Rezension: Kindersoldaten & Kleinwaffen
von Roman Deckert
Zu den grauenhaftesten Erscheinungen unserer Zeit gehört die
Kindersoldatenproblematik. Doch erst seit wenigen Jahren erfährt dieses
Thema verstärkte Aufmerksamkeit. Bücher ehemaliger Kindersoldaten und
Kindersoldatinnen, Reportagen über minderjährige Kämpfer und
Sexsklavinnen in Uganda und Kongo sowie Hollywood-Blockbuster wie "Blood
Diamond" haben das Interesse der westlichen Öffentlichkeit geweckt.
Die komplexen Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge werden jedoch
allzu häufig auf einfache Erklärungen wie ethnische Konflikte verkürzt.
Um so wichtiger ist das Buch "Kindersoldaten, neue Kriege und
Gewaltmärkte" von Michael Pittwald, das jetzt in einer zweiten
überarbeiteten und aktualisierten Neuauflage erschienen ist (Sozio-Publishing-Verlag,
Belm-Vehrte – € 24,90 – 142 Seiten), mit einem Vorwort eines
"Veteranen" der Friedensforschung, Dr. Peter Lock. Pittwald,
promovierter Politikwissenschaftler und Leiter des Osnabrücker Instituts
für praxisorientierte Sozialforschung & Beratung, hat ein
Standardwerk geschrieben. Dabei ist zu hoffen, dass es über den Kreis der
Fachleute hinaus weite Beachtung findet.
Der erste Teil der Untersuchung umfasst Übersichten über den
Forschungsstand, die Rekrutierungsfaktoren, die Geschichte des
Kindersoldatentums, die völkerrechtliche Lage und schließlich den
Einfluss von Ökonomie und Ideologie. Der zweite Teil besteht aus einer
empirischen Fallstudie über frühere Kindersoldaten in Mosambik. Die
gesamte Darstellung besticht durch eine überaus klare Differenzierung der
Thematik. Sie läßt sich ebenso gut von Anfang bis Ende durchlesen wie
als Nachschlagewerk für einzelne Aspekte benutzen.
Aus DAKS-Sicht ist besonders erfreulich, dass Pittwald der zentralen
Rolle von Kleinwaffen ein eigenes Unterkapitel einräumt. Zwar stellt er
klar, dass "die bloße Existenz von Kleinwaffen noch kein Grund
für einen Krieg oder bewaffneten Konflikt [ist]." Er betont
jedoch, dass gerade in Entwicklungsländern "ohne diese Waffen
Kriege nicht über längere Zeiträume geführt werden [können]."
Während viele andere Berichte den Fokus nur auf die allgegenwärtige
Kalaschnikow richten, widmet sich Pittwald dankenswerterweise auch
eingehend dem G3-Sturmgewehr von Heckler & Koch. Tatsächlich ist die
Kalaschnikow wegen ihres geringeren Gewichts und robusteren Designs die
Standardwaffe der meisten Kindersoldaten. Es gibt jedoch etliche Belege
dafür, dass das G3 und sein Ableger HK33 in zahlreichen Konflikten die
zweithäufigsten Mordinstrumente sind.
So lieferte der deutsche Exportschlager einem Bericht von Human Rights
Watch über Kindersoldaten in Birma den Titel: "My Gun was as tall
as me." Beschlagnahmungen bei der ugandischen Lord's Resistance
Army haben gezeigt, dass das G3 auch bei der wohl berüchtigsten
Kindersoldaten-Truppe die Nummer Zwei ist. Ein eindrucksvolles Bild von
einem afrikanischen Kindersoldaten mit G3 bietet eine Broschüre des
Freiburger RüstungsInformationsBüros (RIB) über die Oberndorfer
Waffenschmiede: http://www.rib-ev.de/daks/grafik/fonds3.jpg
arbeitet als Kleinwaffen-Analyst
im Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und ist
Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsBüros Freiburg i.Br. (RIB).
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