nuklearen Teilhabe der NATO.
Bereits in Friedenszeiten wurden die Tornado-Besatzungen in Büchel für den Atomwaffeneinsatz ausgebildet. Die Nuklearwaffen werden von den USA auf dem Flugplatz bereitgestellt. Theoretisch können bis zu 44 solcher Waffen in elf sogenannten Nuklearwaffengrüften gelagert werden. Dabei handelt es sich um in den Boden der Flugzeugschutzbauten eingelassene, nach oben herausfahrbare Sicherheitsmagazine, sogenannte Vaults, die den Zugang zu den Waffen erst erlauben, wenn die Gruft geöffnet ist. Jedes Magazin kann maximal vier Waffen aufnehmen und wird mit spezieller Technik fernüberwacht. Es soll eine besonders sichere Lagerung der Nuklearwaffen gewährleisten und selbst schwerbewaffneten Terroristen den Zugang zu den Bomben für mindestens 30 Minuten verwehren.
In Büchel sollen sich etwa 20 echte Atombomben des Typs B-61 befinden. Für die Ausbildung von Technikern und Piloten werden sie aber nicht benötigt, weil spezielle Trainingswaffen zur Verfügung stehen. In Büchel soll es noch eine Trainingswaffe des älteren Typs 3A und 6 Waffen des moderneren, 2001 eingeführten Typs 3E geben.
Für die Wartung und den Zugang zu den Atomwaffen sind an Standorten europäischer Luftwaffen-Streitkräfte jeweils über 100 US-Spezialisten zuständig. Diese tun in speziellen Einheiten Dienst, den Munitions Special Support Squadrons. In Büchel ist dies heute die 702. MUNSS (bis 2004 hieß sie 852.MUNSS), deren vorgesetzte Dienststelle, die 38.Munitions Maintenance Group, nicht weit entfernt auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem stationiert ist. Die US-Soldaten sind dafür zuständig, dass nie ein einzelner Soldat oder gar ein Deutscher ohne Begleitung durch US-Soldaten Zugang zu einer Atomwaffe bekommt. Fliegerhorste, auf denen Atomwaffen stationiert sind, haben auch eine zusätzliche, größere Wachmannschaft. Bei der Bundeswehr heißt diese Luftwaffensicherungsstaffel "S" - wie Sonderwaffen. Sie gehört zur Fliegerhorstgruppe und nur Büchel hat noch eine solche Staffel.
Theoretisch kann auch der Fliegerhorst Nörvenich noch nuklear genutzt werden. Auch hier wurden in den Flugzeugschutzbauten 11 Unterflurmagazine für nukleare Waffen gebaut. Diese werden aber seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr genutzt; die deutsche Luftwaffensicherungsstaffel "S" und die US-MUNSS wurden aufgelöst. Das mit Tornado-IDS ausgerüstete Jagdbombergeschwader 31 der Bundeswehr in Nörvenich erfüllt heute konventionelle Aufgaben. Allerdings kann es bei Bedarf in die nuklear Teilhabe rücküberführt werden, denn der Fliegerhorst Nörvenich hat einen Caretaker-Status. Der mittlerweile ganz geschlossene Bundeswehrfliegerhorst Memmingen hatte diesen bis zu seiner Auflösung ebenfalls.
Auf der US-Airbase in Ramstein befindet sich das größte Nuklearwaffenlager in Europa. Hier wurde 55 Nuklearwaffenmagazine in Flugzeugschutzbauten eingerüstet. Eine dieser Grüfte ist explizit Trainingszwecken vorbehalten. Die restlichen 54 können also maximal 216 B-61-Bomben aufnehmen. Es wird davon ausgegangen, dass in Ramstein etwa 130 Waffen gelagert werden, obwohl auf dieser Luftwaffenbasis keine nuklearfähigen Flugzeuge stationiert sind. Ramstein, das auch das Hauptquartier der US-Luftwaffe in Europa beheimatet, erfüllt die Funktion der logistischen Drehscheibe für alle anderen US-Nuklearwaffenlager in Europa und beherbergt deshalb als Teil des 86. Lufttransportgeschwaders auch C-130-Herkules-Flugzeuge, die für den innereuropäischen Transport nuklearer Bomben eingesetzt werden können. Im transatlantischen Verkehr wird diese Aufgabe heute, nach Ausmusterung der letzten C-141-Starlifter von Flugzeugen des Typs C-17 wahrgenommen.
Die Atombomben vom Typ B-61 verfügen über moderne Sicherungssysteme und eine variable Sprengkraft. In Deutschland werden wahrscheinlich drei verschiedene Typen gelagert, die alle über eine variable Sprengkraft ver-fügen. Bei der B-61-Modell 3 beträgt die maximale Sprengkraft 170 Kilotonnen, bei der B-61-Modell 4 sind es 45 Kilotonnen und bei der B-61-Modell 10 sind es 80 Kilotonnen. Letzteres entspricht mehr als der 6-fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe. Das Modell 10 der B-61 wurde Ende der achtziger Jahre aus den Sprengköpfen der Mittelstreckenrakete Pershing-II entwickelt, als diese aufgrund des INF-Vertrages nicht mehr benötigt wurden. Nach dem Umbau kehrten die Sprengköpfe nach Europa zurück.
Nicht nur die Bundeswehr stellt im Rahmen der NATO Trägerflugzeuge für einen potentiellen Nuklearwaffeneinsatz bereit, sondern auch vier andere Länder: Belgien, Holland, Italien und die Türkei. Bis 2001 beteiligte sich auch Griechenland. Insgesamt lagern in diesen Ländern und Großbritannien etwa 480 U.S.-Nuklearwaffen eine Zahl, die seit 10 Jahren unverändert geblieben ist.
Die nuklearfähigen Flugzeuge müssten in den kommenden 10-20 Jahren NATO-weit durch neuere Modelle ersetzt werden. Der Nuclear Posture Review des Pentagons enthielt 2001 die Aufforderung, nach Konsultationen in der NATO baldmöglichst zu entscheiden ob von der Option Gebrauch gemacht werden solle, den künftigen Joint Strike Fighter als doppelt verwendbares Kampfflugzeug der Zukunft, also als nukleares Trägersystem für die NATO auszulegen. Inzwischen hat jedoch eines der wichtigsten Beratungsgremien des US-Verteidigungsministeriums, das Defense Science Board, im vergangenen Jahr angeregt, auf solche Dual Capable Aircraft ganz zu verzichten.[21]
Neben der technisch-nuklearen Teilhabe partizipiert die Bundesrepublik wie übrigens alle anderen nicht-nuklearen Staaten der NATO an den politischen Elementen der nuklearen Teilhabe. Sie ist in vollem Umfang in die Arbeit der Nuklearen Planungsgruppe (NPG) der NATO und deren Arbeitsstrukturen involviert, in der seit 1979 alle nicht-nuklearen NATO-Staaten in vollem Umfang mitwirken können. Die NPG traf sich in der Regel zwei Mal im Jahr; heute geschieht dies jährlich. Sie diskutiert(e) zumeist auf Basis von Vorlagen der USA eine große Breite von Fragen, die für die NATO von Relevanz waren. Dazu gehören die Planungen zur Ausrüstung der NATO-Streitkräfte in Europa mit nuklearen Waffen, zu deren Modernisierung und zu technischen Aspekten der Waffen ebenso wie Fragen der nuklearen Rüstungskontrolle und Abrüstung. In der NPG werden Fragen der nuklearen Strategie ebenso debattiert wie Konzepte zu deren Umsetzung und zur Rolle von Nuklearwaffen im Dispositiv der NATO oder Fragen der Konsultation über Nuklearwaffeneinsätze. Die nuklearen Konsultationsmöglichkeiten wurden seit den Athener Richtlinien von 1962 mehrfach weiterentwickelt. Sie finden seit 1992 auf Basis der "Politischen Prinzipien für Nukleare Planung und Konsultation" der NPG statt.
Nukleare Konsultationen können sowohl von höheren NATO-Kommandobehörden als auch von den Mitgliedstaaten angeregt werden. Sie umfassen sowohl Fragen der Risikoabschätzung als auch Maßnahmen zur Erhöhung der Einsatzbereitschaft oder der Veränderung der Stationierung im Blick auf Einsatzerfordernisse[22] sowie die Form und Umstände des Einsatzes selbst. Den militärischen Kommandoebenen wird einerseits aufgegeben, so zeitgemäß zu planen, dass Konsultationen als Element der politischen Kontrolle nuklearer Waffen stattfinden können. Andererseits sollen sie sicher-stellen, dass ausreichende militärische Flexibilität besteht, um ohne Konsultationen zu agieren, sollte z.B. ein überraschender Angriff unmittelbar bevorstehen. Damit folgen die Konsultationen letztlich weiterhin der Maxime, dass sie nur stattfinden, solange Zeit und Umstände dies erlauben. Ist dies nicht der Fall, entscheiden die Nuklearmächte auf Basis militärischen Rates, ob sie ihre Waffen freigeben.
Finden dagegen Konsultationen statt, dann können sie jeden Teilaspekt der NATO-Planung umfassen: Dann diskutieren der Nordatlantikrat bzw. der Verteidigungsplanungsausschuss - beraten vom Militärausschuss und vor allem den höheren NATO-Kommandobehörden - nicht nur die Notwendigkeit oder die politischen und militärischen Ziele eines atomaren Einsatzes, sondern auch Fragen wie die Zielauswahl, die zu nutzenden Waffen, die Konsequenzen des Einsatzes oder des Nichteinsatzes nuklearer Waffen oder die Frage ob und wie die NATO die Intentionen für ihren Nuklearwaffeneinsatz dem Gegner kommunizieren könnte. Dem NATO-Generalssekretär kommt die Aufgabe zu, den Nuklearmächten das Ergebnis des Konsultationsprozesses rechtzeitig vor deren Entscheidung über die Freigabe nuklearer Waffen zu übermitteln. Während des Konsultationsprozesses soll den Sichtweisen der Länder, deren Territorium oder Streitkräfte von einem Einsatz in besonderer Weise betroffen sein könnten, ein besonderes Gewicht beigemessen werden.
In all diese Diskussionen die jeweils keine Vorwegnahme der nationalen Entscheidungen der NATO-Nuklearmächte darstellen, ist die Bundesregierung involviert unabhängig von ihrer Partizipation an der technisch-nuklearen Teilhabe.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS
Endnoten:
[1] Deutscher Bundestag, Drucksache 15/5254
[2] Council of the European Union, Dokument 7633/05 verabschiedet als Dokument 7768/05 am 25.4.2005
[3] Deutscher Bundestag: Drucksache 15/3609, S.27. Zudem darf es als kaum wahrscheinlich gelten, dass die Herstellerländer des Eurofighters bzw. die Industrie bereit wären, den U.S.-Behörden den für die nukleare Zertifizierung erforderlichen, tiefen Einblick in die Eurofighter-Technik zu gewähren.
[4] vgl. z.B. den Antrag "Glaubwürdigkeit des nuklearen Nichtverbreitungsregimes stärken US Nuklearwaffen aus Deutschland abziehen" der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag in: Deutscher Bundestag, DS 15/5257 vom 16.4.2005 oder die Forderung der grünen MdEP, Angelika Beer, in: Ingo Preissler: Beer verlangt Abzug der US-Atomwaffen, Berliner Zeitung, 25.4.2005. Auch Karl-Heinz Kamp, der sicher-heitspolitische Experte der CDU-nahen Konrad Adenauer-Stiftung befürwortete diese Forderung indirekt, als er jüngst darauf hinwies, dass diese Waffen im Kalten Krieg Ausweis des amerikanischen Sicherheitsversprechens für Europa und der europäischen Mitsprache, bzw. danach als Restversicherung gegen mögliche aggressive Tendenzen in Russland betrachtet worden seien. Beides sei heute "nicht mehr haltbar". Zitiert nach: "Amerikanische Atomwaffen aus Deutschland abziehen", Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.4.2005. Der belgische Senat hat im April übrigens einstimmig eine entsprechende Resolution verabschiedet.
[5] Die USA nutzen dieses Argument
gelegentlich, wenn Vorschläge ihrer NATO-Partner in die Implementierung der nationalen
Nuklearstrategie der USA eingreifen. Diese Erfahrung musste Außenminister Fischer machen,
als Washington im Herbst 1998 seinen Vorschlag, die NATO solle auf die Option eines
nuklearen Ersteinsatzes verzichten, in aller Deutlichkeit zurückwies. Washington könnte
heute mit einem ähnlichen Argument Forderungen nach einem völligen Abzug seiner
Atomwaffen aus einem oder allen europäischen Ländern entgegentreten, da es den in Europa
gelagerten Waffen mittlerweile auch eine Rolle in der nationalen US-Strategie die
Unterstützung von Operationen im Nahen und Mittleren Osten, also des regionalen
Oberkommandos CENTCOM zugewiesen hat. Allerdings wäre dieses Argument im Vergleich
zu 1998 schwächer, da es das Recht der USA reklamieren würde, im Rahmen der NATO
einseitig in die Souveränitätsrechte der Stationierungsländer eingreifen zu dürfen. Es
ist deshalb davon auszugehen, dass die USA nach Konsultation den politischen Willen der
betroffenen Stationierungsländer respektieren würden. Die Forderung nach einem Abzug
aller Nuklearwaffen der USA aus einem oder mehreren europäischen Ländern aber macht
Konsultationen in der NATO zu einem Gebot fairer Zusammenarbeit.
Dagegen hat ein anderes oft gebrauchtes Argument keine Gültigkeit mehr: No nukes, no
troops Washington stationiere Truppen nur, wo es auch Nuklearwaffen lagern darf.
Europa ist heute der einzige Teil der Erde, in dem die USA Truppen und Nuklearwaffen
unterhalten, sicher aber nicht der einzige Ort, an dem US-Truppen stationiert sind.
[6] Fairerweise sollte Deutschland einen solchen Schritt in der NATO erklären und begründen.
[7] NATO: NATOs Nuclear Forces in the New Security Environment, Brussels, 18.2.2005
[8] Ein militärischer Bedarf könnte nur dann konstruiert werden, wenn die NATO-Strategie der nationalen Strategie der USA angepasst würde und sich die Option des auch präventiven und präemptiven - Einsatzes nuklearer Waffen zur Bekämpfung von Proliferationszielen offen halten würde. Diese Option aber wird nicht nur bezüglich ihrer militärischen Wirksamkeit in Zweifel gezogen. Die NATO-Staaten haben auch wiederholt zuletzt 1999/2000 Versuche der USA zurückgewiesen, die NATO-Strategie für diese Option zu öffnen.
[9] Adenauer verteidigte seine Absicht am 5.4.1957 mit dem berühmt gewordenen Ausspruch: "Unterscheiden Sie doch die taktischen und die großen atomaren Waffen", sagte er im April 1957. "Die taktischen Waffen sind nichts weiter als eine Weiterentwicklung der Artillerie. Selbstverständlich können wir nicht darauf verzichten, dass unsere Truppen auch in der normalen Bewaffnung die neuste Entwicklung mitmachen." (zitiert nach: Die Welt, 5.4.1957)
[10] Erst 1979 wurde die NPG für die kontinuierliche Mitarbeit aller NATO-Mitglieder geöffnet.
[11] Vgl. zu Einzelheiten des Vorgehens den Abschnitt "Hintergrund: Der Atomwaffensperrvertrag und die Nukleare Teilhabe, sowie: Martin Butcher, Otfried Nassauer u.a.: A Question of Command and Control, PENN-Research Report 2000.1, Berlin, London, Washington, März 2000
[12] Übersetzung des Vertrages nach www.auswaertiges-amt.de
[13] Hat der Präsident der USA nach einer entsprechenden Anforderung seitens des NATO-Oberbefehlshabers die Freigabe für den Einsatz nuklearer Waffen erteilt und wurden die dafür erforderlichen Freigabe-Codes über gesicherte U.S.-Kommunikationswege nach Europa übermittelt, so können die U.S.-Einheiten vor Ort die Waffen scharf machen und in Kooperation mit Soldaten ihrer Verbündeten an den Kampfflugzeugen montieren. Während des Einsatzes selbst, der von NATO-Stäben vorgeplant wurde, sind keine US-Soldaten an Bord.
[14] Im Original heißt es: "Nuclear-weapon states parties to the NPT reaffirm their commitment to the fullest implementation of this Article and to refrain from, among themselves, with non-nuclear-weapon states, and with states not party to the Treaty, nuclear sharing for military purposes under any kind of security arrangements."; Working Paper Presented by the Members of the Movement of the Non-Aligned Countries, Parties to the Treaty, 1998 Preparatory Committee for the 2000 Review Conference of the Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, 28. April 1998
[15] Schriftliche Antwort von Verteidigungsminister Cohen auf Fragen von Senator Harkin, gestellt während einer Anhörung des Senate Appropriations Committee am 21. Oktober 1997
[16] Eine wesentlich ausführlichere und detaillierter dokumentierte Darstellung dieser Überlegungen findet sich in: Martin Butcher, Otfried Nassauer u.a..: A Question of Command and Control NATO, Nuclear Sharing and the NPT, PENN Research Report 2000.1, Berlin, London, Washington, März 2000. Dort ist auch der Rusk-Brief im Wortlaut auf Seite 41 dokumentiert.
[17] Leonard Meeker, "Proposed Revised Articles of US Non-Proliferation Treaty, Memorandum", US Department of State, Office of the Legal Advisor, Lyndon B. Johnson Library, 6. Juli 1966, ursprüngliche Einstufung: vertraulich.
[18] Evans Gerakas, David S. Patterson, and Carolyn B. Yee (eds.) "Arms Control and Disarmament", Foreign Relations of the United States, 1964-1968. Volume X. United States Government Printing Office, Washington, 1997, S.574.
[19] Final Declaration of the Third Review Conference of the NPT, abgedruckt in: Goldblat, Jozef, Twenty Years of the Non-Proliferation Treaty Implementation and Prospects, Oslo, 1990, S. 138ff
[20] Vgl. zum Folgenden auch: Hans M. Kristensen: U.S. Nuclear Weapons in Europe, Natural Resources Defense Council, Februar 2005, Washington DC.
[21] Defense Science Board: Future Strategic Strike Forces, Washington, Februar 2004, S.5-13f. hält fest: "Non-strategic nuclear systems. OSD Policy should consider eliminating the nuclear role for Tomahawk cruise missiles and for forward-based, tactical, dual-capable air-craft. There is no obvious military need for these systems, and eliminating the nuclear role would free resources that could be used to fund strategic strike programs of higher priority. To a great extent, their continuation is a policy decision."
[22] Schon die Verlegung von Trägerflugzeugen oder Nuklearwaffen in das geographische Umfeld einer Krise kann eskalierende oder deeskalierende Wirkungen haben. Deshalb sind solche Maßnahmen auch Teil der möglichen Konsultationen.
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