Hiroshima: Angriffsbefehl kam aus Deutschland
Über
die Entscheidung während der Potsdamer Konferenz
von Gerhard Piper
Am 6. August 1945 jährt sich der Atombombenangriff auf
Hiroshima
zum 70. Mal. Mittlerweile sind über 280.000 Menschen an den
Folgen
dieses Angriffes verstorben. Die letzten Überlebenden, die so
genannten Hibakushas, werden sich - wie jedes Jahr - im Friedenspark
von Hiroshima versammeln um der Opfer zu gedenken. Oft wird
übersehen, dass der Einsatzbefehl zur Vernichtung der Stadt
aus
Deutschland kam, weil der verantwortliche US-Präsident Harry
S.
Truman damals an der Potsdamer Konferenz teilnahm.
Fertigstellung der
Bomben
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem europäischen
Kriegsschauplatz trafen sich die Regierungschefs der drei beteiligten
Siegermächte im Schloss Cecilienhof in Potsdam, um
Vereinbarungen
über die Fortsetzung des Krieges in Fernost und die weitere
Nachkriegsordnung auszuhandeln.
Die USA wurden durch ihren Präsidenten Harry S. Truman
vertreten,
die Sowjetunion durch Josef Wissarionowitsch Stalin. Die britische
Regierung wurde zunächst durch Winston Churchill
repräsentiert, nach dessen Wahlniederlage übernahm am
28.
Juli Clement Richard Attlee diese Funktion. Frankreich, das im Zweiten
Weltkrieg von Deutschland großenteils besetzt worden war,
galt
damals offiziell noch nicht als Siegermacht und war daher nicht an der
internationalen Konferenz beteiligt.
Nach einer Pleite als Inhaber eines Krämerladens für
Herrenkonfektion (Hüte, Handschuhe und Gürtel) hatte
Harry S.
Truman jahrelang als Straßenbauingenieur gearbeitet und in
Abendkursen Jura studiert. Im Jahr 1934 avancierte er zum Senator
für Missouri. Im Präsidentschaftswahlkampf 1944
machte ihn
US-Präsident Franklin Delano Roosevelt zu seinem Kandidaten
für den Posten des Vizepräsidenten.
Nach dem gemeinsamen Wahlsieg wurde Truman am 20. Januar 1945 formal
zum US-Vizepräsidenten ernannt. Trotz dieses Titels hatte
Truman
zunächst keinerlei Einfluss auf die politischen Entscheidungen
der
US-Regierung. Dies änderte sich drei Monate später,
als
Roosevelt am 12. April 1945 plötzlich an einem Schlaganfall
verstarb und Truman noch am selben Tag sein Nachfolger wurde. Einen Tag
später erfuhr Truman durch den Kriegsminister Henry Lewis
Stimson,
dass die US-Regierung seit Jahren an einer neuartigen Bombe arbeitete.
In seinen Memoiren berichtete Truman 1955:
Er wolle, sagte er, mit mir über eine
äußerst
dringliche Sache reden. Ein riesiges Projekt sei in Ausführung
begriffen - ein Projekt zur Entwicklung eines neuen Explosivstoffes von
fast unglaublicher Zerstörungskraft. Mehr glaube er im Moment
nicht sagen zu dürfen. Seine Mitteilung klang
rätselhaft und
verblüffte mich, es handelte sich um die erste karge
Information,
die ich über die Atombombe erhielt.
Harry Truman
Erst am 24. April 1945 erfuhr Truman durch den damaligen
Rüstungsminister James Francis Byrnes und den Chef der
Abteilung
für Wissenschaftliche Forschung Vannevar Bush technische
Details
der so genannten Atombombe.
Bis Februar 1945
galt Deutschland als alleiniges Atombombenziel
Die US-Regierung hatte in den Jahren 1939 bis 1942 nach und nach die
Entwicklung einer Atombombe im Rahmen des so genannten Manhattan
Project[ 1
] aufgenommen, weil auch das Deutsche Reich an einer solchen
Bombe arbeitete[ 2 ]. Mit der Produktion einer eigenen
Bombe wollte die
Regierung in Washington einer deutschen Atombombe zuvorkommen und ihre
Waffe gegebenenfalls gegen Deutschland einsetzen. Als potentielle Ziele
galt zunächst die Reichhauptstadt Berlin. Später
stand die
Industriezone Mannheim/Ludwigshafen ganz oben auf der
imaginären
Zielliste, aber auch andere potentielle Ziele werden in der Literatur
genannt, so z. B. Dresden.
Zumindest noch bis Februar 1945 galt Deutschland als alleiniges
Atombombenziel. Aber da die alliierten Truppen nach der Landung in der
Normandie am 6. Juni 1944 überraschend schnell
vorstoßen
konnten, wurden diese Einsatzüberlegungen mit der deutschen
Kapitulation am 8. Mai 1945 obsolet. Eigentlich hatten die Alliierten
die deutsche Niederlage erst für den Herbst 1945 erwartet,
dann
wäre Deutschland tatsächlich noch das Ziel eines
US-Atombombenangriffs geworden. Da der Krieg nach der deutschen
Niederlage gegen das japanische Kaiserreich weiter andauerte,
rückten nun dessen Städte ins Visier des
US-Militärs.
Aber noch war die Atombombe nicht fertig gestellt und niemand wusste,
ob sie überhaupt funktionieren würde. Die
Nuklearwissenschaftler hatten mit dem ersten Test noch warten wollen.
Am 31. Mai 1945 traf sich der Wissenschaftliche Beirat mit
Kriegsminister Stimson, und die Wissenschaftler meinten, ein erster
Test könne zwischen Anfang und Mitte August stattfinden. Aber
die
projektbeteiligten Militärs unter Führung von
Generalmajor
Leslie Richard Groves drängten auf einen früheren
Termin. Sie
wollten den Test zum Beginn der Potsdamer Konferenz
durchführen,
damit ein Testerfolg der US-Delegation den Rücken in den
schwierigen Verhandlungen mit der Sowjetunion stärken sollte.
So
wurde schließlich der 16. Juli 1945 als Testdatum festgelegt,
obwohl die Wetterprognosen für diesen Tag ungünstig
waren.
An Morgen des 16. Juli, um 5.30 Uhr Ortszeit, wurde in der abgelegenen
Wüste des US-Bundesstaates New Mexico, in einem Tal mit dem
Namen
"Jornada de la Muerte", die erste Atombombe gezündet. Der
Codename
für den Test lautete TRINITY. Bei dem Prototypen mit dem
Codenamen
CHRISTIE handelte es sich um eine neuartige Bombe, die als Kernmaterial
hochangereichertes Plutonium-239 enthielt und nach dem
Implosionsprinzip funktionierte. Noch handelte es sich nicht um eine
flugfähige Bombe, stattdessen platzierte man das "device" auf
einen rund 35 Meter hohen Stahlturm, der bei der Explosion
vollständig verdampfte. Dreihundert Wissenschaftler und
zweihundert Soldaten waren die einzigen Augenzeugen (Trinity sprengte
die Welt in ein neues Zeitalter[ 3 ]).
Die beteiligten Bombenkonstrukteure um J. Robert Oppenheimer waren sich
bis zur letzten Sekunde nicht sicher, ob das Ding funktioniert, wie
hoch die erwartete Sprengkraft sein würde oder ob nicht die
ganze
Erde schon bei diesem Test zerstört werden würde.
Tatsächlich hatte die Testbombe eine Sprengkraft von immerhin
20.000 Tonnen TNT-Äquivalent, während die damals
größten konventionellen Bomben, die britischen
"Blockbuster"
vom Typ GRAND SLAM, gerademal eine Sprengkraft von 4.108 kg bei einem
Gesamtgewicht von 10 Tonnen hatten.
Mit dem erfolgreichen Test am 16. Juli war die
Funktionsfähigkeit
der Bombe bewiesen. Nun konnten die japanischen Städte atomar
zerstört werden, sobald die erste einsatzfähige Bombe
fertig
gestellt und der US-Präsident als Oberbefehlshaber der
Streitkräfte dazu seinen Einsatzbefehl erteilen würde.
Dazu mussten nun auch die Trägerflugzeuge nach Fernost verlegt
werden. Als Trägerflugzeug für die überaus
schweren
Bomben kam nur der Bomber vom Typ Boeing/Martin Omaha "B-29-45-MO
SUPERFORTRESS" in Frage. Anfang März 1945 wurde 28 dieser
Maschinen der 509th Composite Group unter dem Kommando von Oberst Paul
Warfield Tibbets Jr. auf dem Fliegerhorst Wendover im US-Bundesstaat
Utah zugeteilt. Bald darauf verlegte der Bomberverband auf die
Pazifikinsel Tinian. Am 27. Juni landete hier auch die B-29 mit dem
Spitznamen "Enola Gay", die schließlich die erste Atombombe
auf
Hiroshima abwerfen sollte.
Schließlich mussten auch die Atombomben an die Front verlegt
werden. Dazu zerlegten die Techniker sie in Einzelteilen. Die
Uranladung wurde in San Francisco an Bord des Kreuzers "CA-35 USS
INDIANAPOLIS" eingeschifft und nach Tinian transportiert, wo sie am 26.
Juli eintraf. Drei Tage später wurde der Kreuzer von einem
japanischen U-Boot torpediert und sank. Die 320th Troop Carrier
Squadron (320th TCS) flog mit fünf Transportflugzeugen C-54
SKYMASTER weitere Bombenteile nach Tinian.
"Babies
satisfactorily born" - Entscheidungsfindung in Potsdam
Als der erste Atomtest durchgeführt wurde, hielt sich
US-Präsident nicht im Weißen Haus in Washington auf,
sondern
er weilte in Potsdam vor den Toren der früheren deutschen
Reichhauptstadt, um an der gleichnamigen Konferenz teilzunehmen. Also
musste er von hier aus seinen Einsatzbefehl erteilen oder den ersten
Angriff auf die Zeit nach seiner Rückkehr verschieben.
Letzteres
kam aber aus politischen Gründen nicht in Frage, da die
sowjetische Führung ihre Kriegserklärung an Japan
vorbereitete, um dort eigene Geländegewinne zu erzielen. Um
dies
zu verhindern, wollte die US-Regierung eine japanische Kapitulation
durch einen Atomwaffeneinsatz erzwingen.
Die Anreise von den USA nach Potsdam dauerte damals eineinhalb Wochen:
Harry S. Truman reiste am 6. Juli 1945 mit dem Zug von Washington DC
nach Newport in Virginia. Dort bestieg der Präsident den
Kreuzer
"CA-31 USS AUGUSTA", der am 15. Juli in Antwerpen (Belgien) anlegte.
Von dort ging es mit dem Pkw weiter nach Brüssel. Hier bestieg
Truman die Präsidentenmaschine Douglas "VC-54C SKYMASTER
SACRED
COW", die ihn noch am gleichen Tag zum Fliegerhorst in Berlin-Gatow
flog. Für die Dauer der Konferenz wurde er bis zum 2. August
in
einer Villa in Potsdam-Neubabelsberg am Griebnitzsee untergebracht.
Truman nannte die Villa "Little White House". Eigentlich hieß
das
Objekt "Haus Erlenkamp" und war 1891 von dem Verleger Carl
Müller-Grote in der damaligen Kaiserstraße Nr. 2
erbaut
worden. Mit der Machtübernahme der Nazis wurde die
Straße
kurzzeitig in "Straße der SA" umbenannt. Am 8. Mai 1945
requirierte die sowjetische Besatzungsmacht das Gebäude, und
die
Bewohner wurden kurzfristig vertrieben. Zusammen mit dem
US-Präsidenten waren sein neuernannter Außenminister
James
Francis Byrnes und der Militärberater Admiral William Daniel
Leahy
ebenfalls in dem Haus untergebracht. Unter dem Dach hatte der
Nachrichtenoffizier George M. Elsey als Chriffrierspezialist seine
Funkstelle.
Josef Wissarionowitsch Stalin residierte ein paar Meter weiter in der
Villa Herpich (heute: Karl-Marx-Str. 27); Churchill bzw. Attlee waren
in der Villa Urbig (heute: Virchowstr. 23) einquartiert.
Nach dem Bombentest am 16. Juli wurde US-Präsident Truman noch
am
selben Tag von dem "Erfolg" unterrichtet. Der beauftragte
Sonderassistent des Pentagons, George Leslie Harrison, schickte ein
erstes Kurztelegramm, das um 19.30 Uhr in Potsdam eintraf: "Babies
satisfactorily born". Bald darauf traf ein zweites Telegramm von
Harrison ein:
Operation heute morgen erfolgt. Diagnose noch nicht
vollständig,
aber Ergebnisse erscheinen befriedigend und übertreffen
bereits
Erwartungen. Mitteilung an die Ortspresse erforderlich, weil das
Interesse sich auf eine große Entfernung ausdehnt. Dr. Groves
ist
erfreut. Er kehrt morgen zurück. Ich werde Sie auf dem
Laufenden
halten.
George Harrison
Die US-Administration ließ es sich nicht nehmen, ihre
damaligen
Bündnispartner - in unterschiedlichem Umfang - über
den
Erfolg zu informieren. Da das Manhattan Project mit starker Beteiligung
britischer Wissenschaftler durchgeführt wurde, unterrichtete
man
Winston Churchill am 17. Juli, dass man am Vortag einen ersten
Prototypen erfolgreich getestet hatte. Allerdings konnte Churchill die
militärpolitische Dimension dieser Nachricht nicht sofort
erfassen.
Am 24. Juli teilte Truman Stalin in einer Konferenzpause betont
beiläufig mit, seine Rüstungsingenieure
hätten ihn
unterrichtet, dass man "a new weapon of unusual destructive force"
entwickelt hätte. Stalin nahm diese Information betont
gelassen
zur Kenntnis, ohne eine Nachfrage zu stellen, und wünschte
lediglich "good use of it against the Japanese", was wiederum Truman
verwunderte. Was die US-Regierung damals noch nicht wusste war, dass
Stalin über mehrere Spione unter den Wissenschaftlern im
US-Atomwaffenlaboratorium in Los Alamos im Detail über das
amerikanische Atombombenprojekt informiert war. Erst fünf
Jahre
später wurde der deutsch-britische Atomwissenschaftler Klaus
Fuchs
in Großbritannien wegen Landesverrats festgenommen.
Für die politischen Entscheidungsträger war ein
Einsatz der
Atombombe gegen japanische Städte zu keinem Zeitpunkt
fraglich.
Nachdem man drei Jahre lang mit tausenden von Wissenschaftlern und
Milliardenkosten die Bombe entwickelt hatte, schien es nun eine
Selbstverständlichkeit zu sein, dass der Staatsapparat seine
Bombe
auch einsetzte. Aber es meldeten sich auch kritische Stimmen zu Wort.
Unter den beteiligten Nuklearphysikern hatte sich zunächst Leo
Szilárd, der 1939 die Entwicklung einer US-Atombombe selbst
angestoßen hatte, gegen einen Atombombenabwurf ausgesprochen.
Auch der wissenschaftliche Leiter des Projektes, J. Robert Oppenheimer,
sprach sich nun gegen einen Einsatz der Bombe aus. Beide wurden
dafür später wie Landesverräter behandelt.
Bei den
Militärs sprachen sich General Dwight David Eisenhower,
Admiral
Ernest Joseph King und Admiral William Daniel Leahy gegen einen
Atomangriff aus, auch der Oberbefehlshaber der Army Air Force General
Henry Harley Arnold meldete Bedenken an. Die kritischen Diplomaten
wurden angeführt vom früheren US-Botschafter in Japan
und
Staatssekretär im US Foreign Office Joseph Clark Grew, der von
April bis Juli 1945 als geschäftsführender
Außenminister amtierte.
Einen nennenswerten Einfluss auf die Entscheidungsfindung hatten diese
Kritiker nicht. Unter den verantwortlichen Politikern und
Militärs
entbrannte lediglich ein Streit darüber, welche japanischen
Städte auf die potentielle Zielliste aufgenommen und wann der
Angriff durchgeführt werden sollte. Die ursprüngliche
Liste
umfasste vier Ziele: Hiroshima, Kokura, Kyoto und Niigata.
Der Zielausschuss des Pentagons empfahl Kyoto als Primärziel
festzulegen. Aber Kyoto war eine historisch und kulturell
überaus
wichtige Stadt und ein Zentrum des Schintoismus. Daher hatte
insbesondere Kriegsminister Henry Lewis Stimson Bedenken gegen einen
Angriff auf diese Metropole. In seinem Tagebuch notierte er damals:
"Wenn man diese Stadt als mögliches Ziel der Bombe mit
einbezog,
dann musste ein solcher Akt der Mutwilligkeit noch lange Zeit nach dem
Krieg bei den Japanern eine solche Verbitterung hervorrufen, dass sie
sich eher noch mit den Russen als mit uns abfinden würden."
Am 22. Juli verständigten sich Truman und Stimson in einem
Vier-Augen-Gespräch in Potsdam darauf, dass Kyoto als Ziel
nicht
in Frage kam und stattdessen Hiroshima das "first target" sein sollte.
In einem weiteren Gespräch zwischen Stimson und General Arnold
am
selben Tag empfahl letzterer, statt Kyoto sollte Nagasaki auf die
Zielliste gesetzt werden.
Am Abend des 24. Juli traf ein weiteres Telegramm von Harrison ein, das
aufgrund der Wetterverhältnisse die Angriffschancen
verklausuliert
bewertete:
Eine Operation ist vom 1. August an jederzeit möglich, je nach
Vorbereitungsstand des Patienten und der Wetterbedingungen. Vom Zustand
des Patienten aus gesehen nur geringere Chancen vom 1. bis 3. August,
gute Chancen vom 4. bis 5. August und nahezu sichere vor dem 10.
August, sofern kein unerwarteter Rückfall eintritt.
George Harrison
Als das Telex in Potsdam-Neubabelsberg eintraf, rief Truman seine
engsten Mitarbeiter zu einer spontanen Beratung zusammen:
Kriegsminister Henry Lewis Stimson, Luftgeneral Henry Harley Arnold und
den Generalstabchef General George Catlett Marshall. Bei dieser
Diskussion wurde festgelegt, dass vier Städte auf der
veränderten Zielliste verblieben: Hiroshima, Kokura, Niigata
and
Nagasaki.
Diese präsidiale Entscheidung für einen
Atombombenangriff auf
Japan wurde unmittelbar nach Washington an den Zielausschuss im
Pentagon übermittelt. Dort wurde die Auswahl von Nagasaki
kritisiert. Der beteiligte Brigadegeneral Thomas Francis Farrell
berichtete dazu:
Die Sitzung fand teils in General Handys Büro (Generalleutnant
Thomas Troy Handy vertrat General Marshall als amtierenden Stabschef,
solange dieser in Potsdam weilte, G. P.) teils in anderen
Räumen
statt, aber unter den Anwesenden befanden sich General Spaatz, General
Eaker, General Craig. Ich vertrat General Groves. Ein Offizier
…
traf mit einem Schreiben aus Potsdam ein, das eine Empfehlung General
Arnolds enthielt, Nagasaki als Ziel miteinzubeziehen.
Eine Anzahl von Offizieren machte Bedenken geltend, und für
General Groves erhob ich den Einwand, die Stadt habe nicht die optimale
Struktur und Dimension als Angriffsziel für die
großen
Bomben. Nagasaki war eine lange und schmale Stadt und lag zwischen
Hügelketten eingebettet. Dadurch würde die
Druckwirkung der
Bomben beeinträchtigt werden. Die Stadt war auch schon bei
verschiedenen Gelegenheiten ziemlich stark bombardiert worden, und
deshalb würde es schwierig sein, die Wirkung der Atombombe
über die existierenden Schäden hinaus festzustellen.
Thomas Farrell
Über diese Frage wurden zwischen Washington und Potsdam
mehrere
Telegramme ausgetauscht, jedoch blieb es bei der Entscheidung, Nagasaki
als Eventualziel einzuplanen.
Daraufhin setzte Generalleutnant Thomas Troy Handy am 25. Juli 1945
einen schriftlichen militärischen Operationsbefehl auf. Dieser
war
an den Commanding General United States Army Strategic Air Forces in
the Pacific, General Carl Andrew Spaatz, gerichtet. Das Schreiben
basierte auf einem Textentwurf von Generalmajor Leslie Richard Groves
vom 23. Juli:
The 509th Composite Group, 20th Air Force will deliver its first
special bomb as soon as weather will permit visual bombing after about
3 August 1945 on one of the targets: Hiroshima, Kokura, Niigata and
Nagasaki. To carry military and civilian scientific personnel from the
War Department to observe and record the effects of the explosion of
the bomb, additional aircraft will accompany the airplane carrying the
bomb.
Leslie Richard Groves
Daraufhin gab das Hauptquartier der 20th Air Force, die auf der
Pazifikinsel Guam stationiert war, den militärischen
Angriffsbefehl "Number 13" heraus: "20. Luftflotte greift am 6. August
Ziele in Japan an. Hauptziel: Industrieanlagen der Stadt Hiroshima."
Abwurfbeschluss vor dem Ultimatum an Japan
Im Nachhinein gab es noch einen Streit darüber, was mit dem
Wörtchen "about" gemeint war: Während Zivilisten den
Text so
interpretierten, dass ein Atomangriff erst ab dem 3. August erfolgen
dürfe, interpretierten die beteiligten Militärs
(Generalmajor
Leslie Richard Groves, General Curtis Emerson LeMay, Generalmajor
Thomas Francis Farrell) den Text ganz anders. Ihrer Meinung nach
bedeutete der Text, dass ein Angriff am 3. August oder ein paar Tage
früher oder später erfolgen dürfe. Diese
Abweichung von
ein paar Tagen war keineswegs eine Kleinigkeit.
Am 26. Juli forderten die allliierten Regierungschefs in ihrer
"Potsdamer Erklärung" die japanische Regierung zur sofortigen
und
bedingungslosen Kapitulation auf, was diese zunächst ablehnte,
weil die Zukunft des japanischen Gottkaisers Hirohito noch nicht
geklärt werden konnte.
Im Nachhinein wurde kritisiert, dass die präsidiale
Entscheidung
für einen Atombombenangriff auf Japan bereits getroffen worden
war, noch bevor ein Ultimatum an Japan überhaupt ausgesprochen
worden war. Später versuchte der Stellvertretende
Kriegsminister
John McCloy, der damals ebenfalls zur US-Delegation in Potsdam
gehörte, dies mit bürokratischen Gründen zu
rechtfertigen:
Es waren viele Dinge zu erledigen. Wenn die Entscheidung
umgestoßen oder wenn es aus irgendeinem Grund notwendig
wurde,
das Unternehmen zu verschieben, so könnte man das Flugzeug
immer
noch aus der Luft zurückholen. Es gab eine Menge Einzelheiten,
die
aufeinander abgestimmt werden mussten …, deshalb war es
notwendig, den Befehl zu erteilen.
Bei solchen Befehlen empfiehlt es sich, den genauen Termin für
seine Durchführung vorher festzulegen, anstatt sich erst an
die
Arbeit zu machen, wenn es soweit ist.... Aber das bedeutete nicht, dass
es keinen Umkehrmechanismus gab, dass die Bombe auch abgeworfen worden
wäre, wenn die Japaner sich zur Kapitulation entschlossen
hätten.
John McCloy
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges behauptete Präsident
Truman,
dass mit dem Schreiben vom 25. April zwar die militärische
Kriegsmaschinerie in Marsch gesetzt worden wäre, dass er aber
die
atomaren Luftangriffe jederzeit hätte stoppen können,
wenn
Japan rechtzeitig und angemessen kapituliert hätte. Seine
letztendliche Entscheidung für einen Atomangriff habe er
angeblich
erst Anfang August 1945 an Bord des Kreuzers "CA-31 USS AUGUSTA" auf
dem Atlantik getroffen, behauptete Truman. Allerdings fehlt
dafür
jeder schriftliche Beweis. Jedenfalls hatte die US-Regierung mit dem
Militärschreiben vom 25. Juli ihre Angriffsmaschinerie in
Marsch
gesetzt, und nur ein ausdrücklicher Gegenbefehl hätte
sie
vielleicht noch stoppen können.
Am 31. Juli 1945 war die erste Atombombe einsatzbereit. Nun warteten
die US-Militärs nur noch auf günstige
Wetterbedingungen.
Am 6. August 1945 näherte sich das Angriffsflugzeug Hiroshima.
Die
Sicht war klar, so dass kein Ausweichziel angeflogen werden musste.
Major Thomas Wilson Ferebee, der das Zielgerät bediente,
löste um 8.14 Uhr die Bombe aus. Um 8.15.17 Uhr Ortszeit
detonierte die erste Atombombe vom Typ "Mk 1 LITTLE BOY"[ 4
] in rund 580
Meter Höhe über einem Krankenhaus in der Innenstadt
von
Hiroshima. Die Uran-Bombe hatte eine Sprengkraft von circa 11,5 bis 15
Kilotonnen TNT-Äquivalent. Von den rund 400.000 Einwohnern der
Stadt starben 70.000 unmittelbar durch die Druckwelle und
Hitzestrahlung. Durch die Langzeitfolgen der Bombe, insbesondere
verursacht durch die radioaktive Strahlung, stieg die Zahl der
Todesopfer bis 1950 auf 200.000 und bis heute auf über 280.000
Menschen. Jedes Jahr sterben weitere Menschen an Krebs.
Als die Atombombe über Hiroshima detonierte, weilte
US-Präsident Truman an Bord des Kreuzers USS AUGUSTA im
Westatlantik, der ihn in die USA zurückbrachte. Als der
Präsident gerade frühstückte, erreichte ihn
folgende
Meldung des Kriegsministers Stimson: "Um 19.15 Uhr Washington-Zeit
schwere Bombe auf Hiroshima abgeworfen. Erste Meldungen sprechen von
einem vollständigen Erfolg, der den des Experiments
übertroffen hat."
Drei Tage später, am 9. August 1945 um 11.02 Uhr Ortszeit,
zerstörten die US-Militärs Nagasaki mit einer zweiten
Atombombe "Modell 1561 FAT MAN", obwohl die US-Militärs vorher
festgestellt hatten, dass die Stadt für einen
Atombombenangriff
gar nicht "geeignet" gewesen wäre. Dieser "Irrtum" kostete
schätzungsweise 80.000 Einwohnern das Leben. Ab dem 17. oder
18.
August wäre eine dritte Bombe einsatzbereit gewesen, aber zu
ihrem
Einsatz kam es nicht mehr, da die japanische Regierung am 15. August
kapitulierte[ 5 ].
Die offizielle US-Gesichtsschreibung betont, mit den
Atombombenangriffen sei eine verlustreiche Invasion Japans durch die
US-Streitkräfte ab Oktober 1945 (Operation DOWNFALL) vermieden
worden (Die US-Legende über Hiroshima und Nagasaki[ 6
]). Kritiker
halten dieses Argument für vorgeschoben, da der US-Regierung
seit
Mitte Juli 1945 durch abgehörte Funksprüche bekannt
war, dass
die Japaner prinzipiell zur Kapitulation bereit waren. Die Kritiker
vermuten, dass mit den Atombombenangriffen "nur" die genaue
Wirkungsweise der neuen Bombentechnologie gegenüber
unzerstörten Städten für die
zukünftige
Atomkriegsführung erforscht werden sollte. Außerdem
wollte
man mit einer atomar erzwungenen Kapitulation Japans einem
Kriegseintritt der Sowjetunion in Fernost, der vom Generalstabschef
General Alexei Innokentjewitsch Antonow für Mitte August 1945
angekündigt war, zuvorkommen. Nicht zuletzt dienten die
Angriffe
der militärpolitischen Einschüchterung der
Sowjetunion
angesichts des beginnenden Kalten Krieges.
Die "Truman-Villa"[ 7 ] in Potsdam existiert noch heute.
Die
Adresse heißt jetzt "Karl-Marx-Straße 2". Im
Frühjahr
1946 wohnte hier vorübergehend Marschall Georgi Konstantinow
Schukow, Oberbefehlshaber der Sowjetischen
Militäradministration
in Deutschland (SMAD). In den fünfziger Jahren war hier die
Parteischule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED)
untergebracht, von 1961 bis 1974 wurde das Haus als Polytechnische
Oberschule genutzt. Danach diente es als Möbellager. Ab 1994
beherbergte das Gebäude zeitweise das Truman Memorial Center.
Im
Jahr 1998 erwarb die Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP das Objekt
für 10 Millionen DM, das danach mehrere Jahre saniert wurde.
Seit
April 2001 hat die FNS hier ihren Hauptsitz. Gegenüber der
Villa
befindet sich seit dem 24. Juli 2010 der Hiroshima-Platz, um an die
Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu
erinnern.
Gerhard Piper ist freier Journalist
und arbeitet beim Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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