Ein großzügiges Geburtstagsgeschenk
Deutschland und Israel feiern das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen.
von Otfried Nassauer
Für ein
standesgemäßes Präsent hat die Bundesregierung schon
gesorgt: Sie finanziert einen Großteil der Baukosten für
vier neue Korvetten der israelischen Marine.
Kurz vor Weihnachten vorigen Jahres gab es für die Kieler
Werften ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und Abu Dhabi Mar Kiel einen
Grund zur Freude. Am 22. Dezember 2014 einigten sich Deutschland und
Israel auf die Höhe der deutschen Kostenbeteiligung am Bau von
vier Korvetten für die israelische Marine. Bis 2019 wird deren
Produktion mit 115 Millionen Euro bezuschusst. Sobald auch Israel
seinen Kostenanteil bereitstellt, kann es losgehen.
ThyssenKrupp Marine Systems wird als Generalunternehmer
fungieren. Bei Abu Dhabi Mar, im ehemaligen HDW-Werk Kiel-Gaarden,
sollen die Schiffe gebaut werden. Abu Dhabi Mar wurde kürzlich mit
Blick auf dieses Geschäft umbenannt. Der wichtigste Subunternehmer
heißt jetzt German Naval Yards. Dann weist nichts mehr auf die
arabischen Eigner der Werft hin. Die Korvetten sollen zum Schutz von
„Dolphin“, „Tanin“ und „Leviathan“
eingesetzt werden. So heißen nicht nur drei der in Deutschland
gebauten U-Boote Israels, sondern auch israelische Offshore-Gasfelder
im Mittelmeer. Israel lässt die Gasförderung derzeit
ausbauen. Die Felder sollen seine Energieversorgung unabhängiger
von Importen machen und über Exportgeschäfte auch die
chronische Devisenknappheit verringern.
Um beides auch in Krisenzeiten gewährleisten zu
können, beabsichtigt die Regierung in Tel Aviv, die israelischen
Förderanlagen gegen potenzielle Angriffe militärisch zu
schützen. Selbst Attacken mit Flugzeugen, Raketen oder
Marschflugkörpern sollen abgewehrt werden können. Deshalb
werden relativ große Schiffe benötigt, auf denen neben
Geschützen, Seezielflugkörpern oder Bordhubschraubern zum
Beispiel auch noch Luft- und Raketenabwehrsysteme Platz finden: die
Korvetten der MEKO-Baureihe. MEKO steht für Mehrzweck-Kombination.
Die Kunden können sich eine an ihren Bedürfnissen angepasste
Mischung aus Waffensystemen, Elektronik und Baugröße
auswählen. Auch die neuesten Schiffstypen der Deutschen Marine,
die Fregatten F-124 und die Korvetten K-130, gehören zu dieser
Baureihe. Die schiffbauliche Herstellung soll in Deutschland erfolgen,
da es in Israel keine Werft gibt, die Schiffe dieser Größe
bauen könnte. Später sollen die Korvetten in Israel mit
Sensoren, modernen Waffen und Elektronik ausgestattet werden.
Der subventionierte Schiffbauauftrag fügt sich nahtlos in
die lange Geschichte der deutschen Unterstützung Israels ein, die
bis in die 1950er Jahre zurück reicht. Seit Jahrzehnten ist
Deutschland nach den USA der wichtigste Partner Israels bei der
Ausrüstung und Finanzierung der Streitkräfte. Die
Militärhilfe aus Deutschland umfasst unter anderem Waffensysteme
aus Bundeswehrbeständen, die Israel als Dauerleihgaben oder
Ausrüstungshilfe zur Verfügung gestellt werden. Dazu
zählen etwa drei „Patriot“-Luftabwehrbatterien
einschließlich der zugehörigen Flugkörper. In diesem
Jahr kommt eine weitere „Patriot“-Kampfführungsanlage
hinzu.
Der Bau neuer U-Boote und Schiffe mit finanzieller
Unterstützung aus bundesdeutschen Haushaltstöpfen hat
ebenfalls eine lange Tradition. Deutschland half Israel schon vor rund
50 Jahren, gebrauchte U-Boote aus Großbritannien zu kaufen,
entwickelte Israels erste U-Boot-Neubauten und finanzierte deren Bau in
den 1970er Jahren. Seit dem Ende des Kalten Kriegs besteht Deutschlands
Rüstungsunterstützung vor allem in der Lieferung moderner
U-Boote der „Dolphin“-Klasse. Immer wieder hilft die
Bundesrepublik Israel auch bei der Devisenbeschaffung. Das Modell ist
einfach: Deutschland least oder kauft Waffen und
Rüstungsgüter aus Israel für die Bundeswehr – und
bezahlt mit harter Währung. Beispiele dafür sind die
Ausstattung der Bundeswehr mit Uzi-Maschinenpistolen, der Kauf von
Artilleriemuntion und die Entwicklung des Täuschsenders
TSPJ/Cerberus für das Kampfflugzeug „Tornado“.
Politisch wird die Unterstützung Israels meist mit dem
Verweis auf die gefährdete Existenz und die besondere
Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels
begründet. Die Deutlichkeit und die Akzentsetzung, mit der dies
geschieht, variiert. Der frühere Bundeskanzler Gerhard
Schröder verteidigte Rüstungslieferungen an Israel 2002:
„Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das,
was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es
bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.“ Schröder dachte
dabei vor allem an die äußere Sicherheit Israels, also an
dessen Fähigkeit zur Selbstverteidigung. Deutlich weiter ging
Kanzlerin Angela Merkel bei einem Israel-Besuch 2008. Sie erklärte
vor dem israelischen Parlament, der Knesset: „Jede
Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen
historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels
verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der
Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels
ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals
verhandelbar.“
Die Sicherheit Israels als Teil der deutschen
Staatsräson? Bundespräsident Joachim Gauck sah sich 2012
bemüßigt, dem zu widersprechen und im Blick auf potenzielle
Bundeswehreinsätze im Nahen Osten mögliche Grenzen
anzudeuten: „ ... ich will mir nicht jedes Szenario ausdenken,
welches die Bundeskanzlerin in enorme Schwierigkeiten bringt, ihren
Satz, dass die Sicherheit [Israels] deutsche Staatsräson ist,
politisch umzusetzen.“ Gemeinsam ist diesen Aussagen, dass sie
aus der Verantwortung Deutschlands für den Holocaust eine
besondere Verpflichtung zur Unterstützung Israels ableiten. Sie
unterscheiden sich aber, wenn es um die Frage geht, wie weit diese
Verpflichtung im Einzelfall geht und wozu Deutschland konkret
verpflichtet sein könnte. Sollte Deutschland Israel auch dann
unterstützen, wenn Israels Politik im offenen Widerspruch zu
völkerrechtlichen Regeln steht oder wenn die deutsche
Unterstützung eingesetzt werden kann, um Verletzungen der
Menschenrechte in den besetzten Gebieten zu begehen? Ist die
Verpflichtung zur Solidarität bedingungslos oder hat sie auch
klare Grenzen?
Lieferungen von Rüstungsgütern, die auch zur
Repression eingesetzt werden können und Lieferungen kompletter
Heereswaffensysteme werden deshalb meist vorsichtiger gehandhabt als
die Unterstützung Israels mit defensiven Systemen wie den
„Patriot“-Luftabwehrraketen oder ABC-Abwehrtechnik.
Allerdings bekam Israel in etlichen Fällen auch dann
Unterstützung, wenn es im Widerspruch zur deklarierten Politik
Deutschlands stand.
Wiederholt trat die Lieferung von Komponenten oder von
Herstellungstechnologie an die Stelle kompletter Waffensysteme, die
äußerst umstritten gewesen wären. Israel wurde zwar nie
mit Kampfpanzern wie dem Leopard 2 beliefert, erhielt jedoch
wesentliche technische Komponenten dieses Panzers für den Bau
seiner Merkava-Panzer. Die Glattrohrkanone, der Motor, das Getriebe
sowie vor allem das Stabilisierungssystem für die Kanone, das
sicherstellt, dass der Panzer auch bei voller Fahrt durchs Gelände
treffsicher schießen kann, gelangten auf mehr oder minder
verschlungenen Wegen nach Israel. Im AEG-Werk Wedel (heute ESW), dem
Hersteller des Stabilisierungssystems (LTDS), wurden die Mitarbeiter
vor Auslieferung der ersten Geräte und der Herstellungsunterlagen
per Aushang aufgefordert, alle Hinweise auf die Herkunft der Technik zu
entfernen.
Ein anderes Beispiel: Die leichten bunkerbrechenden Waffen von
Dynamit Nobel sind besonders gut geeignet, um verdeckte Ziele hinter
Mauern und Wänden zu bekämpfen. Für den Einsatz in den
besetzten Gebieten sind diese Waffen gut zu gebrauchen. Ihr Export
widerspricht jedoch der deklarierten Politik der Bundesregierung.
Trotzdem wurde sowohl der Export von Herstellungsunterlagen für
die Abschussgeräte als auch der von Teilen zum Bau der Munition
für diese Waffen 2012 genehmigt. „Was schwimmt geht, was
rollt geht nicht.“ Dieses, dem deutschen
Langzeitaußenminister Hans Dietrich Genscher zugeschriebene
Diktum fand auch mit Blick auf Israel lange Anwendung.
Militärische Schiffe und Boote machen einen großen Teil der
Unterstützung für Israel mit kompletten Waffensystemen aus.
Allerdings zeigen sich dabei jetzt auch die problematischen Seiten des
Diktums. Wieder geht es um die zentrale Frage, wie weit die
Verpflichtung Deutschlands zur Unterstützung Israels in der Praxis
gehen sollte.
Der Bau von sechs modernen U-Booten der
„Dolphin“-Klasse ist das größte
deutsch-israelische Projekt der vergangenen 20 Jahre. Drei nach
israelischen Wünschen konzipierte Boote wurden in den 1980er und
1990er Jahren entwickelt und hergestellt. Sie wurden 1999 und 2000
geliefert. Die deutschen Werften bauen derzeit drei weitere, deutlich
leistungsfähigere Boote mit einem zusätzlichen
Brennstoffzellenantrieb für Israel. Das erste Boot, die
„Tanin“, wurde 2014 überführt und wird nach einem
Umbau in Israel in Kürze in Dienst gestellt. Die Bundesregierung
erteilte vor kurzem die endgültige Genehmigung zur Ausfuhr des
zweiten Boots, der „Rahav“. Es soll in diesem Jahr
überführt werden. Das dritte Boot soll 2018 oder 2019 zur
Auslieferung kommen.
Die ersten beiden Boote hat die Bundesregierung Israel
während des Golfkriegs 1991 als Geschenk zugesagt. Das dritte Boot
finanzierte Deutschland zu etwas mehr als der Hälfte. Bei den drei
Brennstoffzellen-Booten tragen Deutschland und Israel je ein Drittel
der Kosten. Um der Regierung in Tel Aviv die Bezahlung des letzten
Drittels zu erleichtern, kauft Deutschland in Israel
Rüstungsgüter und Dienstleistungen für die Bundeswehr
ein. Der Kauf von Panzerabwehrraketen des Typs Spike oder das Leasing
von Aufklärungsdrohnen vom Typ Heron für den
Afghanistan-Einsatz sind Beispiele. Der deutsche Steuerzahler beteiligt
sich somit an den sechs Israel-U-Booten mit etwas mehr als einer
Milliarde Euro direkt und noch einmal mit mehr als 400 Millionen
für Einkäufe der Bundeswehr in Israel. Experten
mutmaßten bereits Ende der 1990er Jahre, dass Israel die in
Deutschland gebauten U-Boote als Waffenplattform für
seegestützte Marschflugkörper mit nuklearem Sprengkopf nutzen
und umrüsten werde. Eine nukleare Abschreckungskomponente auf See
sei für Israel von größtem Interesse, weil Atomwaffen
an Bord von U-Booten kaum verwundbar sind, hieß es. Auf
Nachfragen aus dem Bundestag erklärte die Bundesregierung, die
Boote seien im Auslieferungszustand nicht fähig, solche Waffen zu
verschießen. Allerdings, so räumte sie ein, sei nicht
gänzlich auszuschließen, dass Israel die Boote umrüsten
könne.
Dies war der Sachstand, als Israel Interesse an einem 2. Los
deutscher U-Boote mit zusätzlichem Brennstoffzellenantrieb zeigte.
Boote mit einem von der Außenluft unabhängigen Antrieb
können wochenlang getaucht operieren und sind deshalb als
nuklearfähige Trägersysteme noch besser geeignet als die
Boote der ersten Generation. In Deutschland wurde diese Problematik so
gut wie nicht diskutiert. Im Gegenteil: Die bereits abgewählte
rot-grüne Bundesregierung genehmigte den Export 2005 während
ihrer letzten Amtstage, ohne den Bundessicherheitsrat noch einmal
zusammenzurufen. Gegenüber dem „Spiegel“ räumten
Beamte und Politiker später ein, dass ihnen die Möglichkeit,
die Boote als Nuklearwaffenträger zu nutzen, bei der Bestellung
beider Lose durchaus bewusst gewesen sei. Heute gehen die meisten
Experten davon aus, dass Israel die Boote mit Nuklearwaffen
bestücken kann und sich zumindest die Option offen hält, dies
auch zu tun.
Geht die deutsche Verpflichtung für die Sicherheit
Israels so weit, dass Deutschland Israel, das den
Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und über ein
unerklärtes Nuklearwaffenpotenzial verfügt, aktiv
unterstützen muss, wenn es sein atomares Potenzial stärken
und aufrecht erhalten will? Ist diese Verpflichtung stärker als
das Interesse der Nichtnuklearmacht Deutschland, den
Atomwaffensperrvertrag weiter zu stärken und nukleare
Abrüstung und Nichtverbreitung mit allen Mitteln zu fördern?
Beide Fragen wurden von der Bundesregierung offenbar faktisch mit einem
klaren Ja beantwortet. Doch mit dieser Antwort könnten
künftige Bundesregierungen noch einmal unangenehm konfrontiert
werden. Auch andere Nuklearmächte wie Indien oder Pakistan sind am
Aufbau eines U-Boot-gestützten Nuklearwaffenpotenzials und an
deutschen U-Booten interessiert.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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