Vision Null
von Otfried Nassauer
Barack Obama hat die Vision einer besseren Zukunft. Sein politisches
Gestaltungsprinzip ist die Hoffnung. Kaum etwas unterscheidet ihn deutlicher
von seinem Vorgänger, George W. Bush. Dessen politisches Gestaltungsprinzip
war die Angst. Er weckte Ängste, um dann Sicherheit vor den Bedrohungen
zu versprechen. Das zeigt ein Vergleich der Nuklearpolitik.
Am 7.April erklärte Barack Obama in Prag die Vision einer atomwaffenfreien
Welt zum Ziel amerikanischer Politik. Vision Null-Lösung. Er begründete
seine Initiative damit, dass den USA die „moralische Verantwortung“ zum
Handeln zukomme. Als einziges Land habe man bereits Atomwaffen eingesetzt.
Er versprach, die vertraglich vereinbarte Rüstungskontrolle und die
Nichtverbreitung wiederzubeleben, den atomaren Teststopp-Vertrag zu ratifizieren,
sich für ein Verbot der Produktion von Nuklearmaterial für Atomwaffen
einzusetzen, gemeinsam mit Russland die nukleare Abrüstung voranzutreiben
und verbesserte Nichtverbreitungsregeln anzustreben. Für viele Beobachter
ein lange erhoffter Lichtblick.
Denn unter George W. Bush planten die USA neue nukleare Trägersysteme,
neue atomare Waffen und eine Runderneuerung der industriellen Infrastruktur
für ihre Nuklearwaffen. Diese wurden in eine neue Strategie eingebunden,
die es erlaubte, Nuklearwaffen auch präemptiv gegen Staaten und nicht-staatliche
Akteure einzusetzen, die man verdächtigte, Massenvernichtungswaffen
oder deren Trägersysteme zu besitzen oder zu bauen. Die ultimative
Waffe, die Atombombe, als ultimative Rückversicherung gegen eine
bedrohliche Umwelt und als Garantie der eigenen Vormachtstellung. Rüstungskontrolle
und Abrüstung hatten hier nur Platz, wenn sie Washingtons Handlungsfreiheit
nicht beschränkten. Die Folge war eine Politik des Kahlschlags bei
bestehenden Rüstungskontrollverträgen und eine repressive Politik
der Proliferationsverhinderung.
Ganz anders nun Barack Obama. Er will den Grundgedanken hinter dem Atomwaffensperrvertrag
wiederbeleben: „Länder mit nuklearen Waffen werden sich um Abrüstung
bemühen, Länder ohne Atomwaffen werden keine beschaffen und
alle Länder haben Zugang zur friedlichen Nutzung der Atomenergie“,
so Obama. Seinen Worten ließ er schnell Taten folgen: Im Haushalt
wurden Gelder für umstrittene Projekte wie neue Atomsprengköpfe
oder Raketenabwehrsysteme in Polen gestrichen. Mit Russland soll bis August
ein neuer Abrüstungsvertrag vereinbart werden, der die Nuklearwaffenpotentiale
beider Seiten auf etwa 1000-1500 aktive Sprengköpfe begrenzt. Der
neue Vertrag und der atomare Teststoppvertrag sollen noch in diesem Jahr
ratifiziert werden. Greifbare Fortschritte bei der Abrüstung als
positives Umfeld, um bei der Überprüfung des Atomwaffensperrvertrages
2010 auch schärfere Nichtverbreitungsregeln vereinbaren zu können.
Doch so sehr sich Obama um Abrüstung und bessere Nichtverbreitung
bemüht, seine Initiative hat einen Pferdefuss. Obama redet einer
erweiterten Nutzung der Kernenergie das Wort: „Wir müssen die Kraft
der Nuklearenergie im Dienste unserer Bemühungen zur Bekämpfung
des Klimawandels und zur Stärkung der Chancen aller Menschen einspannen.“
Betreiben jedoch immer mehr Staaten Kernkraftwerke, so wächst das
Risiko, dass auch immer mehr Staaten Nuklearwaffen bauen können,
weil ausgebildetes Personal, Wissen und Infrastrukturen vorhanden sind.
Werden mehr Kernkraftwerke betrieben, so geht der endliche Rohstoff Uran
schneller zur Neige. Will man die Nutzungsdauer der Kernenergie verlängern,
bleibt nur die Wiederaufarbeitung. Die aber vergrößert das
Risiko, dass neue Nuklearwaffenstaaten entstehen. Sie ist nicht nur technisch
weniger komplex als die Anreicherung, sondern häuft auch Reaktorplutonium
an, aus dem notfalls auch Bomben gebaut werden können. So hilfreich
Obamas Vision einer Null-Lösung für atomare Waffen ist – nachhaltig
würde sie wohl nur, wenn sie durch die Vision für eine Null-Lösung
bei der Kernenergie begleitet würde. Nur eine doppelte Null-Lösung
funktioniert letztlich sicher.
ist freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum für
Transatlantische Sicherheit - BITS.
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