Russland fehlt bei diesem Gipfel
Otfried Nassauer
Durch den Ausschluss von Russland entfällt der Anreiz,
Gemeinsamkeiten in der Sicherheitspolitik zu suchen. Obwohl Krisen und
Kriege die Entwicklung der Welt immer stärker prägen
–
die Außen- und Sicherheitspolitik spielt beim G7-Gipfel keine
zentrale Rolle.
Der Blick auf die Tagesordnung des G7-Gipfels
lässt
stutzen. Obwohl Krisen und Kriege die Entwicklung der Welt immer
stärker prägen – die Außen- und
Sicherheitspolitik spielt dort keine zentrale Rolle. Falls niemand noch
auf die perverse Idee kommt, dem G7-Gipfel durch verschärfte
Kämpfe in der Ukraine noch rasch ein Zusatzthema zu diktieren,
so
wird es dabei auch bleiben. Russland fehlt bei diesem Gipfel und damit
fehlt ein wesentlicher Anlass, sicherheitspolitischen Themen
über
die Ergebnisse des Außenministertreffens der G7-Staaten in
Lübeck hinaus größeres Gewicht beizumessen.
Die G7-Staaten haben sich entschieden, das G8-Format nicht als
kooperatives Instrument der Konfliktbearbeitung mit Russland
einzusetzen, sondern zum G7-Format zurückzukehren, das sich
als
Instrument konfrontativer Vorwürfe besser eignet. Exklusion
statt
Inklusion.
Richtig ist allerdings auch: Die Außen- und
Sicherheitspolitik
stand noch nie über längere Zeit im Zentrum der
Arbeit der
G7-Gruppe. Auch nicht, als diese von 1998 bis 2013 als G8-Gruppe tagte.
Weltwirtschaftsfragen waren der Anlass zur Gründung dieses
exklusiven, informellen Zirkels westlicher Wirtschaftsnationen und sind
bis heute dessen Kernthema geblieben. Fragen der globalen Entwicklung
treten gelegentlich an deren Seite. So wie die Klima- und
Energiepolitik. Aus real- oder machtpolitischer Perspektive mag das
verwundern. Ordnungspolitik stützt sich traditionell auf
wirtschaftliche und militärische Macht. Die weitgehende
Abstinenz
sicherheitspolitischer Fragestellungen irritiert also zurecht. Sie
ergibt sich jedoch zum Teil aus dem Charakter des Forums. Die Formate
G7 und G8 sind informeller Natur. Sie fassen keine rechtsverbindlichen
Beschlüsse, sondern geben politische Willensbekundungen ab, an
die
sich die Beteiligten bestenfalls halten.
Als informelle Struktur der starken, marktwirtschaftlich orientierten
Staaten sind die G7 ein Instrument, das auf wirtschaftlichem Gebiet
ordnungspolitische Anstöße geben kann, zum Beispiel
wenn es
um die Beseitigung von Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen
oder um eine Deregulierung bestimmter Märkte geht. Meist
werden
dann zugleich im eigenen Interesse dem Recht des Stärkeren auf
globalisierten Märkten mehr Anwendungsspielräume
verschafft.
Informelle Strukturen starker Nationen sind dafür besonders
geeignet – zumal, wenn sie sich als Wertegemeinschaft
legitimieren, die selbst darüber entscheidet, wer dieser
Gemeinschaft angehören darf und wer nicht.
Für sicherheitspolitische Problemstellungen ist ein solches
Vorgehen erkennbar schlechter geeignet. Stabilitätsorientierte
Sicherheitspolitik – so galt es zumindest weitgehend
für die
Zeit des Kalten Krieges – zielt auf Kooperationen, die in
vielen
Fällen einer multilateralen Verrechtlichung bedarf.
Internationales Recht dient jedoch zugleich dazu, Schwächere
vor
einer Anwendung des Rechts der Stärke zu schützen.
Informelle und exklusive Strukturen sind nur bedingt geeignet, solche
Prozesse anzustoßen. Meist ist ihnen kaum mehr
möglich als
die Bildung von Koalitionen der Willigen, die sich
sicherheitspolitischer Fragestellungen und Zielsetzungen annehmen, um
sich zu einem gemeinsamem Vorgehen zu verpflichten oder darauf zu
einigen, in anderen institutionellen Kontexten eine Verrechtlichung
anzustreben. Die G7- beziehungsweise G8-Staaten haben sich –
vor
allem in der Zeit der Mitgliedschaft Russlands –
sicherheitspolitischen Fragen vor allem in dieser Form angenommen.
Als Beispiele können die G8-Initiativen zu
verstärkten
Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus, der
Organisierten
Kriminalität oder der Weiterverbreitung von
Massenvernichtungsmitteln dienen. Bei all diesen Fragen existierte eine
ausreichende Interessensübereinstimmung und somit auch eine
Möglichkeit, kooperativ vorzugehen. Mit dem Ausschluss
Russlands
ist der Anreiz, solche Felder ausreichender sicherheitspolitischer
Interessensübereinstimmung zu suchen, weitgehend entfallen.
Ein Dauerzustand im Werden? Schon möglich.
Kanzlerin
Angela Merkel kann eine baldige Rückkehr Moskaus nicht sehen.
Sie
betonte den Charakter der G7 als Wertegemeinschaft und als Gemeinschaft
von Staaten mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Das
schließt Moskau auf deutlich längere Sicht aus.
Schon
möglich, dass eine solche Entwicklung nicht im Interesse
Deutschlands und Europas ist.
ist
freier Journalist und leitet das Berliner Informationszentrum
für Transatlantische Sicherheit - BITS
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