"The force behind the forces: seit über 40 Jahren produzieren die Pakistan
Ordnance Factories das G3
von Alexander Lurz
Nach einwöchiger Belagerung stürmten die pakistanischen Streitkräfte die Rote
Moschee in Islamabad. Über hundert Menschen fanden in den stundenlangen Gefechten den
Tod. Die Bilder dieser Tragödie gingen in diesem Monat um die Welt. Bei der Erstürmung
griffen die pakistanischen Soldaten auch auf deutsche Technologie zurück: sie setzten das
Sturmgewehr G3 ein.
Seit Mitte der 60er Jahre stellt Pakistan das G3 in seinen staatlichen
Rüstungsbetrieben, den Pakistan Ordnance Factories, nach Eigenwerbung die "force
behind the forces", in Lizenz her. Die Produktion deckt nicht nur den Bedarf der
eigenen Streitkräfte, sondern ermöglicht auch den Export.
Das Bundesverteidigungsministerium, Inhaber der G3-Lizenz, überließ im März 1963 der
damaligen Regierung in Islamabad, dem Militärregime Ayub Khans, kostenfrei die
Nachbaurechte für das Sturmgewehr. Fünf Monate später unterzeichnete die Oberndorfer
Rüstungsschmiede Heckler & Koch (HK) einen Kooperationsvertrag mit den pakistanischen
Machthabern, in dem der Aufbau der Produktionsanlagen in den Pakistan Ordnance Factories
(POF) in Wah nahe Islamabad vereinbart wurde. Ein Veto des Auswärtigen Amtes war nicht zu
befürchten. Die Beamten dort freuten sich, dass "die Förderung der Herstellung von
Waffen (...) uns der Notwendigkeit enthebt, Anträge auf Lieferung von Fertigwaffen
entsprechend unserer grundsätzlichen Haltung in dieser Frage abzulehnen." Ebenso
passte die Lizenzvergabe in die Strategie des Auswärtigen Amtes, "unseren Freunden
auf kommerzieller Basis beim Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie zu helfen."
Nach Vertragsabschluss ging Heckler & Koch zügig ans Werk. Anfang 1964 erfolgten
die ersten Lieferungen von Spezialmaschinen, Einzelteilen sowie Rohren und Verschlüssen.
Zu Beginn des folgenden Jahres war die Fabrikation angelaufen: Heckler & Koch konnte
Munition zum Einschießen der Gewehre liefern. Damit stand das G3 den pakistanischen
Streitkräften im begrenzten Umfang schon während des zweiten Indisch-Pakistanischen
Krieg im Herbst 1965 zur Verfügung.
Nachdem die Erstausstattung der Streitkräfte abgeschlossen war, begann Pakistan mit
dem weltweiten Export des G3. Nur wenige gesicherte Informationen liegen über die
Abnehmer vor. Einer der ersten Käufer war wahrscheinlich das Regime Siad Barres in
Somalia, welches 1977 seine Arsenale mit den Produkten der POF füllte. Nachweisliche
Abnehmer sind auch Bangladesch und Sri Lanka, dessen Armee das G3 im Bürgerkrieg gegen
die Rebellen der Tamil Tigers einsetzt. Womöglich erhielten in den letzten Jahren auch
die Streitkräfte Iraks das Sturmgewehr. Ende 004 schlossen eine irakische
Einkaufsdelegation und die POF einen Vertrag über die Lieferung von Waffen und Munition
im Wert von $ 49 Millionen. Die Vertragsdetails sind nicht bekannt, das G3 war allerdings
Teil des auf die irakischen Bedürfnisse zugeschnittenen Angebotpakets.
Der Vertrag mit dem Irak fällt in eine Zeit, in der die Exportanstrengungen des stets
devisenschwachen Staats zunehmen. Seit 2000 veranstaltet das Ministry of Defence
Production im zweijährigen Rhythmus die Rüstungsmesse IDEAS in Islamabad. Die
professionelle Leistungsshow der heimischen Rüstungsindustrie findet von Veranstaltung zu
Veranstaltung mehr Resonanz im Ausland und somit potentielle Kunden für das G3 made in
Pakistan.
Auch außerhalb der IDEAS üben sich die POF in der Vermarktung. Auf ihrer Homepage
(www.pof.gov.pk) preisen sie in Wort und Bild ihre Produkte an, unter anderem mit der
Referenz "with technology acquired from world leaders in Small Arms namely H&K
Germany". Eine Zustimmung von deutscher Seite benötigt Pakistan für die Exporte der
"Braut des deutschen Soldaten" übrigens nicht. Endverbleibsregelungen für im
Ausland in Lizenz produzierte deutsche Waffen führte die Bundesregierung erst 1982 ein
zwei Jahrzehnte nach Vertragsabschluss mit den Freunden in Pakistan.
ist Mitarbeiter des BITS.
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