Kleinwaffen Newsletter
Juni 2007


Internationaler Strafgerichtshof:
Haftbefehl wegen G3-Lieferungen an Janjaweed

von Roman Deckert

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag stellt fest: Heckler-Technik richtet in Darfur Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo wirft dem sudanesischen Staatsminister für humanitäre Angelegenheiten (!) Mohamed Ahmed Harun u.a. vor, die Janjaweed-Milizen mit G3-Sturmgewehren aufgerüstet zu haben. Im vergangenen Monat erließen die Richter Haftbefehl.

Der Einsatz von G3 in dem Konflikt, der seit 2003 bis zu 400.000 Todesopfer gefordert hat, ist vielfach dokumentiert. Die Vereinten Nationen und unabhängige Menschenrechtsgruppen haben immer wieder darüber berichtet. Fast jedes Foto, das es von beteiligten Kämpfern gibt, zeigt neben Kalaschnikows den Exportschlager von Heckler & Koch. Selbst auf Zeichnungen von Flüchtlingskindern ist das G3 eindeutig zu identifizieren.

Das G3 hat eine ebenso lange wie unselige Tradition in Darfur. Bereits 1966 meldete die bundesdeutsche Botschaft im Tschad, dass Waffen aus der BRD bei Gefechten an der Grenze zum Sudan benutzt wurden. Die Militärs in Khartoum hatten bis dahin knapp 30.000 G3 über Bonner Rüstungshilfen erhalten. Der Tschad wiederum war von dem berüchtigten Waffenhändler Gerhard Mertins mit Tausenden G3 ausgestattet worden – mit Zustimmung des Auswärtigen Amtes. Auch in den siebziger Jahren bezog die sudanesische Armee, die sich zu einem großen Teil aus Darfuris rekrutiert, massive Kontingente an G3 und anderen Heckler-Modellen aus Oberndorf. In den achtziger Jahren folgten Lieferungen aus saudischer und britischer Lizenzproduktion, mit denen die Khartoumer Machthaber die Reitermilizen in Darfur für den Kampf gegen südsudanesische Rebellen hochrüsteten.

Erst dieser anhaltende Zustrom von Schnellfeuerwaffen ließ die Spannungen in der marginalisierten Westregion derart eskalieren, dass 2003 der verheerende Krieg ausbrach. Die Gesellschaft für bedrohte Völker veröffentlichte bereits im Jahr darauf detaillierte Berichte, wonach das Regime in Khartoum die Janjaweed mit G3 aus iranischer Lizenzfertigung hochrüstete. Als daraufhin der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung stellte, wiegelte Außenstaatssekretär Jürgen Chrobog ab. Man habe "kein klares Bild über die Herkunft im Sudan befindlicher G3-Gewehre" – obwohl renommierte Experten schon 1992 den Transfer von 50.000 iranischen G3 öffentlich gemacht hatten.

Die wahre Dimension dieses Skandals wird wohl am treffendsten durch das zum Ausdruck gebracht, was der Darfur-Spezialist und Harvard-Professor Alex de Waal zu dem Namen "Janjaweed" herausgefunden hat: "Er soll eine Zusammensetzung sein aus der arabischen Bezeichnung für das G3, das Gewehr des schwäbischen Waffenproduzenten Heckler & Koch, und dem Wort dschawad, Pferd, das im westsudanesischen Dialekt aber auch ,Pöbel’ bedeutet." Die iranischen Rüstungsbetriebe werben unterdessen stolz mit ihrer Heckler & Koch-Qualität (http://www.diomil.ir/en/aig.aspx link "assault rifles") – ebenso wie die Pakistan Ordnance Factories (http://www.pof.gov.pk/products.htm). Die pakistanische Waffenschmiede betreut anscheinend noch immer die sudanesische Munitionsfabrik, die einstmals von der bundeseigenen Firma Fritz-Werner errichtet wurde.

Leider erwähnen die deutschen Medien die massenhafte Verbreitung des G3 in Darfur so gut wie nie, dafür um so häufiger die allgegenwärtigen Kalaschnikows. Doch selbst von diesen dürften etliche aus Deutschland stammen. Die DDR lieferte Hunderttausende AK47 und AKM aus eigener Produktion an Äthiopien und Libyen, die ihrerseits die sudanesischen Rebellen unterstützten. Amnesty International zufolge benutzen die Janjaweed sogar Patronen aus DDR-Herstellung (siehe Mai-Ausgabe des Kleinwaffen-Newsletters). Ein Bild von den Folgen der deutsch-deutschen Waffenexporte kann man sich übrigens in der aktuellen Ausgabe des GEO-Magazins machen ("Das Drama Darfur", Heft 6/2007).


 

ist Mitarbeiter im Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und schreibt seine Doktorarbeit über das Thema “Die beiden deutschen Staaten und der Sudan”.