HK33-Einsatz in Ecuador
von Roman Deckert
Anfang März drohte in Südamerika ein zwischenstaatlicher Krieg, nachdem die
kolumbianische Armee auf ecuadorianischem Gebiet die Nr. 2 der FARC-Rebellen, Raúl Reyes,
erschossen hatte. Ecuador verlegte wie Venezuela umgehend große Truppenkontingente an die
Grenze und warnte vor weiteren Übergriffen. Auf Bildern von der Mobilmachung ist zu
sehen, dass die Soldaten mit HK33-Sturmgewehren von Heckler & Koch (H&K) in den
Konflikt zogen. Noch im Februar hatte das Verteidigungsministerium für eine Gruppe von
Journalisten eine Schießübung mit HK33 veranstaltet.
Zwar erklärten die Präsidenten der drei Staaten auf bizarre Weise bei einem Gipfel in
der Dominikanischen Republik den Streit kurzerhand für beigelegt. Doch die Spannungen
können in der Kleinwaffen-starrenden Region jederzeit neu ausbrechen. Erst 1995 entluden
sich Grenzstreitigkeiten zwischen Ecuador und Peru in offenen Gefechten. Der Cenepa-Krieg
forderte innerhalb eines Monats geschätzte 500 Todesopfer Die ecuadorianische Infanterie
kämpfte dabei mit HK33 (Kaliber 5,56mm), einem Ableger des H&K-Exportschlagers G3
(7,62mm).
Das Außenministerium in Quito erklärt auf seiner Webseite, dass die Streitkräfte
1994 ihre belgischen FAL-Gewehre durch knapp 30.000 HK33 ersetzten. Der Vertrag "con
Alemania" sei völlig im legalen Rahmen gewesen. Nach Erkenntnissen von Jane's
Defence wurden die Waffen in England montiert. Diesen Umweg nutzte H&K systematisch,
um die deutschen Exportbeschränkungen zu unterlaufen (s. "Kenia: Krise und
Kleinwaffen" im Newsletter vom Januar 2008).
Während des Cenepa-Krieges lieferte Chile weitere 3.000 HK33, wie der ecuadorianische
Armeechef Victor Bayas in einem späteren Prozess wegen illegaler Waffendeals mit
Argentinien aussagte. Chile wiederum hatte die HK33 schon während der Diktatur Pinochets
bezogen. Offenbar stammten sie aus Thailand, wo H&K ab 1971 eine HK33-Lizenzproduktion
aufgebaut hatte. Die BRD-Botschaft in Bangkok berichtete 1975 von Gerüchten über einen
Export von 4.000 HK33 an Chile, was sich später bestätigte.
Wie in Asien und Afrika hatte H&Ks globalisierte Geschäftspolitik auch in
Lateinamerika zur Folge, dass alle Seiten über Waffen aus Oberndorf verfügten. Perus
Armee kämpfte im Cenepa-Krieg mit G3, deren Ursprung unbekannt ist. Bei den
kolumbianischen Militärs, die eine eigene Lizenzfertigung betrieben, war das G3 bis weit
in die Neunzigerjahre die Standardwaffe. Auch wenn das Heer heute auf das israelische
Galil setzt, sind noch immer zahllose G3 im Einsatz, auch in den Händen von Rebellen und
Todesschwadronen. 2003 gab es Presseberichte über illegale Einfuhren von G3 und HK33 aus
Ecuador, das laut Small Arms Survey eine Rekordrate an Tötungsdelikten mit Schusswaffen
hat. 2006 dokumentierte ein UN-Bericht den Schmuggel von G3 aus Beständen der
peruanischen Nationalgarde nach Kolumbien (s. "Una Historia de la Violencia" im
Newsletter vom August 2007).
H&K hat zwar mittlerweile seine HK33-Produktion eingestellt, aber dafür noch 1998
eine Lizenz an die türkische Waffenschmiede MKEK erteilt. RIB-Vorstand Jürgen Grässlin
hat in der Türkei recherchiert, dass Ecuador auf der Kundenliste des staatlichen
Rüstungskonzerns steht. Chile hat unterdessen seine Soldaten mit modernen
H&K-Gewehren des Typs G36 ausgestattet, der auch in Spanien in Lizenz hergestellt
wird. Es scheint daher nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der neue Exportschlager aus
Oberndorf die Wege des G3 nimmt.
arbeitet als Kleinwaffen-Analyst
im Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und ist
Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsBüros Freiburg i.Br. (RIB).
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