Heckler & Koch: G36 auf den Philippinen

von Roman Deckert

Seit dem Sturz des Diktators Ferdinand Marcos im Jahr 1986 ist die philippinische Demokratie immer wieder durch gewalttätige Konflikte erschüttert worden. Im südlichen Teil der Inselrepublik kämpfen Regierungstruppen gegen muslimische Separatisten und kommunistische Rebellen. Dabei ist auch die Staatsmacht für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Amnesty International dokumentiert eine Vielzahl so genannter extra-judicial killings, willkürlicher Ermordungen, vor allem von linken Oppositionellen.[ 1 ] In dieser Situation rüsten sich die staatlichen Spezialeinheiten mit dem modernen G36-Sturmgewehr von Heckler & Koch (H&K), wie Photos von Paraden und Übungen beweisen.[ 2 ]

Die Philippinen sind ein traditioneller Abnehmer von H&K-Waffen. Der G36-Vorgänger G3 ist laut Jane’s Infantry Weapons noch immer eines der Standardgewehre der Armee, neben dem amerikanischen M16 und dem israelischen Galil.[ 3 ] Der Ursprung dieser G3 ist unbekannt, womöglich stammen sie aus einer begrenzten Eigenfertigung. RIB-Vorstand Jürgen Grässlin zufolge ist es unstrittig, dass das Marcos-Regime eine Lizenz zur G3-Herstellung erhielt, über die ansonsten aber wenig bekannt ist.[ 4 ] Aus einem Dokument der US-Botschaft von 1974 geht hervor, dass die Washingtoner Regierung die Produktion des M16 von Colt gegen die Konkurrenz von H&K durchsetzte.[ 5 ]

Darüber hinaus bezogen die philippinischen "Sicherheitskräfte" MP5-Maschinenpistolen aus verschiedenen Quellen. Amnesty International hat berichtet, dass die Pakistan Ordnance Factories 1999 Lieferungen aus eigener Lizenzherstellung bekannt gaben.[ 6 ] Eine detaillierte Reportage des "Manila Standard" belegt den Kauf von MP5 aus englischer Fertigung.[ 7 ] Diesen Umweg nutzte H&K systematisch, um die deutschen Exportbeschränkungen zu umgehen.[ 8 ]

Über korrupte Armee- und Polizeiangehörige sind zahlreiche dieser Waffen auf den Schwarzmarkt gelangt. Ein Artikel des "Manila Standard" vom März 2007 beleuchtet diese Problematik anhand eines Schmuggels von MP5 aus Beständen des "Metro Manila’s Special Weapons and Tactics Team" nach Taiwan.[ 9 ] Nach Informationen des Small Arms Survey schätzt die philippinische Regierung selber die Zahl der illegalen Waffen auf mehrere Hunderttausend.[ 10 ]

Trotz dieser alarmierenden Zustände hat der deutsche Staat in den vergangenen Jahren wiederholt die Ausfuhr von Kleinwaffen in das Krisengebiet erlaubt. 1999 wurden laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung Genehmigungen für Revolver und Pistolen im Wert von DM 260.000 [ 11 ] sowie 2002 für Übungsschießgeräte erteilt.[ 12 ] Zwischen 2004 und 2006 gaben die zuständigen Ministerien grünes Licht für 61 Gewehre, offenbar G36, und 67 Maschinenpistolen, bei denen es sich womöglich um den MP5-Nachfolger MP7 handelt.[ 13 ] Hierbei handelte es sich womöglich um Testwaffen. Wahrscheinlich bezogen die philippinischen Streitkräfte größere Kontingente von der ehemaligen Kolonialmacht Spanien, für die die Philippinen der wichtigste Verbündete in Südostasien sind. H&K produziert das G36 nicht nur in Oberndorf, sondern auch in La Coruña zusammen mit der Waffenschmiede "General Dynamics Santa Bárbara Sistemas".[ 14 ]

Derweil statten sich auch mehrere Nachbarstaaten mit den aktuellen H&K-Gewehren aus. Spezialeinheiten in Singapur [ 15 ] und Thailand [ 16 ] verfügen über G36, in Malaysia [ 17 ] und Indonesien [ 18 ] außerdem noch über das neue HK416. Nachdem die Region während des Kalten Krieges mit G3 und dessen Ableger HK33 hochgerüstet wurde,[ 19 ] droht sich diese Entwicklung mit der jüngsten Generation von H&K-Modellen zu wiederholen. Es ist zu befürchten, dass die "Elitesoldaten" hierbei nur die Vorhut bilden und bald auch reguläre Verbände entsprechend bewaffnet werden.

Die Bundesregierung unterstützt diese Länder im Kampf gegen den Terror, insbesondere seitdem die deutsche Familie Wallert im Jahr 2000 auf der malaysischen Insel Jolo durch philippinische Rebellen entführt wurde. Gerade im Fall der Philippinen ist es jedoch angesichts der alarmierenden Menschenrechtslage unverantwortlich, durch Waffenlieferungen zur Eskalation der gesellschaftlichen Konflikte beizutragen.

arbeitet als Kleinwaffen-Analyst im Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und ist Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsBüros Freiburg i.Br. (RIB).