Munition für den Krieg - Die Rolle der Rheinmetall AG
von Otfried Nassauer
Tausende, vor allem ZivilistInnen, sind bei den Kriegshandlungen im
Jemen bereits gestorben. Deutsche Firmen tragen dafür eine
erhebliche Mitverantwortung. Sie lassen kriegführende Länder
wie Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate mit Munition
versorgen und verdienen gut daran. Zum Beispiel Rheinmetall.
Die Rheinmetall AG ist der größte in Deutschland
ansässige Rüstungskonzern. Er besteht aus zwei etwa gleich
großen Sparten, dem Rüstungs- und dem Automobilbereich.
Etwas mehr als 3 Mrd. € Umsatz haben 2017 die weltweit gut 11.200
MitarbeiterInnen des Bereichs Defence erwirtschaftet und dabei einen
operativen Vorsteuergewinn von 172 Mio. € erzielt. Gut zwei
Drittel dieses Gewinns, 117 Mio. €, steuerte der
Geschäftsbereich Rheinmetall Waffe & Munition (RWM) bei. RWM
erwirtschaftete mit 10% des Umsatzes auch die höchste operative
Marge im Rüstungsbereich des Konzerns. Rheinmetall nannte als
wesentliche Ursache dieses Erfolgs „margenstarke
Munitionsumsätze“. Für eine Analystenkonferenz hielt
der Rheinmetall-Vorstand im Frühjahr 2018 rückblickend auf
das 4. Quartal 2017 sogar fest: "Der Bereich Waffe und Munition (...)
verbesserte seine operative Marge von 16,1% auf 17,9% - gestützt
auf einen größeren Anteil profitabler Munitionsumsätze
bei unseren internationalen Firmen und auf einen vorteilhaften Mix der
Produkte."
Der wichtigste Markt für die Munition von Rheinmetall ist
seit Jahren die Arabische Halbinsel. Schon 2013 berichtete der damalige
Rheinmetall-Manager Andreas Schwer, Rheinmetall habe innerhalb von nur
12 Monaten „fünf Aufträge aus Ländern des
Golfkooperationsrates (GCC) für Artillerie- und Panzermunition im
Wert von 350 Millionen Euro“, Marine-Munitionsaufträge
„aus dem MENA-Raum im Wert von 320 Millionen Euro“ und den
Munitionsanteil an einem Auftrag für Panzer und Haubitzen aus
Katar im Gesamtwert von 475 Millionen Euro erhalten. Mittlerweile kamen
weitere Großaufträge hinzu: Mörsermunition im Wert von
50 Mio. € für die VAE, Artilleriemunition im Wert von 130
Mio. € für einen ungenannten Empfänger, Bomben für
411 Mio. €, die Saudi Arabien bestellt hat und erst kürzlich
Panzer- und Artilleriemunition im Wert von 380 Mio. €, die an
einen ungenannten Empfänger, wahrscheinlich Katar, geliefert
werden soll.
Zwei Rheinmetall-Firmen werden immer wieder als Empfänger von
Großaufträgen aus der MENA-Region genannt: die italienische
Rheinmetall-Tochter RWM Italia S.p.A. und ein Joint Venture in
Südafrika, Rheinmetall Denel Munition Pty Ltd. An dieser Firma
hält Rheinmetall 51%, der südafrikanische Staatsbetrieb Denel
49%. Beiden Firmen ist gemeinsam, dass sie Munitionsarten anbieten,
für deren Export keine Genehmigung der Bundesregierung nötig
ist und deren Herstellungsländer, Italien und Südafrika,
keine Scheu zeigen, Exporte auch in Krisengebiete und an
kriegführende Länder zu genehmigen. Beispielsweise an
Staaten, die wie Saudi-Arabien und die VAE im Jemen militärisch
interveniert haben.
Bomben aus Sardinien
2010 erwarb Rheinmetall den kriselnden italienischen
Munitionshersteller S.E.I. mit Werken im norditalienischen Ghedi und in
Domusnovas auf Sardinien. Die Firma heißt heute RWM Italia S.p.A.
und stellt in Sardinien Sprengstoffe her, produziert Marinemunition und
– als derzeit wichtigstes Exportgut – in US-Lizenz Bomben
der MK80-Serie. Diese werden in vielen Lenkwaffen, z.B. der
Paveway-Serie oder in bunkerzerstörenden Waffen der BLU-109-Serie
als Sprengsätze verwendet, finden also äußerst breit
Anwendungen.
Lag der Umsatz von RWM Italia noch 2011 bei nur 11 Mio.
€, so stieg er bis 2016 auf mehr als 71 Mio. € an. 2014-2016
wurden jeweils 90% des Umsatzes oder mehr exportiert. 2014 und 2015
gingen mehr als 60% nach Saudi-Arabien und in die VAE, 2016 sogar 83%
des gestiegenen Umsatzes in die MENA-Region. Seit Ende 2012 erhielt RWM
Italia mindestens drei große Aufträge zur Belieferung
Saudi-Arabiens im Wert von insgesamt mehr als 500 Mio. €:
- Ende 2012 einen Unterauftrag über 63,2 Mio. € von
Raytheon Systems Ltd. zur Lieferung von knapp 4.000 Bomben des Typs Mk
83;
- Ca. 2015 einen Unterauftrag von Raytheon Systems Ltd. zur
Lieferung einer unbekannten Menge von Mk82 Bomben zur Verwendung in
Lenkwaffen des Typs Paveway IV und
- 2016 einen Auftrag für diverse Bomben der Mk 80-Serie im Wert von 411 Mio. €, der über sieben Jahre läuft.
Saudi-Arabien wird von RWM Italia also sowohl direkt als auch
indirekt via Großbritannien beliefert. Zeitweise, so britische
Berichte, lieferte Raytheon Systems aufgrund der Dringlichkeit des
saudischen Kriegsbedarfs sogar Paveway IV Munition nach Saudi-Arabien,
die eigentlich für die britische Luftwaffe produziert worden waren.
Amnesty International und Human Rights Watch haben den Einsatz
von Mk83-Bomben und Lenkwaffen des Typs Paveway IV im Jemen
dokumentiert, auch gegen zivile Ziele. Eine Expertenkommission der
Vereinten Nationen kam Anfang 2017 zu dem Ergebnis, dass etliche
Einsätze dieser Waffen substantielle Zweifel an deren
Zulässigkeit nach den Regeln des Kriegsvölker- bzw. des
internationalen humanitären Rechts aufwerfen.
Rheinmetall erweitert seine Produktionskapazitäten in
Sardinien derzeit deutlich. Der Konzern hofft, den Jahresumsatz seiner
Tochter mittelfristig auf jährlich 100 Mio. € zu steigern.
Geschosse und Munitionsfabriken aus Südafrika
2008 erwarb Rheinmetall 51% der Munitionssparte des
staatlichen südafrikanischen Rüstungskonzerns Denel und
überführte dessen vier Werke in die neue Gemeinschaftsfirma
Rheinmetall Denel Munition (Pty) Ltd. RDM bietet ein breites Spektrum
an Standardmunitionen für Land-, See- und Luftstreitkräfte
an, darunter Granaten, Mörser- und Artilleriegeschosse, Munition
für Schiffskanonen und Bomben der Mk80-Serie. Hinzu kommen
Treibmittel und Treibladungen sowie Zulieferungen für Lenkwaffen,
die Denel vermarktet (Antriebe, Sprengköpfe).
Schon bei der Gründung von RDM machte Rheinmetall
deutlich, dass dieses Joint Venture vor allem problematische
Märkte wie die MENA-Region, Südost-Asien oder Lateinamerika
beliefern sollte. RDM verfügt über eigene Technologierechte
und ist deshalb nicht auf ausländische Genehmigungen angewiesen.
Binnen eines Jahres kam RDM aus der Verlustzone. Bereits 2011
führte man in Saudi-Arabien neue Artilleriegeschosse vor.
Rheinmetall reichte den Auftrag, Katar mit Munition für die
deutschen Panzerhaubitzen 2000 zu beliefern, an RDM weiter und RDM
selbst warb größere Aufträge für Mörser- und
Artilleriemunition ein. Regelmäßig verzeichnet RDM wachsende
Umsätze, Gewinne und Auftragsbestände. Diese erlauben es, die
Entwicklung neuer Munitionstypen in Südafrika voranzutreiben und
die südafrikanischen Werke kontinuierlich weiter auszubauen.
Betrug der Umsatz von RDM 2009 noch 85 Mio. €, so soll er
mittelfristig auf 250 Mio. € steigen.
Der deutsche RDM-Geschäftsführer, Norbert Schulz,
nannte das Engagement in Südafrika schon 2014 „die beste
Geschäftsentscheidung, die Rheinmetall in den letzten 20 Jahren
getroffen hat“. Als wichtigste Auftraggeber wurden damals
Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Singapur genannt.
Südafrika erwies sich auch deshalb als
„guter“ Standort, weil dort Exportgenehmigungen leicht zu
bekommen sind. Der südafrikanische Staat besitzt indirekt Anteile
an Firmen wie RDM und ist interessiert, dass diese Gewinne machen.
Allein für die VAE wurden in Südafrika im Zeitraum 2013-2016
Exportgenehmigungen für mehr als 60.000 40mm-Granaten, über
100.000 Mörsergeschosse, 4.000 Artilleriegranaten und 12.700
Bomben ausgestellt.
Darüber hinaus bietet RDM seinen Kunden
Munitionsabfüllanlagen und Munitionsfabriken an. 39 solcher
Anlagen sollen in den letzten Jahrzehnten gebaut worden sein. Aus den
vergangenen Jahren sind drei solche Exporte bekannt geworden:
- Ab 2008 baute RDM im Emirat Abu Dhabi eine
schlüsselfertige Munitionsfabrik für die Gemeinschaftsfirma
Burkan Munition Systems Ltd. auf. Firmen des Rheinmetall-Konzerns
agieren bis heute als Zulieferer und als technische Unterstützer.
- 2011 bot RDM auch Saudi Arabien eine solche Anlage an.
Diese ging 2016 in Betrieb und gehört der staatlichen saudischen
Military Industries Corporation. Rheinmetall-Firmen unterstützen
den Betrieb.
- 2018 soll Medienangaben zufolge eine weitere Anlage in
Ägypten in Betrieb gehen. Öffentlich wird zumeist von einem
Kunden in Nordafrika gesprochen.
Weitere Munitionsfabriken sind in der Planung. Vorabsprachen
und Vereinbarungen wurden u.a. mit Partnern in den Philippinen,
Indonesien und Malaysia sowie jüngst im Emirat Katar geschlossen.
Hier spiegelt sich bereits der aktuelle Konflikt zwischen Katar und
einer Koalition arabischer Staaten unter Führung Saudi-Arabiens.
Der Aufbau solcher Anlagen dient den Interessen der örtlichen,
meist autokratischen Regierungen und zugleich dem Gewinninteresse des
Rheinmetall-Konzerns. Ein Teil der Wertschöpfung findet im
Kundenland statt. Dieses wird unabhängiger von den Genehmigungen
der Lieferländer. Die Politik nach Innen (Menschenrechte) und nach
Außen (Konflikte und Kriege) kann künftig schlechter durch
die Lieferländer beeinflusst werden. Schließlich schaffen
sich die politischen und/oder militärischen Eliten in diesen
Ländern oft auch eine zusätzliche Einnahmequelle.
Money, Money, Money
Die verfügbaren Informationen zu den Geschäften von
RWM Italia und RDM legen den Schluss nahe, dass substantielle Teile des
Gewinns von Rheinmetall aus Munitionsgeschäften mit Ländern
resultieren, die im Jemen Krieg führen. 2017 trugen allein RWM
Italia und RDM bereits 38,5 Mio. € zum Gewinn von Rheinmetall
Waffe und Munition bei. Gleichzeitig konnten zweistellige
Millionenbeträge in die Modernisierung beider Firmen investiert
und deren Eigenkapital deutlich gestärkt werden. RWMl,-Italia
berichtet in seinem Geschäftsbericht zudem, dass jeder der gut 150
MitarbeiterInnen dieser Firma 2016 468.000 € Umsatz
erwirtschaftete. Konzernweit lag dieser Wert bei Rheinmetall Defence
bei lediglich 243.000 €. Diese Zahlen deuten darauf hin, dass die
Munitionsexporte der beiden RWM-Unternehmen auf die arabische Halbinsel
hochprofitabel sind. Munition ist nicht nur ein Grundnahrungsmittel des
Krieges, sondern auch eine sprudelnde Quelle für Gewinne.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS.
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