Magazin Loyal
Mai 2015


Ein großzügiges Geburtstagsgeschenk

Deutschland und Israel feiern das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen.

von Otfried Nassauer


Für ein standesgemäßes Präsent hat die Bundesregierung schon gesorgt: Sie finanziert einen Großteil der Baukosten für vier neue Korvetten der israelischen Marine.

Kurz vor Weihnachten vorigen Jahres gab es für die Kieler Werften ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Abu Dhabi Mar Kiel einen Grund zur Freude. Am 22. Dezember 2014 einigten sich Deutschland und Israel auf die Höhe der deutschen Kostenbeteiligung am Bau von vier Korvetten für die israelische Marine. Bis 2019 wird deren Produktion mit 115 Millionen Euro bezuschusst. Sobald auch Israel seinen Kostenanteil bereitstellt, kann es losgehen.

ThyssenKrupp Marine Systems wird als Generalunternehmer fungieren. Bei Abu Dhabi Mar, im ehemaligen HDW-Werk Kiel-Gaarden, sollen die Schiffe gebaut werden. Abu Dhabi Mar wurde kürzlich mit Blick auf dieses Geschäft umbenannt. Der wichtigste Subunternehmer heißt jetzt German Naval Yards. Dann weist nichts mehr auf die arabischen Eigner der Werft hin. Die Korvetten sollen zum Schutz von „Dolphin“, „Tanin“ und „Leviathan“ eingesetzt werden. So heißen nicht nur drei der in Deutschland gebauten U-Boote Israels, sondern auch israelische Offshore-Gasfelder im Mittelmeer. Israel lässt die Gasförderung derzeit ausbauen. Die Felder sollen seine Energieversorgung unabhängiger von Importen machen und über Exportgeschäfte auch die chronische Devisenknappheit verringern.

Um beides auch in Krisenzeiten gewährleisten zu können, beabsichtigt die Regierung in Tel Aviv, die israelischen Förderanlagen gegen potenzielle Angriffe militärisch zu schützen. Selbst Attacken mit Flugzeugen, Raketen oder Marschflugkörpern sollen abgewehrt werden können. Deshalb werden relativ große Schiffe benötigt, auf denen neben Geschützen, Seezielflugkörpern oder Bordhubschraubern zum Beispiel auch noch Luft- und Raketenabwehrsysteme Platz finden: die Korvetten der MEKO-Baureihe. MEKO steht für Mehrzweck-Kombination. Die Kunden können sich eine an ihren Bedürfnissen angepasste Mischung aus Waffensystemen, Elektronik und Baugröße auswählen. Auch die neuesten Schiffstypen der Deutschen Marine, die Fregatten F-124 und die Korvetten K-130, gehören zu dieser Baureihe. Die schiffbauliche Herstellung soll in Deutschland erfolgen, da es in Israel keine Werft gibt, die Schiffe dieser Größe bauen könnte. Später sollen die Korvetten in Israel mit Sensoren, modernen Waffen und Elektronik ausgestattet werden.

Der subventionierte Schiffbauauftrag fügt sich nahtlos in die lange Geschichte der deutschen Unterstützung Israels ein, die bis in die 1950er Jahre zurück reicht. Seit Jahrzehnten ist Deutschland nach den USA der wichtigste Partner Israels bei der Ausrüstung und Finanzierung der Streitkräfte. Die Militärhilfe aus Deutschland umfasst unter anderem Waffensysteme aus Bundeswehrbeständen, die Israel als Dauerleihgaben oder Ausrüstungshilfe zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählen etwa drei „Patriot“-Luftabwehrbatterien einschließlich der zugehörigen Flugkörper. In diesem Jahr kommt eine weitere „Patriot“-Kampfführungsanlage hinzu.

Der Bau neuer U-Boote und Schiffe mit finanzieller Unterstützung aus bundesdeutschen Haushaltstöpfen hat ebenfalls eine lange Tradition. Deutschland half Israel schon vor rund 50 Jahren, gebrauchte U-Boote aus Großbritannien zu kaufen, entwickelte Israels erste U-Boot-Neubauten und finanzierte deren Bau in den 1970er Jahren. Seit dem Ende des Kalten Kriegs besteht Deutschlands Rüstungsunterstützung vor allem in der Lieferung moderner U-Boote der „Dolphin“-Klasse. Immer wieder hilft die Bundesrepublik Israel auch bei der Devisenbeschaffung. Das Modell ist einfach: Deutschland least oder kauft Waffen und Rüstungsgüter aus Israel für die Bundeswehr – und bezahlt mit harter Währung. Beispiele dafür sind die Ausstattung der Bundeswehr mit Uzi-Maschinenpistolen, der Kauf von Artilleriemuntion und die Entwicklung des Täuschsenders TSPJ/Cerberus für das Kampfflugzeug „Tornado“.

Politisch wird die Unterstützung Israels meist mit dem Verweis auf die gefährdete Existenz und die besondere Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels begründet. Die Deutlichkeit und die Akzentsetzung, mit der dies geschieht, variiert. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigte Rüstungslieferungen an Israel 2002: „Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.“ Schröder dachte dabei vor allem an die äußere Sicherheit Israels, also an dessen Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Deutlich weiter ging Kanzlerin Angela Merkel bei einem Israel-Besuch 2008. Sie erklärte vor dem israelischen Parlament, der Knesset: „Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“

Die Sicherheit Israels als Teil der deutschen Staatsräson? Bundespräsident Joachim Gauck sah sich 2012 bemüßigt, dem zu widersprechen und im Blick auf potenzielle Bundeswehreinsätze im Nahen Osten mögliche Grenzen anzudeuten: „ ... ich will mir nicht jedes Szenario ausdenken, welches die Bundeskanzlerin in enorme Schwierigkeiten bringt, ihren Satz, dass die Sicherheit [Israels] deutsche Staatsräson ist, politisch umzusetzen.“ Gemeinsam ist diesen Aussagen, dass sie aus der Verantwortung Deutschlands für den Holocaust eine besondere Verpflichtung zur Unterstützung Israels ableiten. Sie unterscheiden sich aber, wenn es um die Frage geht, wie weit diese Verpflichtung im Einzelfall geht und wozu Deutschland konkret verpflichtet sein könnte. Sollte Deutschland Israel auch dann unterstützen, wenn Israels Politik im offenen Widerspruch zu völkerrechtlichen Regeln steht oder wenn die deutsche Unterstützung eingesetzt werden kann, um Verletzungen der Menschenrechte in den besetzten Gebieten zu begehen? Ist die Verpflichtung zur Solidarität bedingungslos oder hat sie auch klare Grenzen?

Lieferungen von Rüstungsgütern, die auch zur Repression eingesetzt werden können und Lieferungen kompletter Heereswaffensysteme werden deshalb meist vorsichtiger gehandhabt als die Unterstützung Israels mit defensiven Systemen wie den „Patriot“-Luftabwehrraketen oder ABC-Abwehrtechnik. Allerdings bekam Israel in etlichen Fällen auch dann Unterstützung, wenn es im Widerspruch zur deklarierten Politik Deutschlands stand.

Wiederholt trat die Lieferung von Komponenten oder von Herstellungstechnologie an die Stelle kompletter Waffensysteme, die äußerst umstritten gewesen wären. Israel wurde zwar nie mit Kampfpanzern wie dem Leopard 2 beliefert, erhielt jedoch wesentliche technische Komponenten dieses Panzers für den Bau seiner Merkava-Panzer. Die Glattrohrkanone, der Motor, das Getriebe sowie vor allem das Stabilisierungssystem für die Kanone, das sicherstellt, dass der Panzer auch bei voller Fahrt durchs Gelände treffsicher schießen kann, gelangten auf mehr oder minder verschlungenen Wegen nach Israel. Im AEG-Werk Wedel (heute ESW), dem Hersteller des Stabilisierungssystems (LTDS), wurden die Mitarbeiter vor Auslieferung der ersten Geräte und der Herstellungsunterlagen per Aushang aufgefordert, alle Hinweise auf die Herkunft der Technik zu entfernen. 

Ein anderes Beispiel: Die leichten bunkerbrechenden Waffen von Dynamit Nobel sind besonders gut geeignet, um verdeckte Ziele hinter Mauern und Wänden zu bekämpfen. Für den Einsatz in den besetzten Gebieten sind diese Waffen gut zu gebrauchen. Ihr Export widerspricht jedoch der deklarierten Politik der Bundesregierung. Trotzdem wurde sowohl der Export von Herstellungsunterlagen für die Abschussgeräte als auch der von Teilen zum Bau der Munition für diese Waffen 2012 genehmigt. „Was schwimmt geht, was rollt geht nicht.“ Dieses, dem deutschen Langzeitaußenminister Hans Dietrich Genscher zugeschriebene Diktum fand auch mit Blick auf Israel lange Anwendung. Militärische Schiffe und Boote machen einen großen Teil der Unterstützung für Israel mit kompletten Waffensystemen aus. Allerdings zeigen sich dabei jetzt auch die problematischen Seiten des Diktums. Wieder geht es um die zentrale Frage, wie weit die Verpflichtung Deutschlands zur Unterstützung Israels in der Praxis gehen sollte.

Der Bau von sechs modernen U-Booten der „Dolphin“-Klasse ist das größte deutsch-israelische Projekt der vergangenen 20 Jahre. Drei nach israelischen Wünschen konzipierte Boote wurden in den 1980er und 1990er Jahren entwickelt und hergestellt. Sie wurden 1999 und 2000 geliefert. Die deutschen Werften bauen derzeit drei weitere, deutlich leistungsfähigere Boote mit einem zusätzlichen Brennstoffzellenantrieb für Israel. Das erste Boot, die „Tanin“, wurde 2014 überführt und wird nach einem Umbau in Israel in Kürze in Dienst gestellt. Die Bundesregierung erteilte vor kurzem die endgültige Genehmigung zur Ausfuhr des zweiten Boots, der „Rahav“. Es soll in diesem Jahr überführt werden. Das dritte Boot soll 2018 oder 2019 zur Auslieferung kommen.

Die ersten beiden Boote hat die Bundesregierung Israel während des Golfkriegs 1991 als Geschenk zugesagt. Das dritte Boot finanzierte Deutschland zu etwas mehr als der Hälfte. Bei den drei Brennstoffzellen-Booten tragen Deutschland und Israel je ein Drittel der Kosten. Um der Regierung in Tel Aviv die Bezahlung des letzten Drittels zu erleichtern, kauft Deutschland in Israel Rüstungsgüter und Dienstleistungen für die Bundeswehr ein. Der Kauf von Panzerabwehrraketen des Typs Spike oder das Leasing von Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron für den Afghanistan-Einsatz sind Beispiele. Der deutsche Steuerzahler beteiligt sich somit an den sechs Israel-U-Booten mit etwas mehr als einer Milliarde Euro direkt und noch einmal mit mehr als 400 Millionen für Einkäufe der Bundeswehr in Israel. Experten mutmaßten bereits Ende der 1990er Jahre, dass Israel die in Deutschland gebauten U-Boote als Waffenplattform für seegestützte Marschflugkörper mit nuklearem Sprengkopf nutzen und umrüsten werde. Eine nukleare Abschreckungskomponente auf See sei für Israel von größtem Interesse, weil Atomwaffen an Bord von U-Booten kaum verwundbar sind, hieß es. Auf Nachfragen aus dem Bundestag erklärte die Bundesregierung, die Boote seien im Auslieferungszustand nicht fähig, solche Waffen zu verschießen. Allerdings, so räumte sie ein, sei nicht gänzlich auszuschließen, dass Israel die Boote umrüsten könne. 

Dies war der Sachstand, als Israel Interesse an einem 2. Los deutscher U-Boote mit zusätzlichem Brennstoffzellenantrieb zeigte. Boote mit einem von der Außenluft unabhängigen Antrieb können wochenlang getaucht operieren und sind deshalb als nuklearfähige Trägersysteme noch besser geeignet als die Boote der ersten Generation. In Deutschland wurde diese Problematik so gut wie nicht diskutiert. Im Gegenteil: Die bereits abgewählte rot-grüne Bundesregierung genehmigte den Export 2005 während ihrer letzten Amtstage, ohne den Bundessicherheitsrat noch einmal zusammenzurufen. Gegenüber dem „Spiegel“ räumten Beamte und Politiker später ein, dass ihnen die Möglichkeit, die Boote als Nuklearwaffenträger zu nutzen, bei der Bestellung beider Lose durchaus bewusst gewesen sei. Heute gehen die meisten Experten davon aus, dass Israel die Boote mit Nuklearwaffen bestücken kann und sich zumindest die Option offen hält, dies auch zu tun.

Geht die deutsche Verpflichtung für die Sicherheit Israels so weit, dass Deutschland Israel, das den Atomwaffensperrvertrag  nicht unterzeichnet hat und über ein unerklärtes Nuklearwaffenpotenzial verfügt, aktiv unterstützen muss, wenn es sein atomares Potenzial stärken und aufrecht erhalten will? Ist diese Verpflichtung stärker als das Interesse der Nichtnuklearmacht Deutschland, den Atomwaffensperrvertrag weiter zu stärken und nukleare Abrüstung und Nichtverbreitung mit allen Mitteln zu fördern? Beide Fragen wurden von der Bundesregierung offenbar faktisch mit einem klaren Ja beantwortet. Doch mit dieser Antwort könnten künftige Bundesregierungen noch einmal unangenehm konfrontiert werden. Auch andere Nuklearmächte wie Indien oder Pakistan sind am Aufbau eines U-Boot-gestützten Nuklearwaffenpotenzials und an deutschen U-Booten interessiert.


ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit - BITS