Die „kritische Hauptversammlung“ Rheinmetalls 2008
Oder: Warum produziert der Sudan das
MG3?
von Alexander Lurz
Die ordentliche Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft gibt den
Aktionären einmal im Jahr das Recht, die Dividende zu beschließen, über
die Unternehmensstrategie abzustimmen, den Vorstand und den Aufsichtsrat
zu entlasten und: Fragen zu stellen. Am Dienstag, den 6. Mai, war es bei
Rheinmetall wieder soweit. Der Vorstand der Düsseldorfer
Rüstungsschmiede lud die Anteilseigner in das Hotel Maritim in der
Berliner Stauffenbergstraße.
Auf den Weg dorthin machte sich auch Dorothea Kerschgens vom
Dachverband der Kritischen Aktionäre. Ihre Fragen an den Vorstand sollten
sich jedoch von denen der anderen Aktionäre unterscheiden. Sie fragte
nicht nach der Entwicklung des Aktienkurses oder der Vergütung des
Aufsichtsrates. Von dem Vorstandsvorsitzenden Klaus Eberhardt verlangte
sie Auskünfte über Rüstungsexporte in Entwicklungsländer, den Stand
der Klage von Apartheidsopfern in den USA gegen die Düsseldorfer und den
Lizenzvergaben- und Einnahmen des MaschinengewehresMG3.
Der letzte Fragenkomplex hat einen pikanten Hintergrund. Der staatliche
sudanesische Rüstungskonzern Military Industry Corporation (MIC)
gibt seit einigen Monaten auf seiner Homepage (www.mic.sd)
an, das MG3 unter dem Namen Karar zu produzieren.
Ein Rheinmetall-Produkt im Einsatz in Darfur? Ein unangenehmes Thema
für den Vorstandsvorsitzenden, der kurz zuvor noch Beifall für die
positive Jahresbilanz erhalten hatte. Eberhardt ergriff die Flucht nach vorne und an der
Frage vorbei. Sein Konzern habe keine Waffen an den Sudan geliefert und
das Embargo achte man selbstverständlich. Auch Kerschgens Frage nach
etwaigen Einnahmen aus der MG3-Lizenzproduktion in Iran und Pakistan blieb
unbeantwortet. Das sei vor seiner Zeit bei Rheinmetall gewesen, so der
Vorstandsvorsitzende.
Für Kerschgens blieb der Vormittag dennoch nicht ohne Erfolg. Beim
abschließenden Mittagessen zeigte sich, dass ihre Fragen und begleitenden
Ausführungen nicht ohne Wirkung geblieben waren. Ihre Tischnachbarin war
nachdenklich geworden und wollte mehr hören zum Thema "Kanonen"
und Entwicklungsländer. Eine Erfahrung, die Kerschgens nicht zum ersten
Mal machte. Auch im letzten Jahr, so die kritische Aktionärin, sei sie
von Anteilseignern angesprochen worden, die durch ihren Auftritt erstmals
einen Bezug zwischen ihrer Dividende und der Kehrseite des Waffenexportes
herstellten.
Die Fragen Keschgens zum Thema MG3 hat der Autor am 16. Mai in
erweiterter Form schriftlich nochmals an den Leiter der
Unternehmenskommunikation Rheinmetalls, Peter Rücker, gerichtet. Bis zum
Redaktionsschluss dieser Ausgabe blieb eine Antwort aus. Auf Nachfrage
erklärte das Büro Rückers lapidar: die Angelegenheit sei an den
Archivar des Unternehmens weitergeleitet worden - das dauere eben. Die
erbetene Voraberklärung, dass Rheinmetall zumindest in den letzten Jahren
der MIC keine Lizenz zum Nachbau des MG3 erteilte, wurde nicht gegeben.
ist Mitarbeiter des BITS.
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